Diese Inszenierung verleidet dem Publikum den Opernbesuch gründlich

Gaetano Donizetti, Les Martyrs  Museumsquartier Halle E (Theater a. d. Wien), 23. September 2023

Fotos: Les Martyrs © Werner Kmetits

Museumsquartier Halle E (Theater a. d. Wien), 23. September 2023 

Gaetano Donizetti, Les Martyrs
Grand Opéra in vier Akten

Inszenierung: Cezary Tomaszewski

Besetzung:
Roberta Mantegna, John Osborn, Mattia Olivieri, David Steffens, Nicolò Donini u.a.

Arnold Schoenberg-Chor
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Dirigent: Jérémie Rhorer

von Herbert Hiess

Es ist erst gute zwei Monate her, da hat sich der bekannte Dirigent Alberto Veronesi beim Puccini-Festival in Torre del Lago aus Protest gegen eine „spezielle“ Inszenierung während des Dirigates die Augen verbunden. Das ist einem sogleich nach den ersten paar Minuten nach Beginn dieser Aufführung im Museumsquartier eingefallen.

Schon beim Vorspiel wurden einem viele Ähnlichkeiten zu Donizettis „Poliuto“ bewusst, um dann festzustellen, dass „Les Martyrs“ eigentlich eine überarbeitete Version von „Poliuto“ ist.

Dass Regisseur Cezary Tomaszewski die Geschichte um die Christenverfolgung in Armenien im römischen Reich mit dem Völkermord in Armenien zu Beginn des 20. Jahrhunderts verknüpft, hätte ja noch ein interessanter Ansatz sein können.

Aber was ist herausgekommen? Eine Art „Slapstick“ mit alienförmigen Körpern, tuntenhaften Pantomimen, einem total hässlichen Bühnenbild und einer unprofessionellen Personenführung. Insgesamt hat man von der türkischen Verfolgung der Armenier sowieso nichts mitbekommen – letztlich war es ein unansehnlicher Wust von Bildern, die fast die Musik zerstört hätten, wäre da nicht der umsichtige, feurige und hochinteressante Dirigent Jérémie Rhorer gewesen.

Les Martyrs © Werner Kmetits

Angeblich hat sich Rhorer schon vor der Premiere bei den Musikern für die zu erwartenden (und dann eingetretenen) Buhrufe entschuldigt und den Leuten sozusagen vermittelt, dass sie sicher nicht der Grund für diese Unmutsäußerungen seien.

17mal ist der Maestro bis jetzt in der Wiener Staatsoper aufgetreten (für „Così fan tutte“ und „Le nozze di Figaro“); das wäre eine Gelegenheit, die Beziehungen zwischen der Oper und dem Dirigenten wieder aufleben zu lassen. Das wäre ein absoluter Gewinn.

Also da hätte dieses üble Spiel auf der Bühne fast die wunderschöne Musik Donizettis zerstört; selbst im 3. Akt, wo Pauline tatsächlich zum Christentum konvertiert, sah man statt eines berührenden Duetts eine trottelhafte Pantomime.

Les Martyrs © Werner Kmetits

Nun genug über diese Regie, damit man ihr nicht mehr Bedeutung zukommen lasst, als sie sich verdient.

Musiziert wurde im Orchestergraben und auf der Bühne exzellent. Neben allen anderen Protagonisten waren Roberta Mantegna und John Osborn ein phantastisches Paar; als Pauline und Polyeucte. Frau Mantegna hat eine interessante und leuchtende Sopranstimme, die sie noch musikalischer einsetzen hätte können. Pianokultur war da nicht so viel auszunehmen. John Osborn, der die bis zum hohen „E“ reichende Tenorpartie exzellent meisterte, hatte manchmal einen allzu hörbaren Registerwechsel. Oft merkte man fast schmerzhaft den Übergang von Kopf- zur Bruststimme.

Les Martyrs © Werner Kmetits

Alle anderen Partien waren ebenbürtig hervorragend besetzt, wo alle ihr Niveau halten konnten. Schade, dass dieses unwürdige Spektakel auf der Bühne fast die ganze Aufführung „crashte“. Dass Sänger schlechte Inszenierungen über sich ergehen lassen müssen, ist bekannt. Doch auch hier hätte der Dirigent eingreifen und der Intendanz seinen Protest deutlich machen müssen. Sowas wird dann leider gern als „Freibrief“ ausgenützt.

Schade um das äußerst selten gespielte Werk; vielleicht hätte man die Oper wie „Poliuto“ 1986 im Konzerthaus Wien konzertant aufführen sollen (davon gibt es eine hervorragende Aufnahme mit Carreras und Ricciarelli). Dann hätte man sich viel Geld und Frustrationen beim Publikum erspart.

Herbert Hiess, 25. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Gaetano Donizetti, Lucia di Lammermoor Macerata Opera Festival, 14. August 2023

25. Amazonas Opernfestival, G. Donizetti, Anna Bolena Teatro Amazonas, Manaus, 20. Mai 2023

Italienische Opernwochen 22/23, Giacomo Puccini, Tosca, Gaetano Donizetti, Lucia di Lammermoor Staatsoper Hamburg, 4. und 5. März 2023

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