Mahlers Dritte klingt mit Levine magischer als mit Meister

Gustav Mahler, Sinfonie Nr. 3, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Cornelius Meister,  Philharmonie, Berlin

Foto © Schirmer
Toshio Hosokawa
Meditation
Gustav Mahler 
Sinfonie Nr. 3 D-Moll
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Damen des Rundfunkchors Berlin, Staats- und Domchor Berlin
Cornelius Meister
Dirigent 
Karen Cargill
Mezzosopran
Philharmonie,
Berlin25. November 2017

von Yehya Alazem

Vor vier Wochen haben die Berliner ein unvergessliches Konzert in der Philharmonie erlebt: Die 3. Symphonie von Gustav Mahler, dirigiert von dem legendären James Levine. Am Sonnabend sollte der neue britische Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, Robin Ticciati, dieselbe Symphonie am selben Ort leiten, er musste aber wegen einer Erkrankung kurzfristig absagen.

Anstelle des erkrankten Ticciati übernimmt der 37 Jahre alte Cornelius Meister den Taktstock. Der gebürtige Hannoveraner ist seit 2010 der Chefdirigent des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien, mit dem er 2016 den International Opera Award und 2017 einen ECHO Klassik gewonnen hat.

Die beiden Aufführungen dieser Symphonie sind nicht zu vergleichen. James Levine war ja bereits einer der besten Operndirigenten der Welt, bevor Meister geboren wurde, und leitete die Metropolitan Opera in New York 40 Jahre. Zeigt Levine Routine und Erfahrung, offenbart Meister Jugendlichkeit und Neugier – aber er hätte mehr Zeit mit dem Orchester gebraucht, um eine überzeugende Interpretation zu erarbeiten.

Vor der 3. Symphonie von Mahler erklingt das Orchesterstück „Meditation“ des japanischen Komponisten Toshio Hosokawa. Das Werk ist den Opfern der Tsunami-Katastrophe im März 2011 gewidmet. Es ist ganz schwarz. Besorgnis, Klage und Stress sind das übergeordnete Gefühl. Drei schwachen Tönen der Kontrabässe folgt ein Kampf zwischen den Streichern. Die Schlagwerker spielen bohrend, die Blechbläser alarmierend. Gegen Ende kommt etwas Mahlerisches (aus der 6. Symphonie): drei Schicksalsschläge, sie werden hier von der Pauke gespielt.

Nach einer Pause von nur wenigen Sekunden fängt die 3. Symphonie von Gustav Mahler an. Der Anfang ist ein wenig vorsichtig, ja, unsicher. Die Blechbläser sind zu laut und klingen schrill. Im Laufe der Zeit findet Meister einen Weg. Jetzt hören wir einen offenen Klang, und das Ganze klingt direkter und voller Neugier. Die Streicher spielen mit Präzision und Leidenschaft, auch die Holzbläser, aber die Blechbläser sind leider nichtssagend.

Der zweite Satz hört sich viel besser an. Das Orchester bringt herrliche Klänge hervor. Das Ganze klingt nach vorne blickend und neugierig. Die Streicher spielen immer noch leidenschaftlich, und die Holzbläser sind phantastisch. Das Tempo ist ziemlich schnell, aber das Orchester bleibt kompakt. Wir spüren eine jugendliche Energie.

Die Holzbläser sind im dritten Satz vollkommen. Die Streicher klingen sehr geschliffen und verlieren nie ihre Glut. Jetzt ist das Gleichgewicht im Orchester viel besser als in den ersten beiden Sätzen. Leider bleiben aber die Blechbläser blass, und es wirkt ein wenig so, als habe Meister keine Kontrolle über sie. Sie spielen in ihrer eigenen Welt. Nur die Hörner sind den anderen Instrumentengruppen näher.

Im vierten Satz ist der Klang geheimnisvoll. Die Mezzosopranistin Karen Cargill hat einen dunklen, tiefen Klang, der zur Gesangspartie passt. Ihr Vibrato ist ein wenig zu kräftig, aber kontrolliert, und die Stimme schwankt nicht. Die Streicher sind souverän, der Erste Violinist spielt phantastisch – leider hat der Oboist nicht seinen besten Tag. Der Chor klingt kompakt und lebendig, die Harmonik ist glasklar.

Der letzte Satz ist Meister leider nicht ganz gelungen. Das Problem ist die Balance: Zwischen den Blechbläsern und den anderen Instrumenten gibt es weder Kommunikation noch Gleichgewicht. Obwohl die Streicher wunderbar spielen, reicht das Ganze nicht aus.

Es wäre nicht fair, diesen Abend als eine Enttäuschung zu betrachten. Bei einem so kurzfristigen Einspringen für dieses große und fordernde Werk kann man ja keine großen Erwartungen haben. Sicherlich hätte vieles besser geklungen, wenn Herr Meister eine längere Probenzeit mit dem Orchester gehabt hätte.

Yehya Alazem, 26. November 2017, für
klassik-begeistert.de

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