Kassenschlager und halbperfektes Makkaroni-Gericht: "Il barbiere di Siviglia" im Staatstheater Stuttgart

Gioachino Rossini, Il barbiere di Siviglia,  Staatstheater Stuttgart

Foto: © A.T. Schaefer
Staatstheater Stuttgart
, 4. Oktober 2018
Gioachino Rossini, Il barbiere di Siviglia

von Maria Steinhilber

Wagner sah in ihm den „Metternich der Musik“, Berlioz warf ihm „melodischen Zynismus“ vor – und was hielt Rossini selbst von seiner Musik? Als ihm ein Impresario das Libretto für einen Opernauftrag mit den Worten aushändigte, es tauge wenig, gab er zur Antwort: Macht nichts, ich werde eine Musik schreiben, die noch weniger als das Libretto taugt.“

Eine Musik wie ein Makkaroni-Gericht, unverzüglich vereinnahmend ohne darüber nachdenken zu müssen: Diesen Anspruch hat man an Rossinis Barbiere di Siviglia. Genie, Witz und funkelnder Esprit, federleichte Koloraturen, wilde Frische und porentiefe Reinheit: Jeder weiß, wie man sich nach gelungenem Barbiere-Abend zu fühlen hat. Was macht das Stuttgarter Haus daraus?

Füße zappeln, Köpfe hängen über den Balkonen, Kinder (U10) rutschen auf ihren Kindersitzen hin und her, Kenner dirigieren heimlich mit: Die Ouvertüre lässt Glücksgefühle keimen. Historischer Spritz und dramatische Jugendlichkeit präsentiert das Staatsorchester Stuttgart und erntet reichlich Applaus. Musikalisch angeleitet wird es von Antonio Fogliani, Belcanto Experte, der nicht nur das Orchester im Griff hat, sondern auch den Sängern liebevolle Zeichen zuwirft.

Avanti, avanti: Bei solch gelungener Ouvertürenmusik steht die Messlatte hoch. Doch gespannte Erwartung wird selten befriedigt, so schon Goethe. Warum?

Graf Alma Almaviva, verkörpert von Petr Nekoranec, bestückt mit einem schönen Stimmchen, weich, durchaus mit Star-Potenzial, leider aber viel zu schwach. Er gibt nur 60 Prozent seines Tenorvolumens an das Publikum weiter. Als Figaro ihn mit sanften Gitarrenklängen begleitet, um vor Rosinas Haus sein wunderschön melodisches Ständchen singen zu können, weint der ein oder andere sicherlich Juan Diego Flórez nach.

Die fehlenden 40 Prozent sind zu entschuldigen, denn Intendant Viktor Schoner kommt nach der Pause zu Wort. Petr Nekoranec leide an einer allergischen Reaktion, sänge demnach krankheitsbedingt weiter. Dann hoffentlich „flórezscher Charme“ beim nächsten Mal.

Vielversprechend und herrlich wohltuend ist Jarrett Ott als Figaro. Er nimmt sich die Bühne und macht sie zu seinem Spielplatz. Das passt wie Pasta und Parmesan. Sein Bariton: al dente: bissfest und kräftig, macht Lust auf mehr. Sein Charme: Parmesan. Legt sich ummantelnd um seine Stimme. Das Publikum und die U10-Kinder lieben ihn.

Adam Palka als Basilio ist auch eine Überraschung. Seine Tiefen sind so abgrundtief, man fällt und fällt, landet aber doch weich wie auf Schaumstoff. Höhere Phrasen meistert er aber auch hervorragend: Softer Schaum auf dunklem, kräftigem und tiefem Bierkrug.

Und wie steht es um die weibliche Hauptrolle? Rosina singt die schwedische Mezzosopranistin Ida Ränzlöv und gibt ihr Rollendebüt. Rosina steht ihr gut. Sie interpretiert sie farbenfroh und facettenreich – passend zur Bühnenausstattung. Präzise Koloraturen, scharfe Intonation, sehr schöne Aussprache. Ihre Spitzentöne allerdings, eine Spur zu kantig und hart. Sie ersingt sich – manchmal zu statisch – dennoch den verdienten Applaus.

Die Sopranistin Catriona Smith verkörpert Berta. Das Publikum dankt ihr mit Bravo-Rufen. Auch wenn sie nur eine Arie zu singen hat, meistert sie diese mit Bravour. Während der Ensemble-Stellen sticht ihre kräftige Stimme heraus, nicht schrill sondern stark. Dies klingt nach alter Schule! Bravo!

Rossinis Kassenschlager füllt auch die Stuttgarter Reihen. Ein perfektes Makkaroni-Gericht ist es aber noch nicht. Etwas Pfeffer fehlt der Inszenierung, würziger und verschmelzender Käse den Koloraturen. Rossinis Leichtigkeit und Humor, welche immer wieder beflügeln („Man gebe mir ein Wäscheverzeichnis und ich werde es vertonen.“) lässt sich noch leichter, grotesker, weicher und bissfester musikalisieren; bis es dann ein sättigendes und beflügelndes Makkaroni-Gericht ist, welches keine Wünsche offen lässt.

Maria Steinhilber, 5. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de

Musikalische Leitung     Antonino Fogliani, Thomas Guggeis
Regie Beat Fäh
Bühne und Kostüme        Volker Pfüller
Dramaturgie         Peter Ross
Chor  Manuel Pujol
Der Graf Almaviva         Petr Nekoranec
Bartolo         Matthew Anchel
Rosina           Ida Ränzlöv
Figaro                       Jarrett Ott
Basilio           Adam Palka
Fiorello         Jasper Leever
Berta Catriona Smith
Offizier         Henrik Czerny
Staatsopernchor Stuttgart, Staatsorchester Stuttgart

 

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