Ermonela Jaho © 2025 / Brinkhoff/Mögenburg
Die dritte Vorstellung seit ihrer Premiere Mitte März zeigt, dass die Oper “Maria Stuarda” von Gaetano Donizetti sicherlich zu den Höhepunkten der “Italienischen Opernwochen”, die man dieser Tage an der Hamburgischen Staatsoper erleben kann, gehört. Unter der musikalischen Leitung von Antonino Fogliani begeistern Ermonela Jaho und Barno Ismatullaeva in den Partien der um Macht und Liebe streitenden Königinnen Maria Stuarda und Elisabetta I. Die Inszenierung von Karin Beier leuchtet vor allem die politische Fehde zwischen beiden Kontrahentinnen aus.
Maria Stuarda, Tragedia lirica in zwei Akten
Text von Giuseppe Bardari nach Friedrich Schiller
Musik von Gaetano Donizetti
Inszenierung von Karin Beier
Bühne: Amber Vandenhoeck
Kostüme: Eva Dessecker
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: Antonino Fogliani
Hamburgische Staatsoper, 22. März 2025
von Jean-Nico Schambourg
Die Inszenierung von Karin Beier, Intendantin des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, stellt den Kampf der beiden Königinnen um die politische Macht in den Mittelpunkt der Geschichte. Die Dreiecksliebesgeschichte zwischen Elisabetta – Leicester – Maria Stuarda wird bei ihr in den Hintergrund gedrängt.
Um die politische Einstellung der beiden Hauptfiguren von ihren persönlichen Gefühlen besser zu trennen, stellt Beier jeder Königin fünf (!) Doubles zur Seite. So kann die Sängerin jeder Zeit die persönlichen Gefühle der Rolle besingen, während ein Double ihre Figur weiterhin offiziell vertritt. Im Begleitheft erklärt Beier mit diesem Effekt u.a. das von Donizetti in der Partitur angegebene “fra sé / für sich” umsetzen zu wollen. Das erschafft einige Szenen intensiver Gestaltung, nervt aber auch zeitweilig, weil die Doubles zu sehr von der Hauptfigur ablenken.
In der Oper hält der Komponist bewusst die Handlung einen Moment an und gibt den Protagonisten damit Zeit, ihre Gefühle und Gedanken musikalisch auszudrücken. Im realen Leben geht es halt weiter, denn “wie’s da drin aussieht, geht niemand’ was an!”.
Während Donizetti seine Sympathien ganz klar Maria Stuarda zukommen lässt, setzt Karin Beier beide Königinnen in ihren niedrigen Beweggründen, um ihre Kontrahentin auszustechen, auf ein selbes Level. Auch Maria Stuarda ist hier eine Intrigantin, die sogar den Moment ihres Todes nutzen will, um ihrer Gegnerin mit schlechter Publicity zu schaden. Dazu lässt die Regisseurin einen Kameramann in der Schlussszene über die Bühne laufen. Sorry, aber nach so einer durchdachten Regiearbeit erwarte ich mir doch ein wenig mehr Phantasie, um die Selbstinszenierung der Stuarda dem Publikum klar zu machen!
Das Bühnenbild von Amber Vandenhoeck besteht aus grauen, verschiebbaren Mauern, die zum Teil das Bild eines Gefängnisses ergeben, wo durch Gucklöcher von außen die Figuren stets unter Beobachtung stehen.
Bei den Kostümen (Eva Dessecker) ist die rote Farbe Elisabetta I vorbehalten. Alle anderen Personen sind schwarz gekleidet. Dass Maria Stuarda im Moment ihres Todes auch rot gekleidet ist, drückt ihren ewigen Anspruch an die politische Macht aus und ist Teil einer konsequenten Inszenierungsidee.

Musikalisch ist dieser Abend ein großer Erfolg und wird natürlich von den beiden zentralen Frauenfiguren szenisch wie vor allem stimmlich dominiert.
Schon nach der Arie der Elisabetta am Anfang der Oper gibt es stürmischen Applaus. Und den hat sich Barno Ismatullaeva in der Rolle der englischen Königin redlich verdient. Ihr Mezzosopran ertönt über die ganze Spannweite ausgeglichen, kraftvoll kontrolliert bis in die Höhen, die sie hier voll ausspielen kann, um ihre Gegenspielerin in die Schranken zu verweisen.
Dagegen klingt der Sopran von Ermonela Jaho bei ihrem ersten Auftritt fast zärtlich. Doch dann zeigt auch sie, welch Theatertemperament in ihr steckt. Spätestens wenn sie bei der Begegnung mit Elisabetta dieser die Schmähworte “meretrice indegna e oscena“ und “vil bastarda“ an den Kopf wirft, hört man das Feuer, das in ihrer Stimme glüht.
Perfekt ihre Phrasierung im zweiten Akt, wenn die Stuarda Talbot den Mord an ihrem Ehemann gesteht oder wenn sie sich und ihre Umgebung auf ihren baldigen Tod vorbereitet. Da erklingt ihre Stimme klar und fast engelhaft über Chor und Orchester hinweg, ohne aber je aufdringlich und erdrückend zu wirken.

Die Männer spielen bei Donizetti eine untergeordnete Rolle. Natürlich bedarf es eines Tenors, um der Dreiecksliebesgeschichte einen Ankerpunkt zu verleihen. Long Long singt den Leicester zwar mit viel Engagement. Trotz des heldischen Klangs seiner Tenorstimme bleibt er aber relativ monoton und konturlos, was dem Charakter der Rolle allerdings entspricht.
Zwei Vertreter des Bassschlüssels, Alexander Roslavets als Talbot und Gezim Myshketa als Cecil, streiten an der Seite ihrer jeweiligen Königin. Ersterer als Vertrauter von Maria Stuarda, fällt im Duett mit dieser besonders auf durch den balsamischen Klang seiner Stimme und seinem musikalischen Einfühlungsvermögen.
Gezim Myshketa treibt als Cecil mit fester Stimme die Verurteilung und Hinrichtung der Stuarda voran und setzt auch szenisch die Idee der Regisseurin, dass sogar eine Königin sich dem Einfluss des Patriarchats nicht entziehen kann.
Sehr positiv fällt Aebh Kelly, Mitglied des Internationalen Opernstudios, in ihrer kleinen Rolle als Anna auf.
Der Chor der Hamburgischen Staatsoper, einstudiert von Eberhard Friedrich, bereitet dem Zuhörer viel Freude, besonders mit dem piano ausklingendem Chorgesang von Stuardas Gefolgsleuten in der zweiten Szene des zweiten Aktes.
Die musikalische Leitung des Abends obliegt Antonino Fogliani. Dessen Verständnis für das Genre des Bel Canto ist längst bekannt. Auch an diesem Abend hat der italienische Maestro das richtige Gespür für alle Passagen der Oper, ob lyrisch intime Momente oder ausladende Ensemblepassage. Bei diesen erscheinen zwar zwischendurch kleine Momente der Unsicherheit in der Koordination zwischen Graben und Orchester, die allerdings sofort unter Kontrolle sind.

So spendet das Publikum der Hamburgischen Staatsoper am Schluss allen Sängern und Musikern verdientermaßen begeisterten Applaus, wobei natürlich Barno Ismatullaeva und vor allem Ermonela Jaho frenetisch gefeiert werden.
Jean-Nico Schambourg, 24. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at