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Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2020
Ballettwerkstatt „Debüt“
Hamburg Ballett
John Neumeier
von Ralf Wegner
John Neumeier lud am Sonntagvormittag zur 229sten Ballett-Werkstatt ein. Wie jedes Jahr gab er seinen Tänzerinnen und Tänzern die Möglichkeit, einmal mit einer Wunschpartie aufzutreten. Jeder, egal ob Aspirant oder Erster Solist, durfte bei ihm einen Zettel mit der oder den entsprechenden Rollen einreichen; von manchen wünschte sich aber auch Neumeier selbst die Einstudierung neuer Partien. Insgesamt wurden Soli, Pas de deux und Pas de trois sowie Gruppentänze aus 13 Choreografien des Hamburger Ballettintendanten gezeigt, zum Teil noch mit leichter Anfängernervosität, sonst aber auch bei den Gruppentänzerinnen und -tänzern auf sehr hohem Niveau.
Yaiza Coll bot als Romola im Schlitten Pas de deux aus „Nijinsky“eine umwerfende, tief empfunde Seelenstudie, als ihr Partner überzeugte Borja Bermudez. Zuvor beeindruckten bereits Artem Prokopchuk als sprungstarker Petruschka und mit sinnlichem Bewegungsgefühl Ricardo Urbina als Goldener Sklave aus dem gleichnamigen Ballett. Von Eliot Worrell (Konstantin, Die Möwe) würde man gern mehr sehen, ebenfalls von seiner Nina (Charlotte Larzelere).
Mit dem neu im Ensemble vertretenen Solisten Felix Paquet steht Neumeier wieder ein Bilderbuch-Othello zur Verfügung, er und Priscilla Tselikova faszinierten mit dem Lendentuch-Pas de deux aus Neumeiers meisterhafter Interpretation dieses Shakespeare-Werkes. Als Vorgriff auf das in dieser Saison wieder auf den Spielplan gesetzte Shakespeare-Stück „Hamlet“ boten die Ersten Solisten Jacopo Bellussi und mit der ihr eigenen, von innen kommenden Körperspannung Madoka Sugai den Abschieds-Pas de deux, leider immer noch zu der nicht sehr eingängigen Komposition von Michael Tippett. Choreographisch habe er dagegen vieles verändert, so Neumeier bei seiner Moderation.
Florian Pohl trat als Monsieur Duval aus der Kameliendame auf, sekundiert von der unvergleichlichen Anna Laudere. Mir erschien er für diese Vaterrolle optisch noch zu jung, eher wäre er als Marguerites Armand vorstellbar. Xue Lin war Manon Lescaut, der erst 19 Jahre alte, bereits wie ein Solist partnernde Aspirant Alessandro Frola ihr Des Grieux. Weitere Kostproben gab es aus Schwanensee, Tod in Venedig und Cinderella, aber auch aus Neumeiers religiösen Werken Requiem, Weihnachtsoratorium und Matthäuspassion. Den Abschluss bildete der vierte Satz aus Gustav Mahlers Dritter Sinfonie, hervorragend von Yun-Su Park, David Rodriguez und Nicolas Gläsmann getanzt.
Man sieht, aus Neumeiers Ballettgarten gehen unverändert beste Talente in das Ensemble über; ihre tänzerischen Fähigkeiten werden den altersbedingten Abgang lieb gewonnener Erster Solisten, wie zuletzt Carolina Agüero mit ihrer großartigen, auf DVD festgehaltenen Romola-Interpretation, abmildern.
Dr. Ralf Wegner, 27. Januar 2020, für
klassik-begeistert.de