Sonya Yoncheva singt eine berührende Cio-Cio-San an der Staatsoper Berlin

Giacomo Puccini (1858 – 1924), Madama Butterfly  Staatsoper  Unter den Linden,  Berlin, 21. Februar 2024
Foto: Vorhang Madama Butterfly – Staatsoper Berlin, Foto Jean-Nico Schambourg

Die Staatsoper Berlin hat eine Produktion der Puccini Oper “Madama Butterfly” in einer Inszenierung von Eike Gramms aus dem Jahre 1991 wieder hervorgeholt. Man erlebt dabei, dem Regisseur sei Dank, einen unbeschwerten Opernabend, bei dem man sich auf die wunderbare Musik von Puccini und den hochwertigen musikalischen Vortrag aller Interpreten konzentrieren kann.

Giacomo Puccini (1858 – 1924)
MADAMA BUTTERFLY
Tragedia giapponese in 3 Akten (Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica)

Musikalische Leitung: Domingo Hindoyan
Inszenierung: Eike Gramms
Bühnenbild & Kostüme: Peter Sykora

Cio-Cio-San: Sonya Yoncheva
Suzuki: Natalia Skrycka
Pinkerton: Stefan Pop
Sharpless: Carles Pachon

Staatsopernchor (Einstudierung: Gerhard Polifka)
Staatskapelle Berlin

Staatsoper  Unter den Linden,  Berlin, 21. Februar 2024

von Jean-Nico Schambourg

dophilie, Sextourismus, Kolonialismus: all diese modernen Schlagwörter passen perfekt zur Handlung von Puccinis Oper Madama Butterfly”. Die Inszenierung von Eike Gramms aus dem Jahre 1991 verzichtet allerdings darauf, diese Themen speziell herauszuarbeiten. Bei genauem Zuhören ist der Text des Librettos schon aufschlussreich genug. Da bedarf es keiner überspitzten Belehrung des Publikums durch eine “Möchtegern intellektuelle” Regie. Allerdings ist die Musik von Puccini so voller Emotionalität, dass man sich an ihrer Schönheit ergötzen kann und das tragische Schicksal der Cio-Cio-San mit Momenten in den Hintergrund drängt.


Das Bühnenbild und die Kostüme von Peter Sykora mögen Einigen zu kitschig konservativ sein, passen aber zur Inszenierung und stören absolut nicht. Das Ganze ergibt eine homogene Vorstellung, die man visuell genießen kann, ohne die Tragik der Handlung zu vergessen.

Die Inszenierung zeigt Benjamin Franklin Pinkerton als unsympathischen Yankee mit seiner Einstellung, dass er sich als Amerikaner auf der Welt alles erlauben darf. Auffallend in der Inszenierung, dass bei jedem seiner Auftritte, die amerikanische Flagge, die gleich am Anfang der Oper gehisst wird, im Winde weht. Verlässt er die Bühne, hängt diese leblos am Mast, als ob das Leben erst mit der Präsenz des Amerikaners beginnt. Für Cio-Cio-San stimmt dies: Pinkerton haucht ihrem Leben Sinn ein.

Für ihn ist das kleine japanische Mädchen aber, genau wie die japanischen Häuser, wie ein Kartenhaus, verschiebbar, gemietet auf 999 Jahre. “Türme sind so fest nicht! Solid vom Grund zum Giebel” antwortet ihm Goro, der Haus- und Heiratsvermittler und weiß selbst nicht, dass er damit nicht nur die Hauskonstruktion, sondern auch genau den Charakter von Cio-Cio-San beschrieben hat. Ihre Liebe zu Pinkerton ist fest verankert und auch eine Abwesenheit von drei Jahren ändert daran nichts. Dieser Aberglaube wird ihr schließlich zum Verhängnis.

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Sonya Yoncheva, ©️Victor Santiago

Sonya Yoncheva ist eine sehr gute Cio-Cio-San. Anfangs hat sie ein wenig Schwierigkeiten, die gebrechliche Kindlichkeit der Butterfly im 1. Akt wieder zu geben. Sie rutscht dabei mit einigen Phrasen in kitschige kindliche Imitation ab. Aber welcher Sopran tut sich im ersten Akt mit der Interpretation einer Fünfzehnjährigen nicht schwer. Schon bei den ersten Tönen der Butterfly im zweiten Akt hört man, dass sich in der Zwischenzeit das kleine, unschuldige Mädchen zur erwachsenen Frau entwickelt hat. Und hier passt die Stimme der Yoncheva mit ihrer blühenden Stimmfärbung und dem dramatischen Einschlag sehr gut. Diese dramatische Spannung hält sie konstant durch bis zum fatalen Ende, so dass der Zuhörer stets in ihrem Bann gefangen ist. Standing Ovations und tosender Applaus am Schluss gleich bei ihrem ersten Solo-Vorhang zeigen, dass sie das Publikum überzeugt hat.

Stefan Pop mimt und singt die Unbekümmertheit des Pinkerton nahezu perfekt. Sein Tenor verfügt für Puccini in der Mittellage über das nötige Metall. Dies geht ihm allerdings manchmal in den Höhen verloren und es fehlt ihm somit in einigen, allerdings wenigen, Momenten die nötige Durchschlagskraft, um sich gegen das auftrumpfende Orchester durchzusetzen. Dies hängt natürlich auch vom Dirigenten ab. Dazu später mehr.

Carles Pachon singt den Konsul Sharpless, in dieser Oper das schlechte Gewissen des amerikanischen Imperialismus. Szenisch gibt er einen relativ jungen, sehr sympathischen Konsul, zu dem sein frischer, unverbrauchter Bariton perfekt passt.

Einen ebenfalls grandiosen Eindruck hinterließ Natalia Skrycka auf mich, die mit rundem, vollem, klangschönen Mezzosopran die Rolle der Suzuki singt. Ihre Stimme mischt sich dabei in den Duetten perfekt mit derjenigen von Sonya Yoncheva.

Auch alle kleineren Rollen werden gut gesungen. Als kleine Anmerkung sei verwiesen auf einige Interpreten dieser Nebenrollen bei der Premiere im Jahre 1991: da wurde Sharpless gesungen von Siegfried Lorenz, der Bonzo von René Pape! Man wünscht den heutigen Interpreten dieselbe erfolgreiche Karriere.

Der Chor fügt sich nahtlos in das hohe Niveau dieses Abends ein.

Das Orchester unter der Leitung von Domingo Hindoyan verleiht diesem Puccini das nötige Herzblut. Mit großen schwelgerischen Bögen verpassen sie dem Zuhörer an diesem Abend öfters Gänsehaut-Feeling. Allerdings würde man sich vom Dirigenten, seines Zeichens Ehemann von Frau Yoncheva, wünschen, er würde dasselbe Gespür für die Stimme bei allen Interpreten des Abends gleich walten lassen. Spürt man vor allem in der Schlussszene und in den Arien der Butterfly eine perfekte musikalische Symbiose mit Sonya Yoncheva, so lässt er bei anderen Interpreten, in exponierten Passagen, die Zügel leider ein wenig lockerer, was die Klangbalance zu Ungunsten der Sänger verschiebt.

Großer, verdienter Schlussapplaus für alle Mitwirkendem, wobei Sonya Yoncheva natürlich die goldene Palme gebührt.

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