Foto: Jakub Hrůša © Dieter Nagl
Gesellschaft der Musikfreunde – Meisterinterpreten
Leoš Janáček: „Zárlivost“ (Eifersucht) für Orchester
Sergej Prokofiew: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 in C-Dur, op. 26
Dmitrij Schostakowitsch: Symphonie Nr. 5, op. 47
Daniil Trifonov, Klavier
Dirigent: Jakub Hrůša
Musikverein Wien, Großer Saal, 5. Mai 2023
von Herbert Hiess
Es hat schon was Besonderes an sich, wenn sich sowohl auf der Besetzungsliste als auch am Konzertprogramm russische und mährische Künstler die Hand geben können. Eben wieder ein Beweis, dass Kunst verbinden und nicht trennen soll. Und irgendwie steht die Vermutung nahe, dass ursprünglich Valery Gergiev, der dieser Tage seinen 70. Geburtstag gefeiert hat, dieses Konzert hätte dirigieren sollen.
Aber mit Jakub Hrůša hatte man weit mehr als bloß einen Ersatz zur Hand. Der mährische Maestro (geboren in Brünn) ist heute einer der interessantesten Dirigenten der (gerade noch) jüngeren Generation. Und ist mittlerweile schon einer der Favoriten der Wiener Philharmoniker.
Begonnen hat das Konzert mit Janáčeks Ouvertüre „Zárlivost“, die er für seine großartige Oper „Jenůfa“ geschrieben hat. Das Stück ist einige Zeit fast in Vergessenheit geraten; doch der großartige Dirigent und Janáček-Spezialist Sir Charles Mackerras hat diesem großartigen Werk zu einer Art „Revival“ verholfen.
Diese Ouvertüre beginnt nach fünf heftigen Paukenschlägen mit einer Art morbiden Walzer/Tanz und führt musikalisch durch einige Stellen der „Jenůfa“; wunderschöne lyrische Stellen hellen diese dramatischen Momente auf, bis dieses Werk mit ebenso heftigen Paukenschlägen endet.
Danach kam eines der schwierigsten Klavierkonzerte der Konzertliteratur; nämlich das dritte Klavierkonzert Prokofievs. Und hier spielte einer der heute weltbesten Pianisten, nämlich Daniil Trifonov. Man hat das Gefühl, dass dem sympathischen Russen offenbar nichts zu schwierig, zu kompliziert ist. Er spielte auch an diesem Abend die fast irrwitzigen Läufe und Akkorde mit einer unglaublichen Virtuosität, dass einem der Atem wegbleibt.
Das Werk des russischen Komponisten ist fast eine musikalische Weltreise; es kommen beispielsweise auch viele spanische Elemente darin vor (so Kastagnetten). Wirklich „russische Klänge“ sind in dem Werk kaum zu finden; auch wenig ruhige und kantable Stellen. Herausragend hierbei der Mittelsatz „Tema con variazioni. Andantino“. In dem Marschrhythmus, der sehr ruhig beginnt, entwickeln sich fast unspielbare technische Anforderungen für den Pianisten (und auch das Orchester). Trifonov beweist immer wieder, dass er nicht plakativ seine Technik demonstrieren muss; bei ihm steht immer die Musik im Vordergrund.
Damit hat der Pianist wieder einmal seinen berechtigten Weltrang hervorragend zur Schau gestellt. Und zum „D’rüberstreuen“ gab es als Zugabe von Prokofiev die Gavotte aus seinem Ballett „Cinderella“. Ebenso ein technisch wie musikalisch hochkomplexes Werk, dem Trifonov mit Bravour eine großartige Musikalität einhauchte.
Nach der Pause spielten die phantastischen Philharmoniker eine der am häufigsten gespielten Symphonien von Schostakowitsch, nämlich der fünften in d-moll. Dieses Werk hat in Wien auch eine größere Tradition; hat das Meisterorchester diese Symphonie schon unter Bernstein, Solti, Jansons usw. gespielt.
Nun hatte Jakub Hrůša die Chance, sich hier in diese Spitzenliga einzureihen, was man ihm auch aufgrund seiner Begabung und bis jetzt erreichten Erfolge auch locker zugetraut hätte. Aber nach dem hervorragenden Janáček und Prokofiev konnte er dieselbe Intensität und Wirkung bei dieser Symphonie, wo der Komponist die Auswirkungen von Stalins Terror beeindruckend in Noten gesetzt hat, nicht erzielen.
Die ruhigen Stellen (Beginn vom ersten Satz und der dritte Satz) wirkten manchmal etwas fahrig und zerrissen. Gerade eben das mahlerhafte Largo (3. Satz) hätte man viel mehr auskosten sollen. Die Philharmoniker sind dem Maestro, der eine exzellente Schlagtechnik besitzt, auf jeden Fingerzeig gefolgt.
Aber in der Coda des Finalsatzes hätte er das breite Tempo für das morbide Finale in strahlendem Dur auskosten sollen und die Pauke, die hier viel zu sanft spielte, auftrumpfen lassen sollen. Und die fünf Schläge der großen Trommel am Schluss, die eine junge Dame spielte, verpufften fast wirkungslos. Gerade diese fünf Schläge von Pauke und großer Trommel hätten Stalins Terror akustisch richtig wirken lassen.
Beeindruckend die Holzbläser, Anton Mittermayr an der Pauke und auch die Violinsoli des Konzertmeisters Volkhard Steude bewiesen wieder, wie froh man sein muss, in Wien ein solches Orchester zu haben.
Herbert Hiess, 7. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
2. Soirée der Wiener Philharmoniker, Jakub Hrůša, Evgeny Kissin Musikverein, Wien, 30. November 2022