Vor etwa 100 Jahren hat der legendäre Startenor Enrico Caruso behauptet, Verdis „Il Trovatore“ sei sehr einfach zu besetzen ...

Giuseppe Verdi, Il Trovatore (Der Troubadour) Deutsche Oper Berlin, 12. Mai 2018

Foto: DER TROUBADOUR von Giuseppe Verdi, Deutsche Oper Berlin, Wiederaufnahme 28. Mai 2016, copyright: Bettina Stöß

Giuseppe Verdi, Il Trovatore (Der Troubadour)
Deutsche Oper Berlin, 
12. Mai 2018

Giacomo Sagripanti, 
Musikalische Leitung
Hans Neuenfels, 
Inszenierung
Reinhard von der Thannen, Ausstattung
Angela Meade, Leonora
Murat Karahan, Manrico
Simone Piazzola, Graf Luna
Anita Rachvelishvili, Azucena

von Yehya Alazem

Vor etwa 100 Jahren hat der legendäre Startenor Enrico Caruso behauptet, Verdis „Il Trovatore“ sei sehr einfach zu besetzen – „Man nehme die vier besten Sänger der Welt“. Diese Oper ist trotz der sehr komplizierten und sogar verrückten Handlung sehr beliebt und zählt zu Verdis meist gespielten Opern, da sie voller musikalischer Perlen ist – aber nur, wenn man die richtigen Sänger hat. An der Deutschen Oper Berlin hat man die Schwierigkeiten der Oper unterschätzt …

Nur zwei Wochen vor der Aufführung kam die Mitteilung, dass Angela Meade die Rolle der Leonora anstelle von Maria Agresta übernehmen würde. Meade hat die Rolle in dieser Inszenierung schon 2016 gesungen. Sie hat eine schöne, mitteldunkle Stimme, die man für diese „Spinto Soprano“-Rolle braucht. Feine Technik und sehr schöne pianissimi besitzt sie auch, aber ihr Vibrato ist einfach zu überdosiert. In den schnellen Passagen leidet der Zuhörer nicht so viel an diesem Problem, aber wenn sie die schönen langen Linien und sie sensiblen Kantilenen singt, klingt es fast unerträglich.

In den Rollen der Rivalen Graf Luna und Manrico hat man leider keine gelungenen Besetzungen gefunden. Als Graf Luna hat Simone Piazzola eine zu kleine Stimme für einen großen Saal. Durch die große Kraftanstrengung klingt die Stimme immer wieder zu forciert und unkontrolliert. Diese Rolle ist leider zu groß für ihn. Als Manrico hat Murat Karahan auch keine Überzeugungskraft. Sein Tenor hat zwar dieses dunkle Spinto-Timbre des Manrico und auch genügend Kraft, aber sein Vortrag ist ohne große Musikalität. Aus künstlerischer Sicht ist diese Leistung sehr dürftig.

Die Besetzung der übrigen Rollen ist aber geglückt: Anita Rachvelishvili ist in der Rolle der Azucena eine Traumbesetzung. Sie ist einfach phantastisch! Azucena ist die einzige mütterliche Figur in den Verdi-Opern und ein sehr komplexer Charakter. Rachvelishvilis tiefer, dunkler Mezzo hat eine unerschöpfliche expansive Kraft und dazu eine hervorragende Innigkeit, die für diese Rolle perfekt ist. Allein die dramatischen Ausbrüche „Il figlio mio“ im Zweiten Akt sind den Besuch wert. Was für ein Gänsehautmoment!

Das Orchester der Deutschen Oper unter Giacomo Sagripanti zeigt Spielfreude und guten Zusammenhalt, aber leider mangelt es an Dramatik. Man könnte etwas mehr aus dieser faszinierenden Partitur hervorbringen. Die Kommunikation mit den Sängern ist jedoch ausgezeichnet.

Dies war die letzte Aufführung der Inszenierung von Hans Neuenfels. Eine nichtssagende, provokative und gegen den Text und die Partitur respektlose Inszenierung, die auf keinen Fall ernst genommen werden kann. Hoffentlich kann man in der Zukunft diese wunderbare Verdi-Oper in einer besseren Inszenierung erleben. Aber schlimmer kann es nicht werden!

Yehya Alazem, 16. Mai 2018
für klassik-begeistert.de

 

 

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