„Ich glaube an die Kommunikationskraft der Musik“ – ein Interview mit dem Tenor Gustavo Eda

Interview mit Gustavo Eda von Dres. Regina und Andreas Ströbl   klassik-begeistert.de, 3. Februar 2024

Gustavo Eda © Marco Piecuch

Geboren in Brasilien, studierte Gustavo Eda traditionelle japanische Musik und klassischen Gesang an der Federal University of Minas Gerais in Brasilien. Er war Mitglied im Ars Nova Choir und im Libertas Ensemble. Mit der Internationalen Chorakademie Lübeck konzertiert er in mehreren Ländern unter bedeutenden Dirigenten.

Als Solist sang Gustavo Eda zahlreiche Tenorpartien u.a. in Werken von Bach, Purcell, Mozart, Mascagni, Wagner, Puccini und Janáček; als Mitglied des Thüringer Opernstudios an der Hochschule für Musik Franz-Liszt Weimar nahm er an mehreren Produktionen in Gera teil.

Derzeit ist der 36-Jährige Mitglied des Lübecker Opernelitestudios. Gastspiele gab er u.a. in Nordhausen und Rostock.

Das Interview führten Dres. Regina und Andreas Ströbl, die Gustavo Eda als Gastkoch in die heimische Küche einluden.

klassik-begeistert: Lieber Gustavo, frei nach Brecht, „Erst kommt das Essen, dann kommt der Gesang“. Was hast du für uns gekocht?

Gustavo Eda: Ich habe heute Galinhada gekocht, ein Gericht aus Belo Horizonte, meiner Heimatstadt. Es wird mit Reis, Hühnerfleisch, verschiedenen Gemüsen und Kurkuma gemacht.

klassik-begeistert: …und viel Knoblauch!

Gustavo Eda: Sehr viel! Ich habe ungefähr 10 Zehen hineingetan, aber es ist frischer Knoblauch.

klassik-begeistert: Vermisst du hier eigentlich die brasilianische Kultur, die Menschen, das Essen, die Sonne oder sonst etwas?

Gustavo Eda: Ich vermisse all das aus Brasilien, außer ein paar Aspekten. Manche Leute in Brasilien sind nicht so seriös. Ihr wisst, wen ich meine… Ich vermisse aber meine Familie sehr.

klassik-begeistert: Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?

Gustavo Eda: Ich habe erst als Heavy-Metal-Sänger angefangen, als ich 16 oder 17 war. Dann hatten wir in Brasilien eine Queen Cover Band. Ich habe alle Lieder von Queen gesungen; Freddy Mercury war für mich damals der größte Künstler. Als es die Band nicht mehr gab, habe ich über die japanische Gemeinschaft in Brasilien die traditionelle Musik Japans kennengelernt und dann alles studiert, die alte japanische Flöte Shakuhachi, Laute und Gesang. Ich habe das in Japan perfektioniert, zwei Jahre dort als Korrepetitor gearbeitet und verschiedene Kunstformen wie Kabuki erlernt.

Für einen Ausländer waren die Möglichkeiten aber sehr begrenzt und so bin ich zurück nach Brasilien gegangen. Aus Spaß habe ich mich mit klassischer Musik befasst; ich habe am Konservatorium dort gleich die Aufnahmeprüfung geschafft und dann den Bachelor gemacht.

klassik-begeistert: Wir haben dich neulich in Rostock als Rodolfo in der Bohème gesehen. Gerade in der Finalszene warst du ein unglaublich charmanter und sensibler Rodolfo. Was passiert da in dir?

Gustavo Eda: Ich habe bis zur Generalprobe jedes Mal in der Szene geweint. Bei der Premiere habe ich mich aber zusammengerissen. Rodolfo hat so eine Unruhe in sich; er versteht nicht, was passiert und das verstört auch mich im Inneren.

klassik-begeistert: Ist Rodolfo ein realitätsferner Bohémien oder ein echter Idealist, mit dem die Beziehung mit Mimì auch hätte laufen können?

Gustavo Eda: Meiner Meinung nach ist Rodolfo grundsätzlich ein Idealist. Er will seine Träume verwirklichen, aber er weiß nicht, wie.

klassik-begeistert: Warum sieht er nicht, wie es Mimì wirklich geht? Versperrt ihm die Eifersucht den Blick?

Gustavo Eda: Sein Charakter lässt das nicht zu. Er ist schon echt in sich selbst, aber merkt nicht, wie es den anderen tatsächlich geht.

klassik-begeistert: Also ein Egomaner, der nicht wirklich beziehungsfähig ist?

Gustavo Eda: Grundsätzlich ist er schon beziehungsfähig, aber ihm fehlt die Reife. Das ist ja auch ein bisschen der Puccini-Blick, so wie Don Giovanni. Der hat immer alle Frauen geliebt, es gibt ein System in seinem Kopf und wenn es nicht läuft, dann eben „tschüss“. Aber ich glaube schon, dass er die Mimì wirklich liebt. Er kann nur nicht über seinen Schatten springen.

klassik-begeistert: Du hast jetzt einen tollen Rodolfo hingelegt, du hast hier in Lübeck großartige Sachen gemacht z.B. Lenski in „Eugen Onegin“ – was sind deine Pläne für die Zukunft?

Gustavo Eda: Mein Vertrag in Lübeck geht leider jetzt zu Ende. Aber ich bereite anderes vor, zum Beispiel das Verdi-Requiem, Turandot und Ariadne auf Naxos. Ich habe einen Vertrag mit der Oper Trier für die nächste Spielzeit.

klassik-begeistert: Wir haben dich in einer mit einer wunderbaren Gralserzählung hier in Lübeck erlebt. Ist der Lohengrin eine Wunschrolle von dir?

Gustavo Eda: Oh ja. Hier habe ich das leider nicht geschafft.

klassik-begeistert: Du bist ja ein Puccini-Sänger, du hast diesen Schmelz und Lohengrin ist ja eigentlich auch eine etwas italienisch angelegte Rolle. Puccini und Wagner geht für dich ohne weiteres, oder?

Gustavo Eda: Ohne Problem! Und alle Wagner-Opern, die sich ein bisschen lyrisch-italienisch anfühlen, also Holländer, Lohengrin, Parsifal, Rienzi, Meistersinger, die könnte ich mir für mich vorstellen. Ansonsten würde ich gerne Massenets Werther oder Andrea Chénier machen. Am allerliebsten würde ich aber in Puccinis „La fanciulla del West“ singen.

klassik-begeistert: Jetzt sind wir bei dem Mädchen aus dem Goldenen Westen. Dann können wir gleich ganz weit in den Fernen Osten gehen. Die japanische Musik und Kultur sind für dich ja ganz wichtig. Wie kommt’s?

Gustavo Eda: Es hat alles in diesem japanischen Kulturbereich in Brasilien angefangen. Da gab es viele Japaner, die Volksmusik singen wollten. Die hatten aber keinen Begleiter. Deswegen habe ich Flötespielen gelernt und hatte meine Beschäftigung mit japanischer Musik in Brasilien.

Gustavo Eda © Andreas Ströbl

klassik-begeistert: Du verbindest in dir ja mehrere Ethnien und somit Kulturen durch deine Herkunft.

Gustavo Eda: Ja, ich bin Italiener, Japaner, Portugiese und Brasilianer. Und um die abgebrochene Verbindung nach Japan zu meinen Vorfahren wiederherzustellen, habe ich angefangen, japanisch zu lernen, um die eigenen Wurzeln zu finden und die mit dem Ganzen zu verbinden.

klassik-begeistert: Du bist selbst gebürtiger Brasilianer. Warum kennt man hier keine brasilianischen Opern? Gibt es eine brasilianische Opernliteratur?

Gustavo Eda: Wir haben einen sehr berühmten Komponisten, der sogar mit Fauré studiert hat, Antônio Carlos Gomes.

klassik-begeistert: Von dem ist doch Maria Tudor, eine meiner Lieblingsopern! Zum Niederknien schön, aber das kennt hier kaum jemand. Was würdest du dir an südamerikanischer Musik hier mehr vertreten wünschen?

Gustavo Eda: Die Kunstlieder Brasiliens. Davon gibt es sehr viele und die sind zauberhaft für Gitarre und Singstimme komponiert. Mir fallen sicher 15 Komponisten ein, die traumhafte Lieder geschaffen haben. Villa-Lobos kennt man hier natürlich, aber es gibt ganz viele Namen, von denen hier noch niemand was gehört hat.

Ich glaube an die Kommunikationskraft der Musik. Musik ist die Universalsprache und dass man die Musik anderer Kulturen verstehen kann, ist eine ganz große Sache für mich!

klassik-begeistert: Lieber Gustavo, vielen Dank für dieses Gespräch! Kann ich noch was von der Galinha bekommen?

Dres. Regina und Andreas Ströbl, 3. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 Interview mit Hans Martin Gräbner von Dr. Andreas Ströbl klassik-begeistert.de, 13. August 2023

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