Ein großartiger Riccardo Chailly zeigt, wie schön Oper sein kann!

Giuseppe Verdi, Orchestra e Coro del Teatro alla Scala, Riccardo Chailly Wolkenturm, Grafenegg, 2. September 2023 

Riccardo Chailly © Daniel Dittus

Wolkenturm, Grafenegg, 2. September 2023 

Giuseppe Verdi
Ausschnitte aus Nabucco, I Lombardi, Ernani, Don Carlos, Macbeth, Il Trovatore, La forza del destino und Aida

Riccardo Chailly, Dirigent
Orchestra e Coro del Teatro alla Scala


von Herbert Hiess

Es ist fast befremdlich, wenn man im Publikum eines außergewöhnlichen Konzertes den Ex-Direktor der Wiener Staatsoper Dominique Meyer sieht und ihn fragen müsste, warum er in seiner zehnjährigen Intendanz zwischen 2010 und 2020 des Hauses am Ring es nicht geschafft hat, den ganz großartigen Riccardo Chailly wenigstens nur einmal dort zu engagieren.

Blättert man im Onlinearchiv des Hauses und sucht dort den Maestro, findet man gerade einen einzigen Eintrag (!) für gerade vier Aufführungen von Umberto Giordanos „Andrea Chénier“, den man bis heute noch schwärmerisch in Erinnerung hat.

Natürlich kann man die Frage nach einem Engagement auch an den aktuellen Direktor Roščić weiterreichen; Chailly ist mittlerweile 70 Jahre alt und da wäre es höchst an der Zeit, diesen Dirigenten zu engagieren.

Chailly ist so „nebenbei“ auch ein exzellenter Konzertdirigent; er hatte zwar einige Engagements mit den Wiener Philharmonikern – aber irgendwie sind sich das Orchester und der Maestro nicht wirklich nahe gekommen. Auch hier wäre ein neuerlicher Anlauf angeraten.

Natürlich war Meyers Anwesenheit hier angebracht; schließlich ist er ja aktuell Chef der Mailänder Scala und bei diesem Konzert spielten eben Chor und Orchester dieser Institution aus Werken ihres Landsmannes Giuseppe Verdi. Der Chor der Mailänder Scala war schon immer berühmt – vor allem für seine Männerstimmen. Gerade die Bässe des Ensembles sind fast singulär. Exzellent auch die Tenöre und auch die Damen. Man kann sagen, der Chor ist einer der weltbesten Opernchöre.

Diese Verdi-Leistungsschau gibt es natürlich auch auf CD bei DECCA (Giuseppe Verdi: Opernchöre (CD) – jpc), die zwar exzellent ist – aber den Hörerinnen und Hörern doch einiges „verschweigt“. Im Wolkenturm konnte man hören, wie brillant und markig das klingen kann – vieles klingt auf der CD dann doch etwas verschwommen.

Die Mailänder begannen mit „Nabucco“; nach der Ouvertüre und dem Eingangschor kam natürlich der berühmte Gefangenenchor „Va’, pensiero“, der viele Hörer natürlich an die Sonntagsnachmittags-Wunschkonzerte um 15 Uhr im Radio zurückversetzt. Nur hier in Grafenegg war es da weit mehr. Schon da bescherten die Musiker einen mehr als berührenden Tonzauber. Danach kamen im ersten Teil noch Ausschnitte aus „I Lombardi“, „Ernani“ und „Don Carlos“. Aus dieser Oper kam nach der begeisterungswürdigen Ballettmusik noch der Chor aus der Autodafé-Szene. Hier zeigte vor allem Chailly, wie spannend das klingen kann.

© HH

Nach der Pause begann der zweite Teil mit „Macbeth“, wo nach dem Preludio die Damen als Hexen begeisterten und dann der traurige Chor „Patria oppressa“ berührte. Danach aus „Il Trovatore“ die kurze orchestrale Einleitung und dann der berühmte „Zigeunerchor“ – Chailly brachte nicht nur das laute Bravourstück, sondern danach den Ausklang in Piano!

Eine traumhafte Sinfonia von „La forza del destino“ folgte danach mit einer Chorsequenz und natürlich zum offiziellen Schluss der Triumphchor aus „Aida“. Und als Zugabe für den triumphalen Applaus gab es noch den Schlusschor aus dem Prolog zu „Simon Boccanegra“.

© HH

Riccardo Chailly hat mit den Mailändern bewiesen, dass offenbar das Opernhaus dieser Stadt tatsächlich eine Monopolstellung in Sachen Verdi hat. Und er hat abermals bewiesen, wie sehr er als Dirigent in Wien fehlte und weiter fehlen wird. Da läge es wirklich an dem aktuellen Opernintendanten und die Konzertveranstalter, dafür zu sorgen, dass man diesen genialen Musiker doch wieder hier an der Donau begrüßen wird können!

Herbert Hiess, 3. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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