Foto: La gazza ladra, © Monika Rittershaus
Gioachino Rossini: La gazza ladra (Die diebische Elster)
OPERA SEMISERIA IN ZWEI AKTEN
Libretto von Giovanni Gherardini
Mit: Fabio Capitanucci, Marina de Liso, Maxim Mironov, Nino Machaidze, Paolo Bordogna u.a.
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schoenberg Chor
Dirigent: Antonino Fogliani
Regie: Tobias Kratzer
Museumsquartier Halle E
(MusikTHEATER AN DER WIEN), 25. November 2022
von Herbert Hiess
Gags haben es so an sich, dass sie sozusagen verpuffen, wenn deren Hintergründe nicht verstanden werden. Es ist mittlerweile doch fast zwanzig Jahre her, dass im Wiener Kunsthistorischen Museum Benvenuto Cellinis berühmtes Salzfass „Saliera“ gestohlen wurde. Glücklicherweise steht das Kunstwerk auch unversehrt wieder auf seinem ursprünglichen Platz.
Regisseur Tobias Kratzer benutzte eben dieses Kunstwerk als letztes Bild seiner finalen Videosequenz, um die diebesmäßige Tendenz der von Ninetta freigelassenen Elster darzustellen. Da sich sicher nicht so viele Zuseher an diesen Diebstahl erinnern werden, ist es auch fraglich, ob Kratzer die Wirkung erreicht hat, die er beabsichtigte.
Insgesamt war diese Regie einfach nur großartig; der Regisseur machte aus der Wiederentdeckung der allzu selten gespielten Oper einen hochexplosiven Krimi. Wenn man die Handlung nicht kannte, war man von Anfang an bis zum Schluss einfach nur gefesselt und gespannt. Bis zum Schluss hoffte man auf ein „Happy End“, das Gottseidank auch eintrat. Nur dass Ninetta sozusagen in eine Art Wahnsinn verfällt, war vielleicht doch etwas übertrieben.
Aber andererseits bewies der Regisseur, dass politische Verbrechen und Diktaturen keine Jahreszahl kennen und sich problemlos in jede Epoche transferieren lassen. So auch Rossinis mehr als beeindruckendes Werk, das im sogenannten „Risorgimento“ spielt und damit die grausigen Kriegswirren in der Lombardei darstellt. Mit dem Staatsbeamten Gottardo Podestà (großartig gespielt und gesungen von Nahuel Di Pierro) konnte man eine machtgeile und brutale Person kennenlernen, die mit ihren Intrigen beinahe die liebevolle Ninetta hinrichten ließ.
Und Kratzer stellte mit einer exzellenten Personenführung auch die übliche und üble Bevölkerung ohne Zivilcourage dar, die immer brav und subaltern Befehle befolgt. Auch die derzeitigen Kriege zeigen, dass sich die Menschen kaum ändern und dies wohl noch lange ein Problem sein wird.
Musikalisch war diese Aufführung ereignishaft. Dirigent Antonino Fogliani machte aus dem zeitweise sogar Bellini-nahen Werk eine Sternstunde; das ORF-Orchester hörte man hier mit einer seltenen Spielfreude. Eigentlich schade, dass man bis jetzt nur die Ouvertüre kannte. Das Werk ist absolut sehens- und hörenswert. Die drei Stunden und 45 Minuten vergingen hier wie im Fluge.
Nicht zuletzt das formidable Sängerensemble (ereignishaft Nino Machaidze und Paolo Bordogna) zauberte einen Abend voller „Italianità“, den man im Haus am Ring immer häufiger vermisst.
Und letztlich entsteht immer mehr der Eindruck und man stellt sich immer öfter die Frage, ob Opern nicht im Museumsquartier besser aufgehoben sind. Die Akustik ist sängerfreundlich, transparent – als ob die Spielstätte schon immer als Opernhaus fungiert hätte. Vielleicht überlegt man sich noch, hier regelmäßig Aufführungen – auch nach der Fertigstellung der Renovierung des Theaters an der Wien – abzuhalten?
Herbert Hiess, 26. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Leoš Janáček, Das schlaue Füchslein Museumsquartier Halle E, 20. Oktober 2022
Iannis Xenaxis: Kraanerg Ballett-Performance Museumsquartier Halle G, 7. Juni 2022