Foto © Landesjugendorchester Bremen
Verdi-Requiem
Giuseppe Verdi: Messa da Requiem
Stefan Geiger Dirigent
Catherina Witting Sopran
Anna-Maria Torkel Mezzosopran
Seungwoo Simon Yang Tenor
Norman Garrett Bass
Landesjugendorchester Bremen
Projektchor: Chor der Friedenskirche, Elysion Paul-Gerhardt-Kirche und Kantorei Rissen
Bremer Konzerthaus Die Glocke, 13. April 2025
von Dr. Gerd Klingeberg
Wenngleich das Landesjugendorchester Bremen in der Vergangenheit wiederholt mit beachtlichen Aufführungen punkten konnte, schien Verdis großes „Requiem“ doch ein reichlich ambitioniertes Vorhaben zu sein.
Doch der charismatische Dirigent Stefan Geiger, seit 1996 künstlerischer Leiter des Ensembles, weiß sehr genau, was er seinen jungen Musikern zutrauen kann. Dass man sich auch diesmal mit der Programmauswahl keineswegs verhoben hat, das wurde bereits in den berührenden Eingangstakten deutlich: Ein derart ätherisch zartes, zugleich ungemein spannungsvolles Pianissimo kann man selbst bei Profi-Orchestern nicht immer erwarten. Auch der gut vorbereitete große Projektchor intensivierte im Introitus diese packende Atmosphäre. Das alsbald opernhaft heftig aufwallende Kyrie machte den Zuhörern indes deutlich, dass es sich bei dieser Komposition durchaus nicht um gedankenversunkene Schmusemusik handelt. Die allesamt durchsetzungsstarken, im Fortissimo mit leichter Schärfe gefärbten Stimmen des Solistenquartetts unterstrichen die Heftigkeit des flehentlichen Erbarmungsrufes.
Erschreckende Untergangsszenarien
Eine weitere Steigerung kündeten die hammerharten Donnerschläge des „Dies irae“ an, auswachsend zum erschreckend furibunden Ungewittergetöse apokalyptischer Untergangsszenarien und göttlichen Zornes, die Chor und Orchester in Gänsehaut generierender, greller Klangfarbigkeit präsentierten. Umso packender dann das abrupt pianissimo gehauchte „Quantus tremor“. Es waren diese von Geiger präzise vorgegebenen und vom Ensemble optimal umgesetzten dynamischen Wechsel, die bei der Aufführung für einen durchgehend starken Spannungsbogen sorgten.
So auch beim „Tuba mirum“: Die sauber intonierten, anfangs noch eher unaufgeregt anmutenden Bläserakkorde mutierten zum gewaltigen Tutti, dem sich ein expressives „Mors stupedit“-Solo von Bassist Norman Garrett anschloss. Mit tragfähiger Stimme, dennoch gefällig warm und mit viel Nachdruck gestaltete Altistin Anna-Maria Torkel ihren „Liber Scriptus“-Part. Sie harmonierte bestens auch mit Sopranistin Catherina Witting und Tenor Seungwoo Simon Yang im Terzett „Quid sum miser“, das von den Holzbläsern höchst einfühlsam begleitet wurde.
In ausgeprägtem Laut-leise-Kontrast erfolgte das chorische „Rex tremendae“, wurde indes sogleich zum verzweifelten, unter die Haut gehenden „Salva me“-Schrei. Das lyrisch samtfarben von Witting und Torkel vorgetragene „Recordare“-Duett vermittelte hingegen entspannte Seelenruhe.
Ohnehin gelang es diesen beiden Sängerinnen um einiges mehr als den männlichen Solisten, mit ihrem nuanciert emotional gefärbten Gesang intensive Empfindungen zu vermitteln. So etwa beim innig vorgetragenen „Lacrimosa“. Oder beim überwältigenden „Offertorium“, wo die sonore Bassstimme mitunter zu sehr dominierte. Geradezu überirdisch schön geriet dagegen der grandiose Einsatz des Soprans mit glasklarer, durch ein subtiles Vibrato veredelter Tongebung.
Punktgenaue Orchestereinsätze
Die von hellen Bläserfanfaren eingeleitete doppelchörige „Sanctus“-Fuge geriet chorisch etwas diffus; für die sichere Struktur sorgten die selbst im forschen Metrum verlässlichen, stets punktgenau ausgeführten Orchesteraktionen. Eine eigentümlich intime, zutiefst berührende Atmosphäre ließ das im Oktavabstand unisono von den Solistinnen, später auch vom Chor in feinem Legato intonierte „Agnus Dei“ entstehen. Das ausdrucksvolle, in Teilen fast schon mystisch anmutende „Lux aeterna“ endete in einem wunderschönen harmonischen Bläserakkord.
Man hätte es für den versöhnlichen Abschluss halten können. Aber als exzellenter Opernkomponist hatte Verdi noch eine dramatische Steigerung vorgesehen. In spannungsvoller Phrasierung startete Witting mit „Libera me“ das Responsorium. Das schon bekannte „Dies irae“ folgte noch erheblich dramatischer als zuvor, geradezu als vertontes Hieronymus-Bosch-Gemälde „Die Hölle“ oder des „Weltuntergang“-Tryptichons, dem der Chor, jetzt wie eine still vor sich hin murmelnd betende Gemeindeversammlung, a cappella die Requiem-Bitte entgegenhielt, darüber schwebend der hellsanfte Klang der Sopranistin.
Minutenlang ergriffene Stille
In der langen Schlussphase imponierte noch einmal der volle Einsatz von Chor, Orchester und überragender Sopranistin beim gigantischen, mit Emphase artikulierten „Libera me“, bei dessen chorisch komplexer Rhythmik das Orchester erneut mit deutlicher Strukturierung überzeugten.
Nach dem abschließenden, mit äußerster Sensibilität dargebotenen und sanft verhauchenden „Libera me“ herrschte minutenlang absolute Stille im Saal. Dann löste sich die hochgradige Spannung in frenetischem Beifall.
Wieder einmal ist Stefan Geiger und dem Landesjugendorchester, diesmal gemeinsam mit dem hamburgischen Projektchor und einem beeindruckenden Solistenquartett, die in jeder Hinsicht überzeugende Darbietung eines wahrhaft anspruchsvollen Werkes ausgezeichnet gelungen. Angesichts einer derartigen Leistung muss man schwerlich um hervorragenden Musikernachwuchs besorgt sein.
Dr. Gerd Klingeberg, 14. April 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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