Sondra Radvanovsky ist eine Diva der alten Schule – Tosca in der Deutschen Oper Berlin

Giacomo Puccini, Tosca, Deutsche Oper Berlin, 6. Dezember 2018

Foto: Sondra Radvanovsky als Tosca in der Metropolitan Opera
© Marty Sohl / Met Opera
Giacomo Puccini, ToscaDeutsche Oper Berlin, 6. Dezember 2018

Musikalische Leitung: Ivan Repusic
Inszenierung: Boleslaw Barlog
Bühne, Kostüme: Filippo Sanjust
Chöre: Thomas Richter
Kinderchor: Christian Lindhorst

Tosca: Sondra Radvanovsky
Mario Cavaradossi: Massimo Giordano
Scarpia: Ivan Inverardi
Angelotti: Samuel Dale Johnson
Der Mesner: Noel Bouley
Spoletta: Andrew Dickinson
Sciarrone: Paull-Anthony Keightley
Ein Schließer: Byung Gil Kim
Kinderchor der Deutschen Oper Berlin
Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester der Deutschen Oper Berlin

von Gabriel Pech

Floria Tosca ist die klassische Diva. Ihren Auftritt begleitet traditionell tosender Applaus. In der altehrwürdigen Inszenierung der Deutschen Oper, die mit ihrer Premiere 1969 fast schon als Antiquität anzusehen ist, darf sie das alles sein: Eine zur Marienfigur verklärte leidenschaftliche Schönheit, die gleichsam Ehrfurcht und Mitgefühl hervorruft.

Sondra Radvanovsky atmet diese Rolle mit ihrem ganzen Körper. Als eine der gefragtesten Verdi-Interpretinnen beheimaten sie die ganz großen Häuser dieser Welt. In dieser Saison verkörpert sie die Tosca parallel auch in der Metropolitan Opera, die seit den 90er Jahren ihr Zuhause darstellt. Man darf also ein kleines bischen »Met-Zauber« schnuppern in der Deutschen Oper Berlin.Ihr etwas dunkler Sopran verleiht der Rolle einen reifen Charakter. Damit unterstreicht sie den mütterlichen Aspekt der Geliebten. Ihr Charisma und schauspielerisches Einfühlungsvermögen berücken vor allem in der Folterszene, wenn sie den bösen Scarpia anfleht, ihren Geliebten Cavaradossi zu verschonen. Ihre Arie »Vissi d‘arte« durchdringt eine tiefe Verzweiflung, das Flehen nach einem Ausweg und die wehmütige Erinnerung an eine bewegte Karriere.

Tosca 2013 © Marcus Lieberenz

Für eine solche Darstellung kann ein Titan wie Radvanovsky bestimmt von dem eigenen Lebensweg als Sängerin zehren. Wir erleben eine reife Tosca, eine wahre Diva im klassischen Sinne. Eine Frau, zu der man gerne bewundernd aufschaut. Die Bewunderung des Publikums ist ihr zweifelsohne gewiss.

Ihren Geliebten, Mario Cavaradossi, singt an diesem Abend Massimo Giordano. Er besitzt einen charakterstarken Tenor, bei dem jede Phrase erneut spannend ist. Für eine facettenreiche Darstellung besitzt er ein breites Arsenal an stimmlichem Repertoire, um in die Höhe zu gelangen. Manch einem mag das zu heterogen klingen, doch es sorgt auf jeden Fall für eine interessante Stimme.

Seine Präsenz ist nicht von Anfang an voll entwickelt, erst im dritten Akt kann er das Publikum vollends für sich begeistern. Besonders seine perfekt integrierte Kopfstimme im Duett mit Tosca ist beeindruckend. Natürlich ist auch seine Arie »E lucevan le stelle«, ein absoluter Klassiker des Tenorrepertoires, sehr bewegend. An dieser Stelle wünscht man sich aber durchaus etwas mehr an Leidenschaft und Stimmkraft.

Ivan Inverardi gibt einen sehr subtilen Scarpia. Seine Darstellung bleibt etwas hinter dem Libretto zurück, die fundamentale Böshaftigkeit des Charakters schwelt eher im Hintergrund. Gerne wünscht man sich dort mehr niederschmetternde Autorität, mehr Gewalt. Häufig kam der Gedanke auf »Ach, so ein schlechter Typ ist dieser Scarpia ja eigentlich nicht…« und das ist zumindest unüblich, wenn nicht komplett verfehlt.

An Volumen fehlt es Inverardi eigentlich nicht, ab dem zweiten Akt gewinnt er stark an Präsenz. Seine Leistung steigert sich über den Verlauf des Abends stetig.

Das Orchester unter Ivan Repusic hat – man kann es nicht anders sagen – die Ehre, Giacomo Puccinis wundervolle Musik zum Leben zu erwecken. Diese Aufgabe meistern sie gekonnt, Repusic setzt jedes der ausdrucksstarken Motive mit dem standesgemäßen Pathos ab. Puccinis Musik wird dadurch herrlich durchscheinend. Häufig verdrängt die Klangstärke des Orchesters die Stimmen auf der Bühne, doch dieses Manko kann man getrost den Sängern zuschreiben. Denn ja: Das muss so laut.

Gabriel Pech, 8. Dezember 2018
für klassik-begeistert.de

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