Tosca Wiederaufnahme, Jonas Kaufmann, Bryn Terfel © Toni Suter
Jonas Kaufmann, Bryn Terfel und Sonya Yoncheva als dramatisch- tragisches Dreiergestirn.
Mit Spannung erwarten die Menschen den Auftritt von Jonas Kaufmann, der die Rolle des Cavaradossi singt. Ein leises Raunen geht durch den ausverkauften Saal, als er erscheint. Auch ich bin gespannt und drücke ihm und mir die Daumen, dass er keine Anlaufschwierigkeiten hat.
TOSCA
Musik von Giacomo Puccini
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
Musikalische Leitung : Leonardo Sini
Inszenierung: Robert Carsen
Ausstattung: Anthony Ward
Ausstattungsmitarbeit: Alexander Lowde
Lichtgestaltung: Davy Cunningham
Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger
Orchester und Chor der Oper Zürich
Kinderchor der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Opernhaus Zürich, 2.Oktober 2025
von Kathrin Beyer
Auf diesen Abend habe ich mich wirklich sehr gefreut, die Kombination aus Opernhaus Zürich, Tosca und dieser Besetzung ist ein Traum für mich. Und jetzt, während des Schreibens, bin ich fast ein bisschen traurig, dass es vorbei ist.
Kopf aus, Herz und Seele als (fast) Alleinherrscher an
Robert Carsens Inszenierung aus dem Jahr 2009 funktioniert noch immer, obwohl ich dieses „Theater im Theater“ zuweilen etwas anstrengend finde. Wirklichkeit und Wahrnehmung verwischen für das Publikum zunehmend. Möglicherweise gilt dies auch für Tosca, die ihr gesamtes Leben ganz Diva zelebriert und vollständig auf Außenwirkung ausrichtet. Irgendwann im Laufe des Abends habe ich es aufgegeben, herausfinden zu wollen, was nun Theateraufführung oder bittere Realität sein soll. Ist für das inhaltliche Verständnis auch gar nicht wichtig, da die Inszenierung sehr nah am Ursprungswerk bleibt. Für meinen Genuss war dies jedoch eine gute Entscheidung, denn nun kann ich dem Geschehen hingebungsvoll folgen. Kopf aus, Herz und Seele an…
Alle drei Räume, in denen sich die Handlung abspielt, sind zugleich auch immer Theaterbühne. Das Bühnenbild ist beeindruckend übersichtlich, dennoch nicht schlicht.
Die Kostüme sind modern. Tosca trägt zu jeder Tageszeit extravagante Roben in satten Farben, Scarpia erscheint uns äußerst elegant und Cavaradossi ist schlicht in Hose und Hemd gewandet.
Das Böse ist immer und überall
Mit Spannung erwarten die Zuschauer den Auftritt von Jonas Kaufmann, der die Rolle des Cavaradossi singt. Ein leises Raunen geht durch den ausverkauften Saal, als er erscheint. Auch ich bin gespannt und drücke ihm und mir die Daumen, dass er keine Anlaufschwierigkeiten hat. Hat er nicht! Es ist seine dunkle, warme, ausdrucksstarke Stimme, die mich beeindruckt, die eine Sanftheit zu transportieren vermag, die mich nachhaltig berührt.
Er ist nicht der Einzige, der die Menschen in seinen Bann schlägt.
Lassen Sie mich Ihnen von diesem außergewöhnlichen Opernabend erzählen.

Sonya Yoncheva als Tosca ist großartig. Ihren ersten Auftritt in der Kirche/im Theater gestaltet sie selbstbewusst und mit eifersüchtiger Wucht, ihre Stimme ist stark und klar, wunderschön und weithin vernehmbar. Im weiteren Verlauf des Abends hört man von ihr zunehmend zarte und auch leise Töne, weil Verzweiflung still daherkommt. Das sind für mich die großen Momente. Ihre Arie Vissi d’arte gelang grandios, ihre Haltung und ihr Gesang drücken tiefes Unglück, große Traurigkeit, Enttäuschung und natürlich Hass auf ihren Peiniger aus.
Zu Recht bekommt sie Zwischenapplaus und Brava Rufe.
Sonya Yoncheva zeigt sich nicht nur als eine großartige Sängerin, sondern auch als eine ebensolche Schauspielerin.
Jonas Kaufmann ist ein eindrucksvoller Cavaradossi. Beim Klang seiner Stimme denke ich an Bitterschokolade; dunkel und schmelzend. Es geht eine große Wärme von ihr aus. Auch sein schauspielerisches Talent ist beachtlich. Kurz vor seiner Erschießung singt Cavaradossi die Arie E lucevan le stelle.

Dies ist ein sehr ergreifender Moment, weil seine Stimme und seine Haltung eine stille und verzweifelte Traurigkeit ausdrücken. Keine großen Gesten, kein schmerzerfülltes Getue, nur ein sanfter, zarter Gesang über die Erinnerungen an seine Liebe, die nun, durch seinen Tod, verloren ist. Das geht mitten ins Herz, in die Seele und auf die Tränendrüsen.
Das Zusammenspiel der beiden ist sehr intensiv, sowohl die geräuschvollen als auch die leisen Szenen. Die oben schon erwähnte Eifersuchtsszene ist amüsant. Tosca rast und Cavaradossi beschwichtigt, allerdings nicht unterwürfig, sondern liebevoll genervt. JK vermag mit seinem Gesichtsausdruck und seiner Körpersprache diese liebevolle Genervtheit so zum Ausdruck zu bringen, dass es mir ein Lächeln abnötigt.
Zum Ende hin, als Tosca und Cavaradossi für einen Moment denken, dass er gerettet sei und sie sich ihre gemeinsame Zukunft vorstellen, bringen beide (gesanglich und mimisch) eine so kindliche, überschäumende Freude und Hoffnung zum Ausdruck, dass ich es kaum aushalte, da ich weiß, dass diese Hoffnung zerstört wird. Sogar im Tod gewinnt Scarpia, wie deprimierend. Das Böse ist immer und überall.

Gesanglich harmonieren beider Stimmen eindrucksvoll miteinander. Sie lassen dem jeweils Anderen Raum, so dass beide Stimmen wunderbar zur Geltung kommen.
Bryn Terfel als Scarpia ist schlicht spektakulär! Seine Stimme ist umwerfend, fast perfekt. Jeder Ton sitzt scheinbar mühelos. Sein Gesang erinnert nicht selten an zorniges Brodeln. Er ist für mich die Idealbesetzung des Scarpia. Seine diabolische Ausstrahlung, sein teuflisches Grinsen (Zähne fletschen wäre richtiger) und die offensichtliche Freude am Grausamsein, die er Scarpia einhaucht, lassen mich mehrfach an Jack Nicholson denken. Gibt es ein größeres Kompliment für jemanden, der einen Bösewicht (was für ein verniedlichendes Wort) darstellen muss?

Sein Zusammenspiel mit Sonya Yoncheva ist so grandios, dass ich wegschauen möchte, weil ich es kaum ertrage, zuzuschauen, mit welcher Nonchalance Scarpia Cavaradossi foltern lässt, um Tosca zum Verrat und zum Sex zu zwingen. Was Menschen sich gegenseitig antun… Auch Sonya Yoncheva ist in dieser Szene herausragend, ihre Stimme ist sehr wandlungsfähig. Hass und Angst müssen nicht schön klingen…
Brent Michael Smith singt den Angelotti mit einem satten, raumgreifenden Bass.
Valeriy Murga gibt einen traditionellen Mesner, mit einem kraftvollen, tiefen Bass.
Johan Krogius, Steffan Lloyd Owen und Evan Gray vervollkommnen das Ensemble.
Unbedingt erwähnen möchte ich den Chor und den Kinderchor der Oper Zürich.
Dank der großartigen Einstudierung, war das Te Deum am Ende des ersten Aktes ein klangewaltiger Hörgenuss!

Das Orchester der Oper Zürich unter der Leitung von Leonardo Sini hat seine Sache ausgezeichnet gemacht. Die dramatische Wirkung der Musik kam deutlich zum Tragen, ohne die Sänger/innen zu übertönen.
Das Klarinettensolo, kurz vor Cavaradossis Arie im letzten Akt, hat mich sehr berührt.
Eines muss man Tosca lassen, sie hat keine Längen. Stringent wird die Handlung vorangetrieben, selbst das Sterben geht schnell, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Opern.
Und so ist mein lang herbeigesehnter Abend auch schon vorbei; er hat meine Erwartungen übertroffen. Das liegt an keiner Einzelleistung, sondern an dem sehr erfreulichen Gesamtpaket.
Das Zürcher Publikum teilt meine Meinung und feiert diese Aufführung mit frenetischem Beifall und Bravo Rufen, kaum dass sich Tosca von der Engelsburg in den Tod gestürzt hat.
Die kurze Stille nach einem sehr emotional- tragischen Ende, um sich zu sammeln, gibt es scheinbar nicht mehr.
Ich komme mit dem neben mir sitzenden Rezensenten aus Genf ins Gespräch.
Wir sind uns einig, Jonas Kaufmann zeigt sich heute in Bestform. Seine Interpretation der Rolle und sein Gesang bringen Genuss.
Dennoch geht die Ehrung als Sänger des Abends an… Bryn Terfel… alias Jack Nicholson.
Kathrin Beyer, 3. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Gioachino Rossini, La scala di seta Opernhaus Zürich, 25. September 2025
Erich Wolfgang Korngold, Die tote Stadt Opernhaus Zürich, 29. Mai 2025