Tosca in Dresden: Oper kann doch so einfach sein!

Giacomo Puccini, Tosca  Semperoper Dresden, 18. April 2025

Maria Agresta © Elena Rinaldi

Die Semperoper Dresden spielt am Karfreitag “Tosca” von Giacomo Puccini in einer Inszenierung aus dem Jahre 2009 des inzwischen verstorbenen Regisseurs Johannes Schaaf. Ohne viel Inszenierungsfirlefanz, mit dem italienischen Spezialisten Marco Armiliato am Dirigentenpult und Maria Agresta, Joseph Calleja und Oleksandr Pushniak in den drei Hauptrollen erlebt das Publikum eine sowohl szenisch als auch musikalisch sehr gute Wiederaufnahme dieser dramatischen Oper.

Giacomo Puccini (1858-1924)
TOSCA
Oper in drei Akten (Libretto:  Giuseppe Giacosa und Luigi Illica)

Musikalische Leitung:  Marco Armiliato

Inszenierung:  Johannes Schaaf
Bühnenbild:  Christof Cremer
Kostüme:   Petra Reinhardt

Sächsische Staatskapelle Dresden

Semperoper Dresden, 18. April 2025

von Jean-Nico Schambourg

Kein Parsifal an Karfreitag, sondern Tosca, keine Erlösung, sondern Folter und Mord stehen an diesem Abend an der Semperoper auf dem Programm. Die 86. Aufführung der Inszenierung von Johannes Schaaf ist noch immer effektiv und pragmatisch.

Sie sieht von ausgefallenen Regiemätzchen ab. Dass Cavaradossi in den ersten Takten der Oper mit der Attavanti, der Schwester von Angelotti, dessen Flucht aus dem Gefängnis die tragische Geschichte ins Rollen bringt, spricht (oder kohlt er etwa doch?), wo er doch in der Oper versichert, er habe die Frau ohne ihr Wissen gezeichnet, ist schon die einzige Abweichung von der Normalität. Ansonsten sieht man eine Produktion, die ohne Weiteres erlaubt, stets neue Besetzungen vorzustellen.

Sehr effektvoll ist die Schlussszene gestaltet, wo Tosca sich von der Engelsburg stürzt: Ein riesiges weißes Tuch stürzt von oben nach unten und vermittelt so den Todessprung der Tosca, eher ein heller Scheinwerfer das Publikum während den letzten aufpeitschenden Musiktakten verblendet.

Auch Bühnenbild (Christof Cremer) und Kostüme (Petra Reinhardt) passen sich diesem Stil an. Links eine schräg zum Orchestergraben stehende Wand ist die Konstante in dem Bühnenbild während den drei Akten: Zuerst Wand für das riesige Gemälde von Cavaradossi, dann Absperrung zur Folterkammer und im letzten Akt Todesmauer, an der Cavaradossi hingerichtet wird.

Archivfoto © Semperoper Dresden/Klaus Gigga

Es steht und fällt diese Puccini-Oper mit den Sängern der drei Hauptrollen. Da hat die Semperoper an diesem Abend ein sehr gutes Trio zusammengestellt.

Maria Agresta singt die Floria Tosca mit lyrischem Sopran. Deren große Arie “Vissi d’arte” singt sie eher zurückhaltend wie ein stilles Gebet und nicht wie der Hilfeschrei einer verzweifelten Frau an Gott. Sie führt ihre Stimme stets sehr kontrolliert durch die dramatischen Momente der Oper. Schön, wie sie nach der Ermordung Scarpias Toscas Worte natürlich und ohne aufgesetztes Pathos rüberbringt.

Die Liebesduette mit Cavaradossi scheinen ihr mehr zu liegen. Im ersten Akt umschmeichelt sie den Maler mit sanften Tönen, lässt kurz Eifersucht aufblitzen, um dann zum Ende des Duetts wieder verführerische Klänge mit einem Schuss Koketterie hören zu lassen. Im Liebesduett vor der Hinrichtung von Cavaradossi lässt sie die Stimme voller Freude aufblühen und es erklingt dem Zuhörer der Glaube Toscas an bessere Zeiten.

Ich habe Joseph Calleja schon längere Zeit nicht mehr gehört. Im Gegensatz zu früher hat die Stimme den gaumigen Klang gottseidank verloren. Sein Cavaradossi überzeugt mich an diesem Abend vor allem durch seine differenzierte musikalische Gestaltung. Calleja zeigt nicht so sehr den draufgängerischen Revolutionär, sondern mehr den gefühlvollen Liebhaber und Künstler, der sich dem brutalen Schicksal seiner Stadt Rom nicht entziehen kann. In den Duetten mit Tosca oder beim Gedenken an diese fügt er immer wieder sehr schöne piano Phrasen ein.

Der Tenor scheint mir allerdings an diesem Abend ein wenig indisponiert zu sein, auch wenn er nicht als solches angesagt ist. Während des Singens legt er öfters die Hände an seine Ohren, um seine Stimme zu kontrollieren. Seine Ausbrüche “La vita mi costasse” im ersten Akt sowie “Vittoria, vittoria!” im zweiten Akt erklingen auch nicht ganz frei, doch die Erfahrung des Sängers hilft ihm, diese Passagen trotzdem unfallfrei zu bewältigen.

Oleksandr Pushniak ist ein körperlich imposanter Scarpia, der die Tosca vom Maria Agresta um einen Kopf überragt. Mit seiner großen Statur und seinen plumpen Bewegungen erscheint er öfters wie ein brutales Tier, das sich jeden Moment auf sein Opfer stürzen wird, um seine sexuellen Begierden zu befriedigen. Auch stimmlich gibt er mit großem dunklen Bariton die Gewalttätigkeit von Scarpia gut wieder. Allerdings fehlt seiner Stimme ein Schuss Zynismus, um die ganze Perversität des Triebtäters Scarpia noch besser zu verdeutlichen.

Vladyslav Buialskyi gibt mit guter Bassstimme den verfolgten Cesare Angelotti, Magnus Piontek einen burlesken, aber nicht zu übertrieben komischen Mesner. Aaron Pegram als Spoletta und Liam James Karai als Sciarrone singen mit guten Tenor- beziehungsweise Bassstimmen die Gehilfen Scarpias. Mateusz Hoedt als Schließer und Anton Wagner, Mitglied des Dresdner Kreuzchor, als Hirt vervollständigen die Besetzung kompetent.

Vlnr.: Calleja, Armiliato, Agresta, Pegram, Pushniak – Foto Jean-Nico Schambourg

In der Schlussszene des ersten Aktes zeigen Chor und Kinderchor der chsischen Staatsoper Dresden (Leitung: Jonathan Becker und Claudia Sebastian-Bertsch) ihr hohes Niveau.

Schon bei den ersten Takten ist mir klar: Der heutige Abend wird emotional. Dies hört man gleich an den brutalen, aufpeitschenden Akkorden, zu denen der Dirigent Marco Armiliato das Orchester anspornt. Armiliato zeigt an diesem Abend wieder einmal, dass er ein Spezialist der italienischen Oper ist. Seine Interpretation von Puccinis Partitur ist effektiv und effektvoll: Er lässt die Sächsische Staatskapelle Dresden Puccinis Klangwogen ausspielen, weiß sie auch zu großen Effekten anzuregen, ohne aber jemals plakativ zu wirken. Auch die lyrischen Momente werden voll ausgelebt und genossen.

Wenn man unbedingt eine Kritik anbringen will, dann diejenige, dass manchmal in den dramatischen Momenten sein italienisches Temperament mit ihm durchzugehen scheint und die Gesangstimmen im Eifer des Gefechts vom Orchester ein wenig überdeckt werden. Aber große Emotionalität gehört doch irgendwie zu einer guten Aufführung einer Puccini-Oper.

Und eine solche bejubelt das Publikum mit Recht am Ende dieses vor-österlichen Opernabends.

Jean-Nico Schambourg, 19. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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