#ignition 2025 © Susanne Diesner
Wenn der Name einer Videospiel-Reihe als Titel für ein Programm im Konzertsaal erscheint, dann ahnt man: Es ist wieder #IGNITION in Düsseldorf! Wie schon so oft führt Gordon Hamilton (43), der Gastdirigent aus Australien, auch diesmal durch eine Reihe von modernen und zeitlosen Klassikern; Werke aus Film- und Fernsehen, gepaart mit Titeln zu Videospielen und Meisterwerken der Orchestertradition, sogar inklusive überspielter Klassiker. Das alles gewürzt mit Live-Zeichnungen verspricht eine Mischung, die auch diesmal wieder für alle Geschmäcker etwas zu bieten hat.
Tonhalle Düsseldorf, 30. September 2025
Düsseldorfer Symphoniker
Gordon Hamilton, Dirigent
Peter Theiss, Schnellzeichner
Jörg Mohr, Regie
Gordon Hamilton – The Weight of Light – Fanfare (inspiriert aus Neon Genesis Evangelion)
Kaguya-sama: Love is War (Suite)
Evan Call – Violet Evergarden – Main Theme
Hans Zimmer – König der Löwen
Pjotr Tschaikowsky – Romeo und Julia – Suite in vier Akten
Austin Wintory – Apotheosis (aus dem Videospiel Journey)
Sergej Prokofjew – Montagues & Capulets/“Tanz der Ritter“ aus Romeo und Julia
James Horner – Titanic (Suite zum gleichnamigen Film)
Genevieve Eckel – Zelda (Suite mit Themen aus der Videospiel-Reihe)
Zugabe:
John Williams – Hedwigs Thema (Aus den Harry Potter-Filmen)
von Daniel Janz
Es spricht für das Selbstbewusstsein des jungen Dirigenten und Komponisten, dass er den Abend mit einem eigens komponierten Werk beginnt. Seine aus Neon Genesis Evangelion inspirierte Fanfare entführt in ein Wechselspiel aus Pathos und warmen Tönen. Mal schwelgt das Orchester in Klängen, die wie die Inspirationsquelle auch den Bach-Choral „Jesu meine Freude“ zitieren. Mal ertönt die Orgel in all ihrer Kraft. Das alles gewürzt mit subtilen Synthesizerklängen, die zurückhaltend bleiben aber nie untergehen, gestaltet einen gelungenen Einstieg. „Etwas Kosmisches“ habe er schaffen wollen, um den „Dreiklang der Liebe“ einzuleiten, berichtet Hamilton dazu.
In der ersten Hälfte des Abends bleibt die Liebe ein Kampf
Was dieser „Dreiklang der Liebe“ sein soll, verrät Hamilton uns ebenfalls: Mut, Weisheit und Kraft. Dies seien auch die drei Tugenden, die in allen Werken dieses Abends durchklängen, um am Höhepunkt in eine unter Videospiel-Enthusiasten inzwischen allgegenwärtige Sagen-Reihe zu führen: Die Geschichte um den Helden Link, der in verschiedenen Titeln der nach seiner Liebe benannten Videospiel-Reihe „Zelda“ stets in das Schicksal seiner Welt eingreift, um sie vor dem Bösen zu erretten.

Zur Illustration des Kampfes, den diese Liebe bedeutet, führt Hamilton zunächst „Kaguya-sama: Love is War“ aus dem gleichnamigen Anime auf. Diese Musik wurde federführend von Kei Haneoka geschrieben, an den einzelnen Tracks waren jedoch so viele Künstler beteiligt, dass diesem pulsierenden Stück Musik kein Komponist zugeordnet werden kann. Hier überwiegen vor allem die Kontraste zwischen marschartig stampfenden Passagen, denen die Holzbläser und allen voran die zarte Flöte als lyrischer Gegenpol entgegenstehen. Ein edles Hornsolo versprüht dazu einen Funken Demut, der mit einem verträumten Klavier-Solo in Pathos übergeht. Insgesamt ein gefälliges Stück für zwischendurch, allerdings ohne Ohrwurmcharakter.
Gleiches gilt auch für die Werke von Austin Wintory und Evan Call. Während das Stück „Apotheosis“ aus dem Videospiel Journey dem Solocello alles abverlangt, bevor es von Glocken getragen in einen atmosphärischen Motivfluss übergeht, ist Evan Calls Hauptthema zu „Violet Evergarden“ Musik zum Schwelgen. Wie ein warmer Regenschauer bereitet sie die Dramatik vor, die im Anschluss durch Hans Zimmers beeindruckenden „König der Löwen“ ihre volle Entfaltung findet. Mit dem lyrischen Einstieg, furios trabenden Rhythmen und kraftvollen Szenen funktioniert diese Musik auch losgelöst vom Film exzellent. Ab und an gewinnt man zwar den Eindruck, dass Zimmer hier verwendetes Material auch in seiner Musik zum Film Gladiator benutzt hat. Das ändert aber nichts daran, dass dies ein Höhepunkt des Abends wird.

Live-Zeichnungen führen die Handlung direkt vor Augen
Höhepunkte für Klassik-Fans sind die beiden russischen Komponisten, die sich der Geschichte um „Romeo und Julia“ widmen. Zum Klassiker von Prokofjew wurde an anderer Stelle schon viel geschrieben… zu oft wird sein „Tanz der Ritter“ aufgegriffen, als dass er noch überrascht – selbst, wenn man wie an diesem Abend schummelt und den Saxophonpart durch ein Fagott spielen lässt. Generell wirkt dieses Stück Musik heute etwas behäbig und hätte noch mehr Feuer vertragen können. Gleiches gilt für Tschaikowskys Interpretation der Shakespeare’schen Liebestragödie. Auch dieser Klassiker gelingt zwar schön lyrisch, hätte aber in Summe etwas feuriger sein können.
In Anbetracht des heute sehr jungen Publikums kommt es dieser Programmmusik aber zugute, dass mit Peter Theiss ein Künstler anwesend ist, der live zur Musik die Szenen der Liebesgeschichte nachzeichnet. Projiziert auf die Leinwand hinter dem Orchester erzeugt das genug Kontext, um die Geschichte auch dann nachzuvollziehen, wenn man sie nicht kennt. Gerade da, wo er seine Striche zur Musik synchronisiert, stellt das einen besonderen Reiz dar. Als Rezensent fragt man sich nur, warum er seinen Figuren nicht bereits jetzt das Aussehen von Zelda und Link gibt. Immerhin steht der gesamte Abend doch unterm Motto ihrer Liebe. Und dass Theiss das kann, beweist er doch auch zum Schlusswerk, wofür er schließlich verdient umjubelt wird.

Umjubelt werden auch die beiden letzten Werke des Abends. James Horners Soundtrack zu Titanic dürfte mindestens so bekannt sein, wie die Musiken von Hans Zimmer. Mit seinem wunderbar klar gespielten Hornthema zu Beginn versprüht diese Musik Abenteuerlust und mündet in vollen, tiefen Klängen, die begleitet von erneuten Glockenschlägen die Überfahrt jenes Luxusdampfers illustrieren, der später so tragisch sein Ende fand. Von dieser Tragik ist in der Musik heute jedoch nichts zu hören. Stattdessen mündet alles in einem versöhnlichen Schluss, der richtig bewegt.
Bewegen kann am Ende auch die Suite aus bekannten Themen der „Zelda“-Reihe. Der ganze Abend hat auf diese hingeführt und dem Publikum merkt man an, wie all die Erwartung sich nun in freudige Ekstase auflöst. Hier passt auch wirklich alles: Das Hauptthema mit seinen starken Rhythmen führt in eine Welt voller Abenteuer und Mut, in „Echos of Zelda“ können Glockenspiel und die am gesamten Abend bereits hervorragende Harfe glänzen. „Echos of Adventures“ gelingt frech tänzerisch und entlockt dem Publikum sogar ein kurzes Auflachen. Und „The Kingdom’s Reckoning“ beginnt erst mystisch, bevor ein Einsatz von Trommel und Schlagzeug martialisch mit der Stimmung bricht. Dies alles begleitet von den stimmigen Zeichnungen von Peter Theiss wird zum zweiten, großen Höhepunkt des Abends.

Es ist daher kein Wunder, dass es am Ende den vollständig ausverkauften Saal aus den Stühlen reißt, um Orchester, Dirigent und Künstler zu feiern. Und als hätten diese es geahnt, krönen sie die Vorstellung mit einem Allzeit-Klassiker von John Williams. Dessen Musik zu Harry Potter ist ebenfalls eine der am meisten gespielten Kompositionen des womöglich besten Filmkomponisten aller Zeiten. Und heute würzt sie eine bereits wundervolle Aufführung voller Gefühl noch mit einem kleinen Hauch Magie, den die Zuhörer auch mit Begeisterungsstürmen aufnehmen. Man kann sagen was man will, aber Gordon Hamilton kennt sein Publikum. Da kann man sich bereits auf die nächste #IGNITION im Januar freuen. Wir werden dabei sein!
Daniel Janz, 1. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
#IGNITION, Düsseldorfer Symphoniker, Gordon Hamilton, Dirigent Tonhalle Düsseldorf, 19. Januar 2022