Ein Wintermärchen? Würdigte Jonas Kaufmann Franz Beckenbauer mit einem Fake-Auftritt?

Gedenkfeier Franz Beckenbauer, Fake-Auftritt von Jonas Kaufmann?  klassik-begeistert.de, 22. Januar 2024

Foto: © Gregor Hohenberg / Sony Classical

von Peter Sommeregger

Im Rahmen einer zum Staatsakt erhobenen Gedenkfeier für Franz Beckenbauer in der Münchner Allianz Arena am 19. Januar 2024, wurden vom Veranstalter, dem FC Bayern München, nicht nur der Bundespräsident, der Bundeskanzler und die Innenministerin eingeflogen, auch die musikalische Umrahmung sollte dem reichsten Fußballclub der Nation entsprechend ausfallen.

Was lag also näher, als den berühmtesten Tenor des Landes zu engagieren, der ja wie Beckenbauer echter Münchner ist: Jonas Kaufmann. Gemeinsam hat er mit Beckenbauer auch den Wohnsitz Salzburg, ist inzwischen sogar österreichischer Staatsbürger. Wer aber deutsches Liedgut erwartet hat, wurde mit drei italienisch gesungenen Stücken völlig unterschiedlicher Art überrascht: „Con te partirò“, eine bevozugt bei Trauerfeiern erklingende Schnulze, ein Filmschlager von Ennio Morricone und schließlich die Arie „Nessun dorma“ aus Puccinis „Turandot“, mit der einst der unvergessene Luciano Pavarotti ganze Fußballstadien rockte.

Über Geschmack lässt sich nicht streiten, aber als unser Leser Kurt Eichhorn den Kommentar „Hochnotpeinlicher Auftritt! Jonas Kaufmann hat seine Lippen nicht zum Vollplayback synchronisiert bekommen. Die Bildregie hat das bemerkt und zunehmend auf Stadionvollbildeinstellungen umgeschaltet“ postete, wurde ich mißtrauisch.

Vielleicht ist es ja nur ein Zufall, aber bei YouTube kann man eine Aufnahme des ersten Liedes mit Kaufmann abrufen, die mit dem Auftritt in der Arena so deckungsgleich ist, dass man ins Nachdenken kommt.

Ein ebensolcher Zufall ist es vielleicht, dass sich der Morricone-Schlager auch auf Kaufmanns „Sound of Movie“-CD findet, und zwar mit identischer Orchesterbegleitung. Wahrscheinlich ist es auch reiner Zufall, dass als letzter Titel eine Arie aus Kaufmanns jüngster Opernaufnahme erklang. In der Allianz Arena war dabei von einem Orchester und dem kurz erklingenden Chor in der Arie nichts zu sehen.

Wenn man sich die Mühe macht, und die Übertragung der Gedenkfeier in der Mediathek noch einmal ansieht, so sind Musik und Kaufmanns Lippenbewegungen tatsächlich sehr schlecht synchronisiert. Es mag natürlich sein, dass eine ganz natürliche akustische Verzögerung der Grund dafür ist, aber man wird den Zweifel an der Authentizität von Kaufmanns Auftritt einfach nicht mehr los.

Kann es tatsächlich sein, dass ein Künstler vom Rang eines Jonas Kaufmann seinen Ruf mit einem Fake-Auftritt vor einem Millionen-Publikum aufs Spiel setzt? Der wird es doch nicht ernsthaft nötig haben, zu Auskoppelungen aus aktuellen Plattenaufnahmen nur die Lippen zu bewegen? Oder doch?

Peter Sommeregger, 22. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Gedenkfeier für Franz Beckenbauer (†78) Allianz Arena, München, 19. Januar 2024

4 Gedanken zu „Gedenkfeier Franz Beckenbauer, Fake-Auftritt von Jonas Kaufmann?
klassik-begeistert.de, 22. Januar 2024“

  1. Tja, wenn man im Elfenbein-Stübchen sitzt, lässt es sich leicht lästern…..
    Das Orchester in allen drei Nummern war natürlich das Material aus den diversen SONY-Aufnahmen. Wer ein Orchester im Stadion erwartet hat, muss schon ganz schön naiv sein…..
    Kaufmann hat jedenfalls live gesungen; ob das Fernsehen diesen Ton oder Konserve eingespielt hat, können nur die Beteiligten sagen.
    Es ist ja wirklich eine Großtat, immer nach einem Haar in der Suppe zu suchen und damit hausieren zu gehen.

    Waltraud Becker

  2. Hat Luciano Pavarotti angeblich schon vorgemacht. Nur, dass der italienische Startenor bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele 2006 in Turin seinen 70er bereits hinter sich hatte. Jonas Kaufmann sollte es mit Mitte fünzig noch nicht nötig haben, seine hohen Cs vom Band laufen zu lassen.

    Jürgen Pathy

  3. Wer bei einer solchen Veranstaltung Livemusik erwartet hat, ist wohl ein wenig naiv. Das fängt schon damit an, dass man ein Riesenorchester hört, aber nur ein einzelnes Sängerlein sieht. Und kann man in einem solchen Stadion bei derartigen Temperaturen erwarten, dass ein Tenor diese stimmmordenden Stücke wirklich singt? Was in der deutlich besser bezahlten Unterhaltungsbranche der Normalfall ist, warum ist das hier ein Frevel? Niemand kam ins Stadion wegen Jonas Kaufmann. Bei der ganzen Feier der Heiligsprechung des angeblichen Kaisers war der Auftritt Jonas Kaufmanns nur eine Garnierung. Wie wichtig ist Ihnen im Lokal beim Essen die Garnierung auf dem Teller? Schön aussehen soll es, aber essen muss man das auch nicht.

    Prof. Karl Rathgeber

    1. Auch wenn man Ihrem Gedankengang folgt, bleibt Playback IMMER ein Betrug am Publikum! Es wäre fairer gewesen, man hätte Kaufmann auch ganz offiziell vom Band singen lassen, wie Sie richtig sagen, war er ja keineswegs die Hauptperson. Dieses so tun, als ob wird übrigens auch von den Fans von Schlager-Fuzzis gar nicht gern gesehen. Und eines großen Opernstars ist es absolut unwürdig. Ich habe da noch vielleicht altmodische, aber klare Vorstellungen. Es hat wohl auch Kaufmanns Plattenfirma nur zu gern gesehen, dass seine neuen Alben ganz nebenbei indirekt beworben wurden. Aber so schließen sich die Kreise, ein geschäftstüchtiger Mensch trat bei der Trauerfeier für einen geschäftstüchtigen Menschen auf…

      Peter Sommeregger

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