Nationaltheater, Bayerische Staatsoper, München, 18. Juli 2022
Giuseppe Verdi, Macbeth
von Jean-Nico Schambourg
Seit der Ankündigung der Oper „Macbeth“ im Spielplan 2021/2022 sind alle Hauptrollen umbesetzt worden:
Zuerst kündigte die Bayerische Staatsoper in Folge des Ukraine-Krieges das Engagement der Anna Netrebko als Lady Macbeth. Sie wurde ersetzt durch Ekaterina Semenchuk.
Vor einigen Tagen dann die Umbesetzung der Rollen von Macbeth und Banco: George Petean übernahm die Titelrolle und Christian Van Horn die seines Weggefährten und Rivalen.
Am Vorstellungsabend wurde dann auch die Rolle des Macduff krankheitshalber umbesetzt: es übernahm kurzfristig Giovanni Sala.
Um es gleich vorwegzunehmen: Der Abend blieb gesanglich auf sehr hohem Niveau. Ekaterina Semenchuk gestaltete ihre Rolle auch mit vielen leisen Zwischentönen. Wurden die Stimme in der Cavatina und der folgenden Cabaletta im ersten Akt noch ein wenig steif geführt und die hohen Töne mit Wucht herausgestossen, so gab ihre Arie „La luce langue“ im zweiten Akt doch Einsicht in den hinterhältigen Charakter der Lady Macbeth.
Einfach wunderbar, wie sie die ersten Phrasen der Arie im piano vortrug und dadurch die Gefährlichkeit der Lady ausdrückte. Auch in der Schlafwandelszene im letzten Akt liess sie durch stimmliche Gestaltung den Wahn erkennen, an dem Lady Macbeth schlussendlich stirbt. Da sieht man auch gerne über den fast verrutschten des-Schlusston hinweg. Vom Kostümenbildner wurde die Lady Macbeth mit einer orangefarbenen Perücke sowie einem hässlichen orange-braunem Gewand nicht verwöhnt.
Dass die Oper “Macbeth” und nicht “Lady Macbeth” heißt, wurde an diesem Abend sehr verdeutlicht durch George Petean mit seinem wunderbaren Verdi-Bariton. Konnte auch bei dem Rumänen der Funke im ersten Teil des Abends noch nicht total überspringen, so zeigte er gleich nach der Pause sein ganzes Können in seiner Szene mit den Hexen und Erscheinungsbildern der zukünftigen Könige. Wunderbar präzise und ausdrucksstark seine Deklamation, seine Freude bei der Verkündung seiner falschverstandenen Unbezwingbarkeit, aber auch seine Verzweiflung beim Auftritt der zukünftigen Könige. Absoluter Höhepunkt des Abends war dann die Arie “Pietà, rispetto, amore”, in der Petean seine Stimme strömen liess, perfekt gestützt, mit wunderbarem Legato, den Schlusston ab- und anschwellend. Er zeigte an diesem Abend, dass er momentan einer der führenden Baritone im italienischen Fach und speziell bei Verdi ist.
Christian Van Horn, früher Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper, sang einen sehr soliden Banco. Seine manchmal etwas knorrige Stimme hob sich gut von dem Bariton Peteans ab. Giovanni Sala als Macduff gab auch ein gutes Debüt in München. Besonders seine Arie “Ah, la paterna mano” zeigte die schöne Stimme des jungen Tenors, der jedoch noch “stimmliche Muskeln” aufbauen muss, um auch in den Ensemblestücken besser über das Orchester zu kommen.
Antonino Fogliani dirigierte das Bayerische Staatsorchester kompetent. Dabei hielt er das Orchester auch an, mit gefühlvollem Musizieren den Sängern den nötigen Klangteppich bei ihren Arien zu geben. Aber ebenso trieb er das Orchester in den Ensembleszenen zur gewünschten Dramatik an. Leider gab es aber öfters Wackler zwischen Orchestergraben und Chor. Dieses wird zum Teil auch darauf zurückzuführen sein, dass der Staatsopernchor oft von der Regie von der Bühne verbannt wurde und aus dem Off singen musste.
A propos Regie: die Produktion stammt aus dem Jahre 2008 von Martin Kušej, der später Intendant des Münchner Staatsschauspiels (Residenztheater) wurde. Kinderhexen, die Shakespeares Hexen ersetzen, und andere Bilder zeigen, dass die Macbeths daran zu Grunde gehen, keine eigenen Nachfolger erzeugen zu können. Leider wird die Produktion mit den Jahren nicht besser. Die wenigen gelungenen Szenen der Original-Inszenierung – etwa Lady Macbeth auf dem riesigen Leuchter schwingend, die Schlafwandelszene über die Schädel hinweg – sind in der Zwischenzeit entschwunden oder verwässert. Einige Szenen belustigen das Publikum, wenn zum Beispiel Macbeth mit einer Plastiktüte mit dem Kopf von Banco durch das Fest schreitet mit einem “Niemand-sieht-mich-Blick” oder wenn im nächsten Akt derselbe Kopf vom Himmel segelt und von einem Hund von der Bühne geschleppt wird. Nur ekelhaft und nichtssagend dagegen die Pinkelszene im ersten Akt. Und von Personenregie ist nach all den Jahren auch nicht mehr viel zu sehen, so dass die Sänger zum großen Teil mit stereotypen Gebärden über die Bühne stampfen.
Aber Gott-sei-Dank tun sie das mit gutem Gesang, und am Ende klingt es im Ensemble „Vittoria, vittoria!“
Jean-Nico Schambourg, 19. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
klassik-begeistert.de-Autor Jean-Nico Schambourg lebt in Luxemburg.
Er besitzt 25.000 Schallplatten mit klassischer Musik.
Musikalische Leitung: Antonino Fogliani
Regie: Martin Kušej
Bühne: Martin Zehetgruber
Kostüme: Werner Fritz
Licht: Reinhard Traub
Chor: Stellario Fagone
Dramaturgie: Sebastian Huber, Olaf A. Schmitt
Abendspielleitung: Matthias Endlicher
Macbeth George Petean
Banco: Christian Van Horn
Lady Macbeth: Ekaterina Semenchuk
Dama di Lady Macbeth: Mirjam Mesak
Macduff: Giovanni Sala
Malcolm: Armando Elizondo
Arzt: Martin Snell
Diener / Mörder: Christian Rieger
Erste Erscheinung: Andrew Hamilton
Zweite Erscheinung: Jasmin Delfs
Dritte Erscheinung: Solist des Tölzer Knabenchors
Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor
Statisterie und Kinderstatisterie der Bayerischen Staatsoper