Daniel Karasek © Theater Kiel
Im zweiten Teil unseres Interviews sprechen Generalintendant Daniel Karasek und Generalmusikdirektor Gabriel Feltz zu den nächsten fünf Kieler Spielzeiten, der Ära Feltz. Und ich versuche beiden zu entlocken, ob es in Kiel zukünftig noch romantischer wird.
Jörn Schmidt im Gespräch mit Daniel Karasek und Gabriel Feltz – Teil 2
klassik-begeistert: Bereits in Ihrer ersten Saison stehen mit Mahler 3 und Bruckner 5 zwei hochromantische Schwergewichte auf dem Programm. Und das ist erst der Anfang, das lässt sich eigentlich nur noch mit Arnold Schönbergs Gurre-Liedern toppen?
Gabriel Feltz: Ich empfinde es als relativ normal, dass ein großes Orchester wie die Kieler Philharmoniker in einer Konzertsaison sowohl eine Bruckner- als auch eine Mahler-Symphonie spielt. Natürlich bin ich mit diesem Repertoire sehr vertraut und freue mich sehr darauf. Solche Kernpunkte des Repertoires mit den Kieler Philharmonikern zum ersten Mal arbeiten zu können. Mahler und Bruckner haben natürlich in meinen dirigentischen Leben bis jetzt immer eine sehr große Rolle gespielt. Die Schönberg’schen Gurre-Lieder habe ich noch nie dirigiert, ich finde das Stück sehr kompliziert. Auch wenn mein Repertoire sehr groß ist, dieser Kelch ging an mir vorüber.
klassik-begeistert: Bitte nehmen Sie mir das nicht übel, aber ich möchte die Frage gleich noch mal, nur in neuem Gewand stellen. Im Orchestergraben starten Sie mit zwei Premieren, die Richard Wagner, wenn man so will, regelrecht umzingeln: Rosenkavalier und La Traviata. Wird bald endlich wieder Wagner, vielleicht sogar ein neuer Ring, an der Kieler Oper gegeben?
Gabriel Feltz: Ich bin ein großer Wagnerianer, und wie Sie vielleicht wissen, habe ich bis zum Ende der Spielzeit 2024/2025 den ganzen „Ring“ in Dortmund zusammen mit dem Regisseur Peter Konwitschny realisiert. Ich wäre jederzeit offen für ein neues Abenteuer. Der „Ring“ ist etwas, das man nur als Fixpunkt im Leben eines Musikers beschreiben kann. Jede Beteiligte, von den kleinsten bis zu den größten Partien auf der Bühne, jeder Orchestermusiker und jede Orchestermusikerin im Graben, teilen die Ansicht, dass die Aufführung dieses Meisterwerks im Leben eines jeden Musikers etwas ganz Besonderes ist.
Daniel Karasek: Die Opern von Wagner und insbesondere der Ring sind alles Werke, über die man nachdenken kann, wenn man einen Generalmusikdirektor hat, der sich für diese Werke begeistert.
klassik-begeistert: La Traviata hat auf dem Rathausplatz Premiere, aber ich nehme an, Ihre Inszenierung ist so angelegt, dass sie 2025/2026 ins Opernhaus umziehen kann?
Daniel Karasek: Das ist so geplant.
klassik-begeistert: Oper Open Air auf dem Kieler Rathausplatz ist eine schöne Tradition. Seit wann eigentlich?
Daniel Karasek: Seit 2012. Wir starteten damals mit Puccinis „Tosca“.
klassik-begeistert: Aber wie steht’s dort mit der Akustik?
Gabriel Feltz: Dazu kann ich leider nichts sagen, weil ich noch gar keine Erfahrung habe. Fragen Sie mich das, wenn ich dort dirigiert habe, dann gebe ich Ihnen sehr gerne eine Antwort dazu.
Daniel Karasek: Die Akustik dort ist über Jahre geprüft und bisher noch nie beanstandet worden. Wir haben eine exzellente Veranstaltungstechnik im Rücken, die die Mikrofonierung und den hohen Standard des Sounds sicher garantieren kann.
klassik-begeistert: Christoph von Dohnányi ist 2018 an der Staatsoper Berlin kurz vor der Salome Premiere mit dem Regisseur Hans Neuenfels in Streit geraten. Ursächlich waren Bedenken musikalischer und akustischer Natur. Jochanaan sang eingesperrt in einem Phallus-Käfig oberhalb der Bühne und eben nicht aus einem tiefen, verhallten Brunnen heraus. Im Ergebnis warf der Dirigent das Handtuch. Haben Regiekonzepte Einfluss auf Ihre Arbeit?
Gabriel Feltz: Natürlich haben sie das. Es wäre töricht, wenn von der musikalischen Seite die Regie ignoriert werden würde. Das macht überhaupt keinen Sinn und selbstverständlich können wir im 21. Jahrhundert Oper auch nicht nur traditionell aufführen, wir brauchen Sichtweisen, die spannend sind, die innovativ sind, die vielleicht psychologische Aspekte anders betonen, als das in der Vergangenheit getan wurde. Es muss aber immer einen Sinn ergeben und es muss auch natürlich einen Kontext zur Partitur ergeben. Sehr oft ist das der Fall, und wenn es Situationen gibt, wo man als Musiker das Gefühl hat, dass es nicht so ist, dann kann man natürlich auch in die Diskussion mit der Regisseurin oder dem Regisseur gehen. Vieles kann man miteinander besprechen, vieles kann man lösen. Ich habe sehr viele gewagte Konzepte unterstützt, unter anderem habe ich mindestens zehn Premieren mit dem Regisseur Calixto Bieito gemacht und ich muss sagen, darunter gab es wirklich hervorragende gemeinsame künstlerische Symbiosen. Es kommt also im hohen Maße auf die Mitwirkenden an, sich in den Dienst der Sache zu stellen.
klassik-begeistert: Sie hätten die Berliner Salome also dirigiert?
Gabriel Feltz: Ich habe die Berliner Produktion nicht gesehen und kann das deshalb nicht genau beurteilen. Bis jetzt musste ich in meinem Leben jedenfalls noch nicht ein Veto oder eine Blockade gegenüber einer Regisseurin oder einem Regisseur verhängen. Ich bin immer der Meinung, dass es andere Wege gibt.
klassik-begeistert: Nehmen Sie auf Dirigenten und Sänger Rücksicht, wenn Sie inszenieren?
Daniel Karasek: Unbedingt, beide sind musikalisch die Hauptakteure und es wäre vermessen, auf ihre „Stimmen“ nicht zu hören.
klassik-begeistert: Ich hätte wetten mögen, dass Sie die Wiederaufnahme des Freischütz gereizt hätte. Blieb dafür keine Zeit? Sie sind ja auch noch in Dortmund und Belgrad unter Vertrag.
Gabriel Feltz: Ja, dieses Einarbeiten in Kiel war hier schon etwas ganz Besonderes. Als ich GMD der Landeshauptstadt Stuttgart und der Stuttgarter Philharmoniker wurde, hatte ich etwas mehr als ein Jahr Zeit, mich auf die neue Stelle vorzubereiten und einzuarbeiten. Als ich dann das Amt in Dortmund übernahm, waren es sogar mehr als 18 Monate, die ich als Vorbereitungszeit zugestanden bekommen habe. Hier in Kiel sind es eigentlich nicht mal wirklich sechs Monate gewesen und es war eine enorme Anstrengung, alles gut auf den Weg zu bringen. Aber ich denke, es ist soweit gelungen. In der ersten Saison werde ich, genau wie Sie richtig angemerkt haben, noch nicht vollständig zur Verfügung stehen können, da ich ja noch meinen Vertrag in Dortmund erfüllen muss und auch den Belgrader Philharmonikern vorstehe, aber in der Saison 2025/2026 möchte ich eine ganz normale GMD-Tätigkeit in Kiel absolvieren mit allen Dingen, die dazugehören und ich freue mich sehr auf diese neue Herausforderung.
klassik-begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Jörn Schmidt, 23. Juli 2024, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Den dritten und letzten Teil unseres Interviews mit Daniel Karasek und Gabriel Feltz lesen Sie morgen, 24 Juli 2024, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.
Camille Saint-Saëns, Samson und Dalila, Oper in drei Akten Opernhaus Kiel, 28. April 2024