Hier und heute ist die Welt gut – Joyce DiDonato berührt mit Sangeskunst und Menschlichkeit

»In War and Peace – Harmony through Music«, Joyce DiDonato,  Elbphilharmonie Hamburg

Foto: Bettina Stöß (c)
Elbphilharmonie
Hamburg, 30. Mai 2018
Joyce DiDonato, Mezzosopran und Produktionsleitung
Il Pomo d’Oro, Barockensemble
Maxim Emelyanychev, Cembalo und Leitung
Henning Blum, Lichtdesign
Yousef Iskandar, Videodesign
Ralf Pleger, Regie
Manuel Palazzo, Choregrafie, Tanz

»In War and Peace – Harmony through Music«

von Sebastian Koik

Joyce DiDonato und das Ensemble Il Pomo d’Oro schenken dem Publikum im Großen Saal der Elbphilharmonie einen schönen Abend. Auf die Lichteffekte hätte man verzichten können, auf den oberkörperfreien und berockten Tänzer auch. Schaden tun sie aber auch nicht wirklich.

Der junge Dirigent Maxim Emelyanychev führt das junge Ensemble Il Pomo d’Oro mit großem Engagement. Anfangs wirkt das etwas zu unschön selbstverliebt gekünstelt, wie er ständig sein längeres Haar von links nach rechts und nach hinten wirft. Doch das Ergebnis stimmt! Das Kammerorchester spielt hochmusikalisch, mit großem Verständnis für die gespielte Alte Musik, feiner Spannung und perfektem Timing. Und der Auftritt Emelyanychevs ist mit der Zeit auch nicht mehr ganz so übertrieben wie zu Beginn des Konzerts. Maxim Emelyanychev und sein Orchester musizieren mitreißend. Die alten Meister klingen lebendig und unverstaubt, keine Sekunde langweilig. Auch bei Arvo Pärts „Da pacem, Domine“, dem einzigen neuen Stück des Abends, hat man das Gefühl, dass die Musiker wirklich alles aus der Komposition herausholen. Den begnadeten jungen Musikern gelingt es hier sehr interessante und geheimnisvolle Atmosphären heraufzubeschwören. Ganz stark!

Joyce DiDonato, die US-amerikanische Mezzosopranistin, legt einen ganz starken Auftritt hin. Sie legt sehr viel Gefühl in den Gesang und gibt ihren Gesangsrollen Authentizität und Natürlichkeit. Nichts wirkt aufgesetzt, alles echt. Jede Sorge, jede angsterfüllte Phrase wirkt wahrhaftig. Sie singt voller Tiefe und Innerlichkeit, mit langem Atem. Ihre Höhen klingen herrlich frisch, ohne auch je nur im Ansatz schrill zu sein. Ihre Mittellage ist sehr dicht. Alles ist voller Selbstverständlichkeit und Souveränität. Einzig ihre Koloraturen in der Händel-Arie zum Ende des regulären Programmteils gelingen ihr nicht so recht. Doch schon in der Zugabe gelingt ihr auch das recht gut. Sensationell schön ist ihr Gesang in langsamen, getragenen Passagen.

Joyce DiDonato scheint ein sehr besonderer Mensch zu sein, ganz zum Schluss redet sie mit Mikro über Dinge, die sie bewegen. Über Frieden, die Möglichkeit als Individuum in dieser Welt Frieden zu finden, über die Unruhe und Besorgnisse der Welt.

Und anders als bei vielen, scheinen sie diese Fragen wirklich zu bewegen. Man spürt deutlich, dass das bei ihr keine leeren Worte sind, dass sie der Welt und dem Weltgeschehen sehr sensibel gegenübersteht.

Musik scheint ihr Weg zu Frieden und Sinn zu sein. Und dieser Weg führt sie an Orte wie die Elbphilharmonie, die sie liebt und preist. „You have built this incredible temple of music“, „Ihr habt diesen unglaublichen Musiktempel gebaut“. Und: „From the bottom of my heart I applaude to everyone who made it happen“, „vom Grunde meines Herzens applaudiere ich jedem, der dies möglich gemacht hat“.

Der Raum ist erfüllt von Liebe und Frieden. Hier und heute ist die Welt gut.

Sebastian Koik, 31. Mai 2018,
für klassik-begeistert.de

Georg Friedrich Händel
Jephtha / Oratorium in drei Akten (Auszüge)
Leonardo Leo
Prendi quel ferro, o barbaro! / »Andromaca«
Emilio de‘ Cavaliere
Rappresentatione di anima et di corpo (Auszüge)
Henry Purcell
Chaconne g-Moll Z 730
When I am laid in Earth / Dido’s Lament
Georg Friedrich Händel
Pensieri, voi mi tormentate / Arie der Agrippina aus »Agrippina«
Carlo Gesualdo da Venosa
Tristis est anima mea
Georg Friedrich Händel
Lascia ch‘ io pianga / »Rinaldo« HWV 7b
Henry Purcell
They tell us that you mighty powers / »Die indianische Königin«
Georg Friedrich Händel
Crystal streams in murmurs flowing / »Susanna« HWV 66
Arvo Pärt
Da pacem Domine / für Chor und Streichorchester
Georg Friedrich Händel
Augelletti / Arie der Almirena aus »Rinaldo« HWV 7a
Dopo notte, atra e funesta / Arie des Ariodante aus »Ariodante«, HWV 33

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert