Foto: Marco Borggreve for the Czech Philharmonic
Grafenegg, Auditorium 27. August 2021
Tschechische Philharmonie
Chefdirigent: Semyon Bychkov
Solist: Rudolf Buchbinder, Klavier
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 in B-Dur op. 83
Antonín Dvořák: Symphonie Nr. 8 in G-Dur op.88
von Herbert Hiess
Mit der großartigen Tschechischen Philharmonie konnte das Grafenegg Festival 2021 einen ersten wirklichen Höhepunkt verzeichnen. Bis auf den Abend „Bésame mucho“mit Juan Diego Flórez & Band am 24. Juli 2021 waren die Konzerte bis jetzt nicht wirklich „festivalverdächtig“.
Mit dem zweitägigen Gastspiel des Meisterorchesters aus Tschechien in Grafenegg hat sich das Blatt offenbar gewendet. Die Musiker haben mit Ihrem Chefdirigenten Semyon Bychkov bewiesen, dass dieses Ensemble zu den besten Orchester Europas – wenn nicht sogar weltweit – zählt. Zurückblickend auf eine traditionsreiche Kultur und Geschichte in der klassischen Musik, nicht zuletzt auch wegen der vorhergehenden Chefdirigenten, Václav Neumann und dem viel zu früh verstorbenen Jiří Bĕlohlávek.
Mit Semyon Bychkov, seit 2018 Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie, hat man die allerbeste Wahl getroffen. Der mehr als sympathische und unprätentiöse Musiker, den man nicht selten als „ewigen Gast“ belächelt hat, hat bei den tschechischen Philharmonikern eine musikalische Heimat gefunden und führt das Orchester mit Kompetenz, Musikalität und Souveränität zu singulären Spitzenereignissen. So wie bei den beiden Konzerten hier in Grafenegg 2021.
Am Vortag gab es eine mehr als denkwürdige fünfte Symphonie von Gustav Mahler. Und nun Brahms’ hochromantisches zweites Klavierkonzert und Dvořáks achte Symphonie, die offenbar ein Lieblingswerk von Stardirigenten – Herbert von Karajan hat damit oft brilliert – ist.
An diesem Abend zeigte Bychkov und seine exzellenten Musiker, wie man Dvořák zum Leben erwecken kann. Großartig die Holzbläser, das glänzende Blech und die hochpräzisen Streicher. Bychkov kostete jede Phrase aus; jeder Takt war eine wahre Freude anzuhören. Das Adagio war „tränentreibend“ und unvergesslich das Allegretto grazioso. Das Trio hätte man ewig hören können und vor allem in der Reprise vom Walzer zeigten Bychkov und die Tschechen, was ein pianissimo ist. Ganz unvergleichlich.
Zuvor zelebrierte Grafenegg-Intendant Rudolf Buchbinder Brahms’ monumentales zweites Klavierkonzert, das sowohl vom Aufbau als auch von der Komposition einzigartig ist. Im dritten Satz Andante wurde Lyrik pur zum Hören gebracht. Unglaublich der phänomenale Solocellist und seine Streicherkollegen – mit Buchbinder war das ein akustisches Fest. Und das finale Allegretto grazioso mit dem französisch anmutenden Walzer war ein wahres Erlebnis.
Wie vom Anfang an vermutet und erhofft (im Orchester war eine große Trommel aufgestellt, die in keinem der beiden Programmpunkte vorkommt), bedankte sich das Orchester mit zwei Zugaben. Zwei slawische Tänze aus op. 46. Erst Nr. 2 in e-moll, vor dem man sich normalerweise fürchtet, weil der allzu oft recht belanglos und uninteressant gebracht wird – hier war er einer der Höhepunkte des Konzertes. Es wurde zwar elegisch musiziert; aber niemals süßlich und kitschig. Großartig, wie sich bei den einzelnen Themen Holzbläser und Streicher quasi „die Hand gaben“. Keine Streicherfigur, keine Sequenz war irgendwie als Nebenstimme zu hören; jede war gleichberechtigt und ließ diesen Tanz fast neu hören. Und als furiose zweite Zugabe gab es Tanz Nr. 1, der einem fast vom Sessel riss.
Herbert Hiess,
für Klassik-begeistert.de und Klassik-begeistert.at