Benediktinerabtei Melk. Quelle: Pixabay
Im Rahmen der diesjährigen Internationalen Barocktage Stift Melk beglückte uns das Barucco Orchester und Vokalensemble mit Werken von Händel und Purcell. Die ungemein lebendige und stilsichere Wiedergabe zeugte von der großen Klasse der beiden Klangkörper und begeisterte das Publikum.
Georg Friedrich Händel:
Music for “The Alchemist”, HWV 43
Aus “Acis and Galatea”, HWV49
Henry Purcell:
“The Lord is my Light”, Z 55
Georg Friedrich Händel:
“The Lord is my Light”, HWV 255
Barucco Vokalensemble und Orchester
Künstlerische Leitung: Andreas Helm
Dirigent, Künstlerische Leitung: Heinz Ferlesch
Stift Melk, Kolomanisaal, 18. Mai 2024
von Dr. Rudi Frühwirth
Die Benediktinerabtei Melk ist eines der schönsten, wenn nicht das schönste Stift Österreichs. Erhöht über der Donau auf einem Fels thront der Bau Jakob Prandtauers, ein weithin sichtbares Glanzstück barocker Architektur, erbaut zu Lebzeiten von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel.
Alljährlich finden zu Pfingsten in diesem wunderbaren Rahmen die Internationalen Barocktage Stift Melk statt, deren künstlerischer Leiter seit 2013 der Tenor Michael Schade ist. Das heurige Thema ist “Feuer im Geist, Jubel in der Seele, Musik im Herzen”.
Am Tag nach der Eröffnung der Barocktage mit Bachs h-Moll Messe stand ein Konzert des Originalklangorchesters Barucco auf dem Programm. Mit dabei war zum ersten Mal in Österreich das vor kurzem gegründete Barucco Vokalensemble. Im Orchester wie im Vokalensemble sind hochkarätige Barockspezialisten versammelt. Technische Perfektion vereint sich mit Musizierfreude, Lebendigkeit und Stilsicherheit. Barucco spielt damit zweifellos in der obersten Liga der Originalklangensembles. Die künstlerische Leitung des Orchesters liegt in den Händen von Andreas Helm; das Vokalensemble wird von Heinz Ferlesch geleitet, der bei der Matinee am 18. Mai auch am Dirigentenpult stand.
Das Konzert stand unter dem Motto “Händel verwandelt”; ihm verdanken wir die Auswahl der Werke des ersten Teils. Zu Beginn erklang Händels Schauspielmusik zur Komödie “The Alchemist” von Ben Jonson, der neben Shakespeare der wichtigste Dramatiker des elisabethanischen Englands war. Das Werk besteht aus neun Sätzen, die zur Zeit Händels und wohl auch später über den Theaterabend verteilt gespielt wurden, aber im Grunde eine Suite darstellen, mit Ouverture, Prelude und den zeittypischen Tanzsätzen wie Menuett, Sarabande, Bourree, Aire und Jigg (Gigue).
Das Orchester spielte die Suite soweit möglich stehend und ohne Dirigenten. Der Orchesterleiter Andreas Helm wechselte zwischen Oboe und Blockflöte, je nach dem Charakter des jeweiligen Satzes. Ihm zur Seite standen sechs Violinen, zwei Bratschen, Cello und Kontrabass, sowie Fagott, Laute und Cembalo bzw. Orgel.
Die Interpretation ließ an Spielfreude, Präzision und Intensität nichts zu wünschen übrig; Artikulation, Phrasierung und Klangbalance waren beispielhaft. Ein klanglicher Höhepunkt unter etlichen anderen war die Sarabande, mit der von Andreas Helm wunderschön geblasenen Stimme auf der Altblockflöte.
Auch das zweite Werk des ersten Teils stand unter dem Zeichen der Verwandlung: Ausschnitte aus Händels Vertonung der englischen Version von “Acis and Galatea”, HWV 49, mit Text von John Gay. Die Geschichte ist den Metamorphosen des Ovid entnommen: Acis und Galatea lieben einander, Acis wird jedoch vom eifersüchtigen Kyklopen Polyphem erschlagen. Galatea verwandelt den toten Geliebten in eine silbern sprudelnde Quelle, die bergab strömend Liebesgesänge rauscht.
Mit nicht mehr als acht Mitgliedern harmonierte Barucco Vokal wunderbar mit dem kleinen Orchester. In den gewählten Ausschnitten konnten die Sängerinnen und Sänger ihre Qualität solistisch wie auch als Ensemble beweisen. Offenbar hat Chorleiter und Dirigent Heinz Ferlesch bei der Einstudierung exzellente Arbeit geleistet. Johanna Rosa Falkinger sang die Galatea makellos; Hans Jörg Mammel überzeugte als Acis, Matthias Helm als Polyphem. Der Chor spielt eine wichtige Rolle als Kommentator der Handlung. Er tröstet Galatea und schlägt ihr die Verwandlung Acis’ in die Quelle vor.
Die Vertonung zeichnet sich durch faszinierende Orchestereffekte aus. Wenn etwa Galatea den “warbling quire” anspricht, also den trillernden Gesang der Vögel, erklingen im Orchester Koloraturen auf einer Sopraninoblockflöte, virtuos geblasen von Andreas Helm. Auch das Murmeln und Rauschen der Quelle ist in den Streicherfiguren des letzten Ausschnitts getreulich nachgebildet.
Der zweite Teil der Matinee brachte zwei Vertonungen von Psalm 27, “The Lord is my Light”. Die Vertonung von Henry Purcell wirkt innig und schlicht, ist durchwegs in Moll gehalten und klingt ungeachtet des optimistischen Texts erstaunlich melancholisch. Dreistimmige Chorstrophen mit Alt, Tenor und Bass wechselten ab mit Soloversen und instrumentalen Zwischenspielen, sodass alle Mitglieder von Barucco Vokal solistisch zum Zug kamen.
Händels Vertonung ist dagegen wesentlich ausladender und voll von dramatischen Effekten, die vor allem die Chorstellen beleben. Das im Text geschilderte Erdbeben mit Donner und Blitz wird höchst drastisch musikalisch umgesetzt. Die drei Tenorarien wurden ausgezeichnet gesungen von Hans Jörg Mammel und Hans-Jörg Gaugelhofer; in der Sopranarie zeigte Maria Ladurner ihr beachtliches Talent.
Im abschließenden Chor kommt dann endlich der strenge Kontrapunkt zu seinem Recht – eine typisch Händel’sche Fuge bringt das Werk zu einem strahlenden Abschluss.
Die hinreißende Leistung von Orchester und Vokalensemble wurde vom fachkundigen Publikum mit reichem, herzlichen Beifall belohnt. Barucco bedankte sich seinerseits mit der Wiederholung des Chors “Oh the pleasure of the plains” aus “Acis und Galatea”.
Dr. Rudi Frühwirth, 21. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Barucco Orchester und Vokalensemble
- Violine: Elisabeth Wiesbauer, Tokio Takeuchi, Daniela Henzinger
- Violine: Roswitha Dokalik, Monika Toth, Boyana Mayanalovska
Viola: Daniela Henzinger, Boyana Mayanalovska
Cello: Kaspar Singer
Kontrabass: Herwig Neugebauer
Oboe und Blockflöte: Andreas Helm, Elisabeth Baumer
Fagott: Dora Kiraly
Laute: Hans Brüderl
Cembalo und Orgel: Anne Marie Dragosits
Sopran: Johanna Rosa Falkinger, Maria Ladurner
Alt: Bernadett Nagy, Cornelia Sonnleithner
Tenor: Hans-Jörg Gaugelhofer, Hans Jörg Mammel
Bass: Matthias Helm, Stefan Zenkl