Prof. Piotr Sułkowski, © Mieczysław Wieliczko
Das Gespräch mit Professor Piotr Sułkowski, dem Künstlerischen Leiter der Krakauer Oper, führte Jolanta Łada-Zielke.
klassik-begeistert: Du hast das Amt des Direktors der Krakauer Oper im Jahr 2023 angetreten, also noch in der Zeit nach der Pandemie, als die künstlerischen Institutionen ihre Tätigkeit wieder aufnahmen. Damals versuchte man, die verlorene Zeit aufzuholen, so dass sich die Projekte oft stapelten und anhäuften. War dies auch in Krakau der Fall?
Prof. Piotr Sułkowski: Ich musste nichts nachholen, sondern ich fing an, mein eigenes Konzept für die Aktivitäten der Oper zu verwirklichen. Da 2023 das Jubiläumsjahr von Nicolaus Kopernikus war, schlug ich eine völlig neue Produktion vor, die nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine pädagogische Botschaft enthält. Das Ergebnis war „Kopernikus“ – ein farbenfrohes und tanzbares Musical mit wunderschöner Musik, herrlichen Kostümen und einem atemberaubenden Bühnenbild, das den großen Astronomen nicht nur als Wissenschaftler zeigt, sondern auch als einen ganz normalen Menschen, der jeder von uns sein könnte.
Das Spektakel richtet sich an ein breites Publikum, und selbst sehr junge Kinder schauen, hören und saugen das Wissen mit angehaltenem Atem auf.
Wir erhalten viele wunderbare Kritiken und Dankesschreiben für diese interessante und zugängliche Art, das Leben unseres großen Astronomen, Wissenschaftlers, Arztes, Priesters und Verteidigers der Stadt Olsztyn vor den Ordensrittern zu präsentieren.
klassik-begeistert: In eurem Programmangebot gibt es spezielle Vorstellungen für ein junges Publikum, an denen auch die Mitglieder des Kinderchors der Oper teilnehmen.
Prof. Piotr Sułkowski: Ich denke, den meisten Kulturinstitutionen auf der ganzen Welt ist der Bildungsaspekt ihrer Aktivitäten wichtig, und sie suchen nach interessanten Vorschlägen insbesondere für ein junges Publikum. Die heutige Welt ist schnelllebig, in der virtuellen Realität ist alles sofort verfügbar und die Nutzung von Mobiltelefonen ist weit verbreitet. Oft sieht man Bilder von den Jüngsten auf einem Schulausflug in ein Museum, die, anstatt sich die Exponate anzusehen, die Bildschirme von ihren Smartphones anstarren.
Deshalb ist es notwendig, geeignete und attraktive Projektideen zu haben, die Kinder und Jugendliche mitmachen wollen. Diese sind auch UNSERE Aufgabe und Mission. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass Oper und Theater eine solche Möglichkeit bieten und das Publikum mit einer Art Magie, sowohl visuell als auch musikalisch, in ihren Bann ziehen können. Die Kinder aus unserer Region haben die Möglichkeit, nicht nur Zuschauer, sondern auch Künstler zu sein, indem sie zum Beispiel als Mitglieder des Ballettstudios oder des Kinderchors der Krakauer Oper an Aufführungen teilnehmen, zu denen ich sie herzlich einlade.
klassik-begeistert: Ich sehe, dass Du zum Repertoire nicht nur die Titel auswählst, die hohe Besucherzahlen garantieren, wie „Carmen“ und „Nabucco“, sondern auch ganz neu geschaffene Werke, wie im letzten Jahr die Oper „Wanda“ von Joanna Wnuk-Nazarowa.
Prof. Piotr Sułkowski: Ich lege großen Wert auf ein abwechslungsreiches Programm, sowohl in Bezug auf die Form als auch auf die Anerkennung und den Zeitpunkt der Komposition. Deshalb gibt es neben den bekannten Titeln nur in unserem Theater eine Oper der herausragenden polnischen Komponistin Professor Joanna Wnuk-Nazarowa mit dem Titel „Wanda“ zu sehen. Die ist ein musikalisch sehr interessantes Stück, das eine andere Geschichte als die Legende erzählt.
In dieser Oper will der legendäre deutsche Prinz Rytyger die Krakauer Prinzessin heiraten, nicht um ihr Land zu erobern, sondern weil er sie liebt! Man kann auch die einzige von Karol Szymanowski komponierte Operette „Die Lotterie für Ehemänner oder der Verlobte Nr. 69″ sehen, die wir im Rahmen von ersten Baltic Opera Festival 2023 aufgeführt haben. Natürlich umfasst das reguläre Repertoire auch bekannte Titel, deren Aufführung wir mit größter Sorgfalt von der Premiere behandeln, weil wir dessen bewusst sind, dass es für jemanden die allererste Opernaufführung in seinem Leben sein kann.
klassik-begeistert: Die Krakauer Oper hat hervorragende Solisten, wie ich am 4. Februar 2024 in „Carmen“sehen und hören konnte. Aber treten hier auch die Weltstars auf?
Prof. Piotr Sułkowski: Vielen Dank für diesen Kommentar und die Wertschätzung. Wir haben ein sehr gutes Ensemble mit hervorragenden Solisten und arbeiten ständig auf höchstem Niveau. Wie in Opernhäusern auf der ganzen Welt üblich, laden wir von Zeit zu Zeit auch Gastsolisten ein.
Das ist auch die Erwartung von Musikliebhabern, die andere Stimmen hören wollen. Sie können ebenfalls bei uns jene Sängerinnen und Sänger hören und sehen, für die viele Fans in die Opernhäuser Europas und der Welt reisen.
klassik-begeistert: Wer von den Weltstars der Opernbühne wird in der nächsten Zeit in Krakau auftreten?
Prof. Piotr Sułkowski: Bei der bevorstehenden Premiere von „Nabucco“, die am 9. und 10. März 2024 stattfindet, werden unter anderem Andrzej Dobber und Leszek Skrla in der Titelrolle, sowie Oksana Nosatowa, Jolanta Wagner, Taras Shtonda, Grzegorz Szostak, Elżbieta Wróblewska und Łukasz Gaj zu hören sein. Diese groß angelegte Produktion ergänzen wir mit Sängern des Krakauer Philharmonischen Chors, weil der der Chor in dieser Oper eine Hauptrolle spielt. Die Inszenierung steht unter der Regie von Maria Sartova und der musikalischen Leitung von José Maria Florêncio. Nach der Premiere spielen wir „Nabucco” von 13. bis zum 17. März an jedem Abend.
klassik-begeistert: Wird die Krakauer Oper wie gewohnt das Sommer-Opernfestival veranstalten?
Prof. Piotr Sułkowski: Ja, das Jubiläumsfestival der Krakauer Oper findet vom 10. Mai bis zum 15. Juli im Krakauer Opernhaus sowie im Wawel-Schloss und im Botanischen Garten statt. Auf dem Programm stehen unter anderen Puccinis „Tosca“ mit weltberühmten Solisten – Izabela Matuła, Andrzej Dobber und Tadeusz Szlenkier – sowie eine Operngala im Arkadenhof des Wawel-Schlosses. Wir planen eine Ballettpremiere nach der Geschichte von Carmen, die der Operndirektor des Balletts Jacek Tyski inszeniert hat. Im Botanischen Garten werden wir Imre Kálmáns „Gräfin Mariza“ präsentieren.
Nach den Sommerferien beginnen wir die neue Spielzeit im September 2024 mit einem weiteren Jubiläum, diesmal dem 70-jährigen Geburtstag unserer Oper. Wir werden eine brandneue Inszenierung „Bona Sforza – 3x Bona“ aufführen, die besonders für diesen Anlass geschrieben und als Koproduktion mit der Oper von Bari realisiert wird, woher die Königin Polens Bona Sforza (1494-1557) stammte.
klassik-begeistert: Bei „Carmen” am 4. Februar 2024 war ich von den Chorsängern ebenfalls begeistert, weil sie sich nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch und choreographisch hervorragend präsentieren. Und der Kinderchor ist eine echte Perle, weil die Kinder auf der Bühne sehr diszipliniert und gleichzeitig äußerst musikalisch agieren.
Am 7. April werden sie in einem Sonderkonzert mit der Musik von Ennio Moricone und mit dem weltberühmten Geiger Konstanty Andrzej Kulka in Krakau auftreten.
Prof. Piotr Sułkowski: Ich höre oft solche Rückmeldungen, und das macht mich sehr glücklich. Die Auftritte der Kinder von unserem Chor zaubern meist ein Lächeln und Freude ins Publikum. Man muss natürlich wissen, dass es für diese jungen Künstler regelmäßige Proben, viel Aufopferung und harte Arbeit bedeutet. Im Gegenzug erhalten sie die Möglichkeit, mit wunderbaren Künstlern zusammenzuarbeiten und auf der Bühne aufzutreten.
klassik-begeistert: Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges haben viele Kultureinrichtungen in der ganzen Welt ukrainische Künstler eingestellt, die ihr Heimatland verlassen mussten. Hat die Krakauer Oper auch jemanden von dort in das Ensemble oder in den technischen und administrativen Bereich aufgenommen?
Prof. Piotr Sułkowski: Die Krakauer Oper hat den Menschen aus der Ukraine in dieser schwierigen Zeit eine große Hilfe geleistet. Zu unserem Ensemble gehören viele ukrainische Künstler, die seit vielen Jahren in unserem Land leben. Für Kinder bereiteten wir eine spezielle polnisch-ukrainische Aufführung vor. Dies war ein Märchen, das, wie ich glaube, den Jüngsten geholfen hat, das Trauma des Krieges zu bewältigen. Wir haben einen ausgezeichneten ukrainischen Fotografen, der seine Arbeit bei uns erst nach Ausbruch des Krieges angefangen hat.
klassik-begeistert: Ich erinnere mich an die Zeiten, als es in Krakau nur die Operette als eigenständige Institution gab und die Oper und die großen Ballettaufführungen im Stadttheater (Słowacki-Theater) stattfanden. Wie sieht in dem Repertoire das jetzige Verhältnis zwischen Oper und Operette aus, die in Krakau eine besondere Aufführungstradition hat?
Prof. Piotr Sułkowski: Tatsächlich gab es hier früher zwei Theater, von denen das eine auf Operette und das andere auf Oper spezialisiert war. Nach dem Bau des neuen Gebäudes legte man die Repertoires zusammen und verlagerte den Schwerpunkt auf die Oper. Krakau hat jedoch eine reiche Tradition der Operettenaufführung. In der Vergangenheit kamen die Musikliebhaber aus ganz Polen zu den Vorstellungen mit der herausragenden Operettensängerin Iwona Borowicka. Aufgrund zahlreicher Anfragen und der Erwartungen von Operettenfans beschloss ich daher, das Repertoire um dieses Musikgenre zu erweitern.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Operette, auch wenn sie einfach und angenehm erscheint, in Wirklichkeit eine große schauspielerische Leistung in Kombination mit Gesang und Text erfordert. Neben Opern-, Operetten- und Ballettaufführungen umfasst unser aktuelles Repertoire auch Musicals, denn ich möchte, dass unser Theater für alle da ist!
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.
Jolanta Łada-Zielke, 29. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Prof. Piotr Sułkowski absolvierte sein Studium Dirigieren und Musikpädagogik an der Musikhochschule in Krakau mit Auszeichnung.
Er verfügt über langjährige Opernerfahrung, die er während seiner Tätigkeit als Dirigent und späterer künstlerischer Leiter an der Krakauer Oper, sowie an der Wildwood Festival Opera AR (USA) sammelte. 2010 bereitete er in Pamplona (Spanien) die Premiere von Bizets „Carmen“ mit dem Orquesta Sinfonica de Navarra vor und führte das internationale Opernprojekt mit Beethovens „Fidelio“ zu Ehren der Opfer des Holocaust durch. Im Jahr 2019 bereitete er Mozarts „Figaros Hochzeit“ mit der Warschauer Kammeroper vor und machte damit eine Tournee durch Japan.
Professor Sułkowski ist Initiator und künstlerischer Leiter der Musikfestivals in Polen sowie Träger mehrerer angesehener Preise und Auszeichnungen. Er arbeitet mit vielen Orchestern im In- und Ausland zusammen. Im Jahr 2016 unternahm er eine Tournee mit den Preisträgern des Internationalen Henryk-Wieniawski-Wettbewerbs für Violine, die ein Konzert beim Internationalen Violine-Festival in St. Petersburg mit Maxim Vengerov krönte. 2018 trat Sułkowski mit dem Buffalo Philharmonic Orchestra auf und dirigierte er eines der Konzerte des Krzysztof Penderecki Festivals anlässlich des 85. Geburtstags des Komponisten.
Professor Sułkowski lehrt an den Musikhochschulen in Krakau und in Bydgoszcz. Er leitet Meisterkurse für Dirigenten in Spanien.