Giacomo Puccini, La Bohème, Saarländisches Staatstheater,
29. Oktober 2017
Musikalische Leitung, Nicholas Milton
Inszenierung, Tobias Heyder
Bühnenbild, Frank Philipp Schlössmann
Kostüme, Janine Werthmann
Rodolfo, Dichter, Angelos Samartzis
Alcindoro, ein Staatsherr, Stefan Röttig
Benoit, Hausherr Stefan Röttig
Colline, ein Philosoph, Hiroshi Matsui
Marcello, ein Maler, Julian Younjin Kim
Mimi, Elizabeth Wiles
Musetta, Herdís Anna Jónasdòttir
Rodolfo ein Poet, Angelos Samartzis
Schaunard, ein Musiker, Salomón Zulic del Canto
von Alina Fischer
Mit einer Mischung aus Tradition und Moderne erzählt Tobias Heyder in seiner Inszenierung von Giacomo Puccinis „La Bohème“ die Liebesgeschichte zweier Paare.
Was macht man, wenn die große Liebe plötzlich todkrank wird? Oder gerne mit anderen Männern kokettiert? Diesen Fragen ging Giacomo Puccini in seiner Oper „La Bohème“ nach. Auch wenn die Oper vor über 100 Jahren geschrieben wurde und im Jahre 1830 in Paris spielt, so haben die Themen bis heute keinesfalls an Aktualität verloren. Aus diesem Grund verfolgte die Inszenierung von Tobias Heyder auch ein bestimmtes Ziel: die Geschichte von den zwei Liebespaaren Rodolfo und Mimi und Marcello und Musetta auf moderne Weise zu erzählen, ohne jedoch dabei den Pariser Charme des 19. Jahrhunderts außer Acht zu lassen.
So taucht der Zuschauer gleich zu Beginn in zwei Welten ein: Eine Fangemeinde mit roten „Rodolfo“-Herzen und Luftballons belagert die Kammer des Künstlers und erinnert dabei eher an junge Fans einer Boy-Group als an Bürger des alten Paris. Aber das Bühnenbild verdeutlicht, dass man sich im 19. Jahrhundert befindet. Die Kammer von Rodolfo und Marcello ist ganz und gar nicht exzentrisch oder modern gestaltet, sie enthält das Nötigste und verleiht diesem Teil der ansonsten weitläufigen Bühne den Eindruck von Enge und Ärmlichkeit. In dieser ersten Szene wird erkennbar, was das gesamte Stück ausmacht: Tobias Heyder weiß, wieviel Modernität dieses Stück verkraftet.
So stellt der Regisseur das Kennenlernen von Rodolfo und Mimi sowie deren Trennung und Mimis Sterbeszene sehr klassisch dar. Den Massenszenen dagegen, in denen auch die Chöre auftreten, fügt er bunte, schrille Figuren hinzu. So gibt es einen Weihnachtsmann, der Geschenke verteilt, eine Blaskappelle und viele grelle Kostüme. Heyder hat das Stück hier „nicht als süßlich-romantische Schnulze angelegt, sondern als ein buntes, schrilles, teilweise kitschiges Zerrbild des reichhaltigen Pariser Lebens zum Ende des 19. Jahrhunderts.“ ( Saarbrücker Zeitung, 23.10.2017 )
Darüber, ob diese bunten, schrillen Bilder und Aktionen auf der Bühne eher vom eigentlichen Geschehen und der Geschichte ablenken, lässt sich trefflich streiten.
Aber die intimen und statischen Szenen zwischen Rodolfo und Mimi waren eindeutig die stärksten Momente der Oper – möglicherweise auch gerade im Kontrast zu den vorausgegangenen chaotischen, lauten Bildern.
Die Höhepunkte des Abends waren vor allem dem großartigen Auftreten der vier Hauptdarsteller zu verdanken. Nicht nur musikalisch konnten der großartige Tenor Angelos Samartzis als Rodolfo, Elizabeth Wili als Mimi, Herdís Anna Jónasdòttir als Musetta und Julian Younjin Kim als Marcello begeistern; auch ihre schauspielerische Leistung war hochkarätig. Überspitzte Gestik und Mimik erzeugten eine oft witzige, nie aber übertriebene oder alberne Wirkung.
Insgesamt eine Inszenierung, die thematisch alles auf den Punkt brachte, mit hochkarätigen Sängerinnen und Sängern besetzt war und szenisch sehr einfallsreich umgesetzt wurde.
Alina Fischer, 29. Oktober 2017,
für klassik-begeistert.de