Foto: © Herwig Prammer
Theater an der Wien, 19. Jänner 2019
Henry Purcell, King Arthur
von Herbert Hiess
Keine Frage – Sven-Eric Bechtolf und auch sein Regiekollege Julian Crouch sind geniale Regisseure und Vollprofis in ihrem Fach. Bei dieser Produktion der Semi-Opera, die 2017 in Berlin Premiere hatte, teilten sich die beiden den Musikpart (Bechtolf) und den Schauspielpart (Crouch).
Das Genre Semi-Opera ist eigentlich primär ein Schauspiel mit untermalender Musik, die quasi in Form von Einlagen, Intermedien, Tänzen und Chören in das Kunstwerk integriert ist. Da ist natürlich die Diskussion über den Vorrang von Musik oder Schauspiel vorprogrammiert.
Purcell hat das Stück, das 1691 in London uraufgeführt wurde, auf das Libretto von John Dryden komponiert, und es wurde tatsächlich als eine Art „Unterhaltungsmusik“ konzipiert, was zu der Zeit durchaus üblich war. Bekanntermaßen hat Henry Purcell seine Partitur mehr oder minder minimalistisch geschrieben – sie enthielt nur die Gesangsstimmen sowie die stimmführenden Noten und die (General-)Bässe – ein Generalbass ist eine einzelne Note mit der Bezifferung der Harmonie, die von den Musikern beim Spielen ausgeführt werden muss.
In Berlin und jetzt wurde die Fassung von René Jacobs gespielt, die seine Handschrift enthält. Da ist das Ensemble hörbar groß und als Schlagwerkliebhaber lässt Herr Jacobs den Instrumenten hier genug Raum zum Klingen. Das hat vor allem in den Tanzszenen seinen Charme. Und Jacobs‘ Humor kommt da auch nicht zu kurz. In der Eisszene im dritten Akt hört man direkt Vivaldis „Winter“ aus den unsterblichen „Quattro Stagione“ und zwischendurch auch Takte aus Pachelbels „Canon“.
Purcells Musik ist für konzertante Zwecke formatfüllend genug und hat es nicht notwendig, von einer von ihrem Humor überzeugten Regie ruiniert zu werden.
Die Grundidee, die Handlung als Traumszenen des kleinen Arthurs darzustellen, ist ja in dem Fall eine phantastische Basis. Die optische Umsetzung war einfach großartig – Chapeau vor den Bühnenbildnern, der Beleuchtung und vor allem der Videotechnik.
Die szenischen Einfälle dagegen waren schlichtweg wider die Musik. Gerade Jacobs‘ Ausführungen sind dramaturgisch interessant genug; da hätte es keine „Einfälle“ gebraucht, die die unsterbliche Komposition geradezu konterkarieren.
Leider waren die schauspielerischen Leistungen gerade noch ausreichend und die Sangesleistungen bestenfalls mittelmäßig (bis auf Jonathan Lemalu und Martina Janková). Und ganz ehrlich, so peinliche Dialoge über „metoo“ und einen noch peinlicheren Monolog mit „Berliner Schnauze“ von Osmond (Oliver Stokowski) haben sich Purcell und Dryden echt nicht verdient.
Leider hat Harnoncourts Nachfolger beim Concentus Musicus Wien Stefan Gottfried der hochdominanten Regie nichts entgegenhalten können. Sicher, es war alles brav und sauber einstudiert und Herr Gottfried hat die Musiker immer sehr freundlich angelächelt. Dass Purcells Musik leider ins Uninteressante abgerutscht ist, ist halt auch sein Verdienst. Und die Leistung bei einzelnen Instrumenten lässt schon wieder die Frage entstehen, wie weit der Originalklangfetischismus gehen soll…
Herbert Hiess, 20. Januar 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at