Grandiose Partnerschaft Barenboim-Argerich

Franz Liszts Klavierkonzert und Gustav Mahler Symphonie Nr. 7 im Wiener Konzerthaus

Wiener Konzerthaus, 29. November 2017
Wiener Philharmoniker
Daniel Barenboim Dirigent
Martha Argerich Klavier
Franz Liszt Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur
Zugabe: Argerich und Barenboim
Georges Bizet Jeux d’enfants, op. 22 – „ Die Puppe“
Gustav Mahler Symphonie Nr. 7 e-Moll

von Charles E. Ritterband

Als „Löwin am Klavier“ galt Martha Argerich – bewundert und gefürchtet; „eine Wilde, eine Verrückte, nicht leicht zu behandeln und immer ein Risikofaktor“ charakterisierte sie einst ihr Lehrer Friedrich Gulda: Er hatte ihr seit ihrem 12. Lebensjahr eigentlich nichts mehr beizubringen, berichtete Gulda, weil sie schon alles konnte.

Diese wilde, durch das Alter kaum gezähmte Frau im Wiener Konzerthaus mit Franz Liszts grandiosem Klavierkonzert Nr. 1 in Es Dur im Wiener Konzerthaus – wo Argerich bereits im Jahr 1959 ihr Debut gegeben hatte – zu  hören war ein Erlebnis, das zu beschreiben schon fast eine Anmaßung ist. Dass es sich beim Orchester um die Wiener Philharmoniker handelte machte diesen Abend zum großartigen Erlebnis – und dass dieses Spitzenorchester von Daniel Barenboim dirigiert wurde, rundete dieses Musikerlebnis zur Perfektion ab: Barenboim, wie Argerich hochtalentierter Alleskönner, selbst Pianist, Wagner-Dirigent, Gründer des israelisch-palästinenischen West-Eastern-Divan Orchestra, das sich längst zur Weltklasse aufgeschwungen hat und vieles mehr stammt genauso wie Martha Argerich aus der jüdisch-argentinischen Gemeinschaft; die beiden Musiker sind seit ihrer Kindheit befreundet. Die künstlerische Partnerschaft dieser beiden musikalischen Giganten hat sich zwar erst in den letzten Jahren so richtig entwickelt, gilt aber schon jetzt als geradezu legendär.

Auch dieser Abend im bis auf den letzten Platz ausverkauften prachtvollen, in Weiß und Gold erstrahlenden Großen Saal war ein Debut, trat Argerich erstmals mit den Philharmonikern auf. Argerich behauptete sich souverän gegenüber dem gewaltigen, eingespielten Klangkörper der Philharmoniker, die ihr und dem Dirigenten Barenboim am Ende des Konzertes anhaltenden, mit den Bögen ihrer Streichinstrumente enthusiastischen Beifall spendeten. Dass Barenboim tatsächlich alles kann, wurde mir bewusst, als ich ihn – ich war damals NZZ-Korrespondent für Südamerika – in Buenos Aires als virtuosen Tango-Musiker erlebte (der CD-Mitschnitt „Mi Buenos Aires Querido“ – meine Lieblings-Tango-Aufnahme – ist immer noch erhältlich).

Argerich intonierte das geradezu diabolische – manche sagen: stürmisch-martialische – Klavierkonzert mit vollständiger Präsenz, äußerster Präzision und zugleich vornehmer Zurückhaltung. Das Zusammenspiel zwischen Solistin und Orchester hätte ausgewogener nicht sein können. Die Solistin spielte sich aus den gewaltigen Wogen der Orchestermusik hinaus zu glasklaren Klängen.

Gemeinsam setzten sich Barenboim und Argerich für eine kleine Zugabe an den Flügel: Georges Bizets Jeux d’enfants, op. 22 – „ Die Puppe“. Barenboim, wieder der Pianist: Da hörte man vollendete Technik und absolute Klarheit, spürte auch Harmonie zwischen den beiden befreundeten Pianisten, aber die geradezu identische Bescheidenheit – da ging es bei beiden ausschließlich um die Musik und nicht ums Ego.

Grandios nach der Pause Gustav Malhers Symphonie Nr. 7 in e-moll – ein überaus anspruchsvolles Werk, nicht nur für die Musiker, wegen seiner zahlreichen Aspekte, den vielen musikalischen Seitenpfaden (verkörpert durch die ungewöhnlichen Instrumente – von der Gitarre und der Mandoline bis hin zu den Geißenglöcklein in den alpin inspirierten Passagen), den Dissonanzen aber auch der außergewöhnlichen Länge von 80 Minuten ein auch für den Zuhörer anstrengendes Musikstück. Da wird ein ganzes Universum präsentiert: Vogelrufe, Marschmusik und Hörnerklänge, die an Hector Berlioz‘ Symphonie Fantastique erinnern – Idylle und Drama. Barenboim stand am Dirigentenpult unerschütterlich, mit Bescheidenheit und Understatement, ohne jegliche Show-Elemente, und führte den großartigen Klangkörper der Wiener Philharmoniker durch Höhen und Tiefen dieses relativ selten aufgeführten Werks.

Das Konzert mit identischem Programm wurde am 24. November 2017 auch im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins aufgeführt.

Der Journalist Dr. Charles E. Ritterband schreibt exklusiv für klassik-begeistert.at. Er war für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Korrespondent in Jerusalem, London, Washington D.C. und Buenos Aires. Der gebürtige Schweizer lebt seit 2001 in Wien und war dort 12 Jahre lang Korrespondent für Österreich und Ungarn. Ritterband geht mit seinem Pudel Nando für die TV-Sendung „Des Pudels Kern“ auf dem Kultursender ORF III den Wiener Eigenheiten auf den Grund.

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