Tosca 2017 © Arena di Verona
Sie ist einfach brilliant: Die Tosca der bulgarischen Sopranistin Sonya Yoncheva. Gemeinsam mit dem erstrangigen italienischen Tenor Vittorio Grigolo als berührender Mario Cavaradossi, dem russischen Bariton Roman Burdenko als überzeugender Polizeichef Scarpia und dem georgischen Bassisten Giorgi Manoshvili eine fantastische Besetzung in Puccinis Meisterwerk – rundum stimmige, auf Gags und Effekte verzichtende Regie, das gewaltige, suggestiv düstere Bühnenbild, Licht und prächtige Kostüme lagen sämtlich in den Händen eines einzigen Mannes, des universell talentierten Hugo De Ana.
Giacomo Puccini, Tosca
Arena di Verona, 5. August 2023
Dirigent: Francesco Ivan Ciampa
Regie/Kostüme/Bühne/Licht: Hugo De Ana
Floria Tosca: Sonya Yoncheva
Mario Cavaradossi: Vittorio Grigolo
Il Barone Scarpia: Roman Burdenko
Cesare Angelotti: Giorgi Manoshvili
Il Sagrestano: Gioulio Mastrototaro
Spoletta: Carlo Bosi
Orchester, Chor, Techniker der Fondazione Arena di Verona
In italienischer Sprache
von Dr. Charles E. Ritterband (Text und ausgewählte Fotos)
Eine Inszenierung genau so, wie man sie sich in den sommerlichen Arena-Festspielen von Verona wünscht: Stimmige, werkgetreue Regie, gewaltiges, raumfüllendes Bühnenbild, exzellente schauspielerische Leistungen und vor allem: durchwegs hervorragende Stimmen und exzellente Chöre (wie auch in den kürzlich rezensierten Opern „Aida“ und „Nabucco“), begleitet von einem Weltklasse-Orchester (Dirigent: Francesco Ivan Ciampa).
Das Multitalent Hugo De Ana platziert seine „Tosca“ vor einem düsteren Bühnenbild, dominiert von einem (in jedem der drei Akte präsenten), gigantischen Engelskopf und einer Rückwand, die aus Kammern besteht, welche sich im gewaltigen Finale des ersten Aktes gleichzeitig öffnen und den Blick auf prachtvoll-kostbar gewandete kirchliche Würdenträger freigeben – ähnlich wie 2008 in der „Tosca“-Inszenierung der Bregenzer Seebühne, welche ja dann bekanntlich auch als einer der Schauplätze des James-Bond-Thrillers „Quantum of Solace“ (Ein Quantum Trost) Verwendung fand. Der Engelskopf deutet ganz offensichtlich von Anfang an auf das Ende der Handlung hin – den Freitod der Tosca auf der Engelsburg.
Handwerklich gut inszeniert
Eine Besonderheit dieser Inszenierung ist, dass Tosca sich hier nicht, wie in fast allen anderen Inszenierungen, von der Festung herab in den Tod stürzt (und zu den bekannten Anekdoten – Trampolin statt Matratze als Rache der Bühnenarbeiter an einer arroganten Diva – mit entsprechendem Heiterkeitserfolg Anlass gibt), sondern im Gegenteil auf einem etwas mickrig wirkenden Gerüst aufsteigt, um alsbald in schwindliger Höhe, ein großes Kreuz in der Hand, ihrem pathetischen Gelübde Nachachtung verschafft, dass sie dem von ihr kurz zuvor ermordeten Bösewicht Scarpia im Himmel gegenüberstehen werde.
Äußerst erfreulich in dieser Endzeit des weltweit allgegenwärtigen Regietheaters mit teils grotesken, meist unverständlichen und oft ärgerlichen Selbstdarstellungen zahlloser Regisseure, war bei dieser Tosca, dass Regisseur Hugo De Ana auf diesen Firlefanz verzichtet und stattdessen eine saubere, für jeden Zuschauer verständliche Regiearbeit hinlegt. Er greift dabei zum altbewährten Mittel „freeze“: Während sich die Interaktion zwischen den Protagonisten abwickelt – dramatisch und intim – erstarren die Nebendarsteller und Statisten, statt wie in so manchen anderen Inszenierungen den Ablauf der Handlung zu stören und zu verwirren.
So geschehen ganz besonders in der ebenfalls in dieser 100. Jubiläumsspielzeit der Arena-Festspiele laufenden „Aida“-Neuinszenierung, in welcher der Zuschauer seine liebe Not hatte, in der Masse des Personals unzähliger Statisten und Choristen, die Solistinnen und Solisten auch nur zu finden, geschweige denn deren Interaktion einigermaßen zu folgen. Dasselbe Problem warf die (in jeder Beziehung merkwürdige) aktuelle „Carmen“-Inszenierung der Macerata-Festspiele mit herausragenden aber von dieser grotesken Inszenierung an den Rand gedrängten Sängerinnen und Sänger auf.
„E lucevan le stelle“ mit Zugabe
Dank dieser zwar konventionellen, aber durch und durch gelungenen Regiearbeit kamen die durchwegs exzellenten Sängerinnen und Sänger (im Gegensatz zur erwähnten Macerata-„Carmen“) gebührend zur Geltung. Ausgezeichnet der mit sonoren Tiefen auch schauspielerisch exzellente Roman Burdenko als Baron Scarpia, beeindruckend der vollendet geschmeidige Bass des Giorgi Manoshvili als Cesare Angelotti in seinem kurzen aber gesanglich perfekten Auftritt.
Überragend war das Liebespaar Cavaradossi-Tosca. Sonya Yoncheva erntete für ihre mit reinen, überaus klangvollen und die Arena akustisch mühelos beherrschenden Arie „Vissi d’arte“ im zweiten Akt frenetischen Beifall des vieltausendköpfigen Arena-Publikums und Vittorio Grigolo wurde im letzten Akt mit seinem vollendeten „E lucevan le stelle“ unter dem sommerlichen Veroneser Sternenhimmel zum Held des Abends: Das Publikum erzwang mit lauten „bis“ (da capo)-Rufen gnadenlos eine Zugabe dieser so berühmten Arie, dem Tenor und Dirigent in augenzwinkerndem Einverständnis – und ganz offensichtlich nicht ungern – nachgaben.
Dasselbe hatte sich erst kürzlich in der Arena beim legendären „Va’, pensiero“, dem beim italienischen Opernpublikum mit Abstand populärsten Musikstück – für viele die „geheime Nationalhymne Italiens“ – ereignet. Aber das war zu erwarten.
Dr. Charles E. Ritterband, 10. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giuseppe Verdi, Aida Arena di Verona Opera Festival, 2. August 2023
Macerata Opera Festival 2023, Georges Bizet, Carmen, Macerata Festival, 6. August 2023
Sehr geehrte Klassik-Experten und -Genießer,
ich stimme der TOSCA-Bewertung, mit allen Randbemerkungen, von Herrn Dr. Ritterband, sehr gerne zu und bedanke mich dafür. Ich habe die TOSCA am 10. August selbst genießen dürfen. – Nur ein kleiner Hinweis von mir: Am 10. August wurde die Zugabe zu „E lucevan le stelle“ tatsächlich begeistert gefordert, aber der Wunsch des Publikums wurde an diesem Abend nicht erfüllt. – Meine Erklärung dazu: Er hat wirklich seine 120% gegeben, was nicht alle Sänger/Sängerinnen immer tun, oder nicht können. Eine Zugabe hätte bedeuten können, unter diesem Wert bleiben zu müssen. – Ich war mit einmal 120% zufriedener, als mit 120% und danach 99%.
Liebe Grüße
Roland Mielke
Sehr geehrter Herr Mielke,
vielen Dank für Ihre Mail.
Es lag ein kleiner Irrtum vor: Herr Dr. Ritterband besuchte die Vorstellung am 5. August, nicht am 10. August.
Wir bitte Sie dieses höflich zu entschuldigen.
Herzlich
Andreas Schmidt M.A.
Journalist / Autor
Herausgeber
klassik-begeistert.de
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