Ein Sängerpaar präsentiert im Teesalon der Wiener Volksoper eine „Weltpremiere“

Heines „Dichterliebe“ als „Poet’s Love“ zu Schumanns Musik  Teesalon, Volksoper Wien

Rebecca Nelsen © Christine Kaufmann 

Heines „Dichterliebe“ als „Poet’s Love“ zu Schumanns Musik

Wenn ein so besonderes Sängerpaar – die texanische Sopranistin und passionierte Dichterin Rebecca Nelsen und ihr Ehemann, der aus Dresden stammende Tenor Eric Stokloßa – zwar nicht auf der großen Bühne, dafür aber im charmanten Teesalon der Wiener Volksoper eine „Weltpremiere“ zelebrieren, dann sind die Erwartungen hoch: Und sie wurden nicht enttäuscht.
Die junge Texanerin ist eine Sängerin der Weltklasse, die auf eine beeindruckende Liste von Auftritten auf großen Bühnen zurückblicken kann. Sie ist zweifellos einer der großen Stars der Volksoper – und nach den Standing Ovations für ihre glanzvolle Traviata, Violetta Valery, darf man sie als die wohl führende Sopranistin dieses Hauses bezeichnen.

Am Flügel wirkte mit ihrer exquisiten, den Vortrag des Sängerpaars kongenial tragenden Schumann-Interpretation die Pianistin, Musikwissenschafterin und Expertin für Musikvermittlung Chanda Vander Hart. Sie arbeitet gegenwärtig an einer hochkarätigen Monographie mit dem Thema „Lieder Performance in Vienna“ – und trifft damit das Thema dieses Abends an der Volksoper punktgenau – welche von der Cambridge University Press nach Begutachtung mit einer Reihe von historischen Aufnahmen publiziert werden soll.

Eric Stokloßa (c) Christine Kaufmann

Gemeinsam mit ihrem Ehemann Eric, einem (heute vorwiegend in der Lehre tätigen) Opernsänger mit beeindruckendem, vor allem barocke Chorwerke und Opern umfassenden Repertoire präsentierte Rebecca Nelsen das Ergebnis eines knapp zweijährigen kreativen (und offenbar äußerst aufwendigen) Prozesses: Die Übersetzung von Heines „Dichterliebe“ ins Englische unter Berücksichtigung der Komposition Robert Schumanns. In, wie sie es nennt, „Wort-Archäologie“, sei es darum gegangen, die adäquaten englischen Worte zum deutschsprachigen Original zu finden, dem Reimschema und den Rhythmus dieses umfangreichen Gedichtzyklus gerecht zu werden. Eric Stokloßa interpretierte die Musik Schumanns mit tenoralem Schmelz und viel Einfühlungsvermögen, Rebecca Nelsen trug auf Englisch die Dichtung Heines vor

.Die Motivation für dieses große, mit viel Einfühlungsvermögen angegangene Werk lag darin, einem englischsprachigen Publikum ohne Deutschkenntnisse, den inhaltlichen Zugang zu diesem so bewegenden Werk zu eröffnen. In einem berührenden Kommentar berichtete Rebecca, dass sie in ihrer texanischen Heimat und in ihren persönlichen Einblicken durchaus ähnliche Verhältnisse angetroffen habe, wie sie in der tragischen Entwicklung von „Dichterliebe“ geschildert wird.

Links die Pianistin Chanda VanderHart, Mitte der Tenor Eric Stokloßa, rechts die Sopranistin und Dichterin Rebecca Nelsen © Christine Kaufmann

In ihrem Auftritt im Neo-Rokoko-Salon der Volksoper kleideten sich die Interpreten in Kostüme der Zeit Schumanns Mitte des 19. Jahrhunderts – der reiche Fundus der Volksoper bot da reiche Auswahl – um den Geist jener Zeit auch visuell zu beschwören. Ein sehr besonderes, gelungenes Experiment, das uns die drei Künstler an diesem Abend präsentierten.

Dr. Charles E.  Ritterband, 20. April 2024, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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