Standing Ovations und leere Plätze: „Gefährliche Liebschaften“ spalten das Publikum

Gefährliche Liebschaften, Musical, Staatstheater am Gärtnerplatz, München, 17. Oktober 2018

Fotos: © Thomas Dashuber
Gefährliche Liebschaften, Musical, Staatstheater am Gärtnerplatz, München, 17. Oktober 2018

Musik von Marc Schubring
Buch und Liedtexte von Wolfgang Adenberg 
Nach dem Roman von Choderlos de Laclos

von Barbara Hauter

Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Fünffach ausgezeichnet mit dem Deutschen Musical Theater Preis 2015 in den Kategorien »Bestes Musical«, »Beste Komposition«, »Bestes Kostümbild«, »Beste Musikalische Gestaltung« und »Beste Darstellerin« (Julia Klotz).
Uraufführung am 22.02.2015 im Cuvilliéstheater
Spielzeitpremiere, 17.10.2018, Staatstheater am Gärtnerplatz, München

Wenn eine viel gelobte und preisgekrönte Produktion wiederaufgenommen wird, sind die Erwartungen beim Publikum hoch. Das Musical „Gefährliche Liebschaften“, eigens für das Gärtnerplatztheater entwickelt, war 2015 ein voller Erfolg. Über die Spielzeitpremiere 2018 – im Wesentlichen mit dem gleichen Team wie 2015 besetzt – sind sich die Zuschauer uneinig. Die Meinungen reichen von „Fantastisch, mal eine ganz andere Musik“  bis „Alles ganz gut, aber ein bisschen langweilig“. An den Leistungen von Sängern und Musikern liegt es nicht, daran gibt es nichts zu meckern. Auch die Regieideen sind spannend, und die Ausstattung ist hübsch anzusehen. Doch die im ersten Akt phasenweise vor sich hin plätschernde Musik sorgt dafür, dass sich das Stück langatmig anfühlt.

Es geht um zwei Intriganten, die Sex für ihre Machtspielchen einsetzen. Die Marquise de Merteuil und ihr ehemaliger Liebhaber Vicomte de Valmont wetten: Wenn es ihm gelingt, die tugendhafte Madame de Tourvel ins Bett zu kriegen, schenkt die Marquise ihm eine Liebesnacht. Die Story stammt aus einem barocken Briefroman, der die Ränkespiele des Adels kritisiert. Bekannt ist sie vor allem durch den großartigen Film mit Glenn Close.

Valmont, der testosteron-geladene Armin Kahl, ist ein langmähniger Hengst, der sich rücksichtslos durch die Betten vögelt. Das ist durchaus derb und freizügig dargestellt, es blitzen nackte Pobacken und blanke Brüste. Der Zuschauer wird zum Voyeur, ein riesiger Deckenspiegel wie im Bordell erlaubt tiefe Einblicke ins Bettgeschehen. Die Darsteller schälen sich dabei aus üppigen Kostümen im prachtvollen Rokoko-Stil, an Perücken, Korsetts und üppigem Stoff wurde nicht gespart.

Armin Kahl, Julia Klotz © Thomas Dashuber

Anna Montanaro gibt die intrigante Marquise kühl und berechnend, jederzeit ihre und die Gefühle anderer kontrollierend. Julia Klotz, der Star des Abends, schafft es, für ihre Madame de Tourvel Mitleid zu erwecken, während man zusieht, wie sie auf Valmonts falsches Spiel hereinfällt.

Trotzdem springt der Funke nicht zu hundert Prozent über. Das liegt zum Teil an der langsam, im höflichen Plauderton erzählten Geschichte, zum anderen an der Musik von Marc Schubring. Er wolle Geschichten erzählen und die Gedanken der Protagonisten sichtbar machen, so der Komponist. Er gibt nicht den Figuren Leitmotive, sondern den Gefühlen. Liebe wird mit üppigen Streicherklängen unterstrichen, Orgasmen mit rhythmischen Bläserstimmen, Intrige mit Dissonanzen. Im ersten Akt bleibt aber nur Valmonts „Ich bin allmächtig, keine kann mir je wiederstehen“ im Ohr. Der zweite Akt ist kurzweiliger, die Hauptdarsteller bekommen Szenenapplaus und Bravi. „Liebe macht uns schwach“, ist das stärkste Motiv, das eigentliche Thema der „Gefährlichen Liebschaften“.

Denn das Spiel gerät außer Kontrolle, Valmont entwickelt Gefühle für sein Opfer – und beide enden in Tod und Verderben. Jenseits von der historischen Gesellschaftsstudie über Ränkespiele im Ancien Régime ist das die Aussage, die auch heute noch gilt: Gefühle sind mächtig und gefährlich. Bei vielen Zuschauern ist das so angekommen. Aber nicht bei allen. Manchen ließ das wilde Spiel um Sex und Macht unberührt.

Barbara Hauter, 19. Oktober 2018
für klassik-begeistert.de

Musikalische Leitung: Andreas Kowalewitz
Regie: Josef E. Köpplinger
Choreografie und Co-Regie: Adam Cooper
Bühne: Rainer Sinell
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Licht: Michael Heidinger, Josef E. Köpplinger
Video: Raphael Kurig, Thomas Mahnecke
Dramaturgie: Michael Alexander Rinz

Marquise de Merteuil: Anna Montanaro
Vicomte de Valmont: Armin Kahl
Madame de Tourvel: Julia Klotz
Cécile de Volanges: Anja Haeseli
Chévalier de Danceny: Florian Peters
Madame de Rosemonde: Gisela Ehrensperger
Madame de Volanges: Carin Filipčić
Azolan: Erwin Windegger
Statisterie und Kinderstatisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz

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