Musikalische Spitzenleistungen retten Repertoire-Vorstellung von Verdis “Nabucco”

Giuseppe Verdi, NABUCCO  Deutsche Oper Berlin, 6. Dezember 2022

Foto: DEUTSCHE OPER BERLIN, NABUCCO, © Bernd Uhlig

Für einen Kritiker ist es manchmal von großem Vorteil, eine Rezension über eine Repertoire-Vorstellung zu schreiben: Inszenierung und Bühnenbild wurden schon bei der Premiere-Serie ausführlich beschrieben, so dass man sich voll auf die musikalische Ausführung konzentrieren kann. Diese war an diesem Abend an der Deutschen Oper Berlin ausgezeichnet.


Giuseppe Verdi  
NABUCCO

Carlo Montanaro, Dirigent
Keith Warner, Inszenierung

Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin           

Nabucco:                               Amartuvshin Enkhbat
Abigaille:                               Saioa Hernández
Zaccaria:                                Byung Gil Kim
Fenena:                                  Karis Tucker
Ismaele:                                 Patrick Cook

Deutsche Oper Berlin, 6. Dezember 2022

von Jean-Nico Schambourg

Bei Nabucco an der Deutschen Oper Berlin hätte ich als Rezensent bei der Premiere meine lieben Probleme gehabt, denn – ich muss gestehen – auch nach dem Lesen seines Interviews im Programmheft, kann ich den Sinn der Inszenierung vom Regisseur Keith Warner nicht nachvollziehen. Für mich war es nur ein totales Wirrwarr von Ideen. Natürlich verbessert sich normalerweise eine Inszenierung im Laufe der Jahre nicht, da sie immer wieder mit neuen Interpreten durcheinander gewürfelt wird. Übrig bleiben dann stereotypische Abläufe: Rampensingen, Herumlaufen um den Turm auf der Bühne, mal links, mal rechts, sich am Boden wälzen…

Diese 46. Vorstellung seit der Premiere 2013 hat es aber musikalisch in sich. Allen voran zu erwähnen ist der mongolische Bariton Amartuvshin Enkhbat, der einen phantastischen Nabucco singt. Mit seiner mächtigen Stimme lernt er den Juden von seinem ersten Auftritt an das Fürchten.

DEUTSCHE OPER BERLIN,NABUCCO, J. Reuter, V. Kowaljow © Bernd Uhlig

Später, als Gefangener von Abigaille, findet er einen weichen Klang, wenn er um Gnade für seine Tochter Fenena bittet. Seine Arie “Dio di Giuda” wird wie aus einem Guss mit schönem Legato vorgetragen. Die Wucht und Kraft seines Baritons kommt dann wieder in der darauf folgenden Cabaletta zum Vorschein, besonders wenn er am Ende seinen langgehaltenen Schlusston in den Saal schmettert. Das Publikum belohnte ihm beim Schlussapplaus mit großem Beifall und Bravo-Zurufen.

Mit ihrer Abigaille hält Saioa Hernández voll dagegen. Bei ihrer Arie Anch’io dischiuso un giorno… Salgo già del trono aurato meistert sie die mörderischen Tonsprünge fabelhaft. Ihre hohen Töne klingen, trotz ihrer Wuchtimmer beherrscht und nie schrill. Aber auch in den ruhigeren Momenten hören wir eine Sängerin, die ihr Metier und ihre Stimme total beherrscht. Das Duett mit Nabucco bildet einen musikalischen Höhepunkt dieses Abends, wo beide Sänger, trotz ihrem szenischen Zwist, stimmlich zusammenfinden. Viele Brava-Rufe und viel Applaus auch für sie im Laufe des Abends und beim Schlussvorhang.

Byung Gil Kim als Zaccaria zeigt eine schöne, sonore Bass-Stimme. Seine Figur bleibt aber im Allgemeinen zu brav und blass. Es fehlt dem Sänger an Durchschlagskraft, um auch den fanatisch-religiösen Charakter des Oberpriesters besser auszudrücken.

Karis Tucker ist eine gute Fenena, die sich im Terzett im ersten Akt neben ihrer “Schwester” Abigaille behaupten kann. Der Ismaele von Patrick Cook fällt stimmlich gegenüber seinen Sängerkollegen ab. Auch sein szenisches Auftreten ist sehr karikaturhaft.

DEUTSCHE OPER BERLIN, NABUCCO, Chor: “Va’, pensiero…” © Bernd Uhlig

Großes Lob geht dann schließlich an den Chor und an das Orchester der DOB. Schon von der ersten Szene an gefällt der volle Klang des Chores, der sowohl bei den Klagen der gefangenen Juden, als auch bei der Brutalität der herrschenden Babylonier sehr positiv auffällt. Vielleicht fehlte es mir beim berühmten “Va’, pensiero” ein wenig an der Diskrepanz zwischen Forte und Piano. Aber das liegt vielleicht an der Idee des Dirigenten Carlo Montanaro, dem die Opern des jungen Verdi besonders gut liegen. Von Beginn an treibt er, in seiner gewohnt leidenschaftlichen Art, das Orchester zu Höchstleistung an. Die Forti werden voll ausgekostet, um die Gewalt der Oper herauszustellen. Die melodiösen Passagen werden dagegen weich und einschmeichelnd geformt. Auch für Dirigent, Chor und Orchester gab es verdienterweise großen Applaus.

Jean-Nico Schambourg, 8. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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