Foto: © SF/Marco Borrelli
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus,
2. August 2019 (geänderte Besetzung)
Gil Shaham, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Yannick Nézet-Séguin, Dirigent
Jean Sibelius:
Symphonie Nr. e-Moll op. 39
Sergei Prokofjew:
Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll op.63
Richard Strauss:
Suite aus der Oper Der Rosenkavalier op. 59
von Lukas Sehr
Das Orchester des Bayerischen Rundfunks gehört zu den wichtigsten Klangkörpern der Welt und musizierte bestens aufgelegt unter der engagierten Leitung durch Yannick Nézet-Séguin. Krankheitsbedingt ausgefallen sind Mariss Jansons und die Geigerin Lisa Batiashvili.
Jean Sibelius hatte eine schwierige Zeit hinter sich, als er seine 1. Symphonie schrieb. Allein im Jahr 1897 starben sein Schwiegervater und seine Mutter. Eine Bewerbung als Professor der Musikuniversität von Helsinki blieb wegen des Komplotts eines Mitbewerbers erfolglos. Sibelius war bisher vor allem als Komponist finnischer Nationalwerke bekannt geworden und suchte nun nach einer eigenständigen Tonsprache in einer Sypmhonie, die ihn auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen würde.
Das einleitende Klarinettensolo über einem bedrohlichen Pauken-Orgelpunkt wurde von Solo-Klarinettist Stefan Schilling sehr spannungsvoll dargeboten. Auch bei zupackenden, rhythmischen Momenten überzeugt das Orchester des BR. Zu einer wirklich mitreißenden Aufführung fehlte aber oft der Mut zu differenzierten leisen Passagen, beispielsweise erklang der erste Einsatz der Harfe nicht (wie in der Partitur gefordert) piano, sondern leider forte. Insgesamt ist der Sound des Orchesters zu „gesund“, es fehlt ein fahler Glanz für eine vom Komponisten selbst als „hart“ beschriebene Musik.
Sergei Prokofjew lebte nach der Oktoberrevolution 1918 zunächst in den USA und schließlich in Frankreich. Die Sehnsucht in seine Heimat zurückzukehren blieb aber immer bestehen. 1935 wurden die Pläne schließlich konkreter und nur ein Jahr später ging Prokofjew zurück in die Sowjetunion. Zur selben Zeit entstand sein 2. Violinkonzert auf Wunsch eines Fanclubs des französischen Geigenvirtuosen Robert Soëtans. Paris, Woronesch, Baku, Madrid heißen die Entstehungsorte – ein westliches Werk des Kosmopoliten Prokofjew? Oder unterwirft sich der Komponist bereits dem ästhetischen Diktat der „neuen Einfachheit“ des sozialistischen Realismus?
Gil Shaham ist der charismatische Solist und bringt seine Stradivari aus dem Jahr 1699 elegant zum klingen. Zuweilen wendet er sich den ersten Geigen im Orchester zu und gemeinsam musizieren sie im direkten Kontakt umso beherzter. Erneut werden die rhythmischen Qualitäten des Orchesters deutlich, eine erfrischende Eigenschaft im Vergleich zu anderen süddeutschen oder österreichischen Ensembles.
Der zweite Satz Andante Assai erklingt zart und gefühlvoll mit perfekt gewähltem, flüssigem Tempo durch den kanadischen Dirigenten. Die Stimmung auf der Bühne ist im ganzen Konzert sehr gut, was sich auch aufs Publikum übertragt. Es macht Freude, die Musiker lächeln oder miteinander schmunzeln zu sehen. Dass der bissige Sarkasmus, der die Musik Prokofjews in den 30er und 40er Jahren charakterisiert, sich nicht vermittelt, kann man da verschmerzen.
Zur Zugabe bittet Shaham Konzertmeister Radoslaw Szulc an ein gemeinsames Pult, um den zweiten Satz aus Prokofjews Sonate für zwei Violinen darzubieten. Zwei so begnadete Geiger beim Duospielen erleben zu dürfen, ist eine wahre Freude.
Richard Strauss‘ Oper Der Rosenkavalier dauert gerne mal über 4 Stunden lang. Zum Glück gibt es die Suite mit den beliebtesten Momenten daraus, bei der man sich gar nicht so sicher ist, wer sie eigentlich zusammengestellt hat. War es der Komponist selbst? Oder der damalige Musikdirektor der New York Philharmonics Artur Rodzínski? Oder sein junger Assistent Leonard Bernstein?
Das Symphonieorchester des BR ist bei diesem Stück voll in seinem Element. Klang, Phrasierung und Tempi passen perfekt, die Musik scheint den Musikern wie auf den Leib geschneidert. (Oder die Musiker der Musik?) Heimlicher Star dieser Darbietung ist Trompeter Hannes Läubin, der seine kurzen Solo-Stellen im dreifachen pianissimo so frei und charmant spielt wie ich es noch nie erlebt habe. Eine Aufführung, die durchweg glücklich macht und zum hervorragenden Salzburger Wetter passt.
Lukas Sehr, 8. August 2019, für
klassik-begeistert.de
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