Ein Jazzabend der Extraklasse mit Izabella Effenberg in Nürnberg

Izabella Effenberg, Lars Danielsson, Magnus Öström,  Ofenwerk Nürnberg, 31. Januar 2020

Foto: © M. Striegl

Ofenwerk Nürnberg, 31. Januar 2020

Izabella Effenberg: Vibraphon, Array Mbira, Glasharfe
Lars Danielsson: Kontrabass
Magnus Öström: Schlagzeug, Percussion

von Petra Spelzhaus

Wenn ein junges aufstrebendes Jazzfestival eine Liaison eingeht mit einer Jazzkonzertreihe in einer außerordentlichen Location, droht es ein magischer Abend zu werden.

So geschehen am letzten Januarabend dieses Jahres, als wir mit 350 anderen Gästen in der wunderschönen ausverkauften Industriehalle des Ofenwerks – die übrigens eigens für das Konzert mit Oldtimern geschmückt wurde – auf ein außergewöhnliches Trio warten.

In die Stille mischen sich sphärische Klänge. Die Vibraphonistin Izabella Effenberg zupft die Array Mbira, eine große chromatische Kalimba. Sie entlockt ihr Klänge, die an schnelle plätschernde Regentropfen während eines Spaziergangs durch ein bayerisches Dorf mit dem fernen Klang von Kirchen- oder alternativ Kuhglocken erinnern.

Gleich zu Beginn des Konzertes stellt Izabella Effenberg, Veranstalterin des Festivals, klar, warum der Abend dank der Zahl sieben unter einem guten Stern steht: Die 1977 geborene Künstlerin ist 2007 aus Polen nach Deutschland gekommen und darf beim siebten Vibraphonissimo das siebte Konzert spielen.

Das Vibraphonissimo-Festival der Metropolregion Nürnberg wurde 2014 von Izabella Effenberg ins Leben gerufen, um dem Vibraphon, einem rund 100-jährigen Exoten unter den Jazzinstrumenten, das ihm gebührende Forum zu bieten. Kein geringerer als Louis Armstrong soll das Instrument während einer Studioaufnahme entdeckt und Lionel Hampton motiviert haben, es zu spielen. Dieser fand Gefallen daran und machte die metallene Weiterentwicklung der Marimba im Jazz populär. Es folgten weitere Virtuosen auf dem Instrument wie Milt Jackson oder Gary Burton.

Izabella Effenberg ist eine der wenigen Jazz-Vibraphonistinnen in Europa und die erste in Polen. Sie studierte zunächst fünf Jahre klassisches Schlagzeug in Posen und Danzig, absolvierte dann ein Jazzstudium und schloss einen Masterstudiengang Jazz Mallets an der Musikhochschule in Nürnberg ab. Sie hat ein Faible für seltene Instrumente. So kommen bei ihren Auftritten neben besagter Array Mbira auch eine Glasharfe – diese schaut aus wie ein großes Tablett mit Weingläsern verschiedener Größe – zum Einsatz. Mittlerweile trat Effenberg mit vielen namhaften Künstlern auf und auch als Komponistin zunehmend in Erscheinung. Dass dieser musikalische Tausendsassa zudem noch achtfache polnische Karate-Meisterin ist, verwundert hier nur wenig.

Nach dem Soloeinstieg Effenbergs in den Konzertabend betreten zwei schwedische Stars der europäischen Jazzszene die Bühne: Lars Danielsson am Kontrabass und Magnus Öström an Schlagzeug und Percussion.

Das nun folgende Stück „Fuga“ hätte auch dem alten Meister Bach gefallen. Ein leises elegisches Vibraphon wird begleitet vom gestrichenen Bass und dezenten Glöckchen. Die Musik verdichtet sich, der Bass singt. Das Thema auf dem Vibraphon wird begleitet durch einen lyrisch gezupften Bass, das folgende Bass-Solo wiederum begleitet von mit Bassbogen gestrichenen Klangplatten des Malletinstruments. Der Groove wird aufgenommen, ein melodisch kraftvolles Vibraphon-Solo wird immer wilder, unterstützt durch den fulminant wirbelnden Öström an den Drums.

„Herr Doktor Doktor“ von Izabella Effenberg startet mit einem freien atonalen Intro. Das rhythmuslastige Stück ruft unterschiedliche Assoziationen hervor: Meine Begleitung wähnt sich auf einer Intensivstation während einer Reanimation. Ich hingegen sehe einen Urwalddoktor inmitten von Buschtrommeln vor meinem geistigen Auge.

„From Gargarins Point of View” von Esbjörn Svensson wird in einer beeindruckenden geradezu hypnotischen Version auf der Glasharfe mit düsterer Drum-/Bass-Begleitung präsentiert, Gänsehaut!

Es folgt „Africa“ von Lars Danielsson. Nach einem warmen butterweichen Bass-Solo entwickelt sich ein äußerst fröhliches energiegeladenes Stück, bei dem die Musiker vor Spielfreude strotzen.

Lars Danielsson hat zunächst klassisches Cello studiert. Nachdem er den legendären Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen live erlebte, widmete er sich der Jazzmusik und dem Bass zu. Sehr zur Freude der nachfolgenden Generationen, entwickelte sich Danielsson selbst mit seinem melodiösen, weichen und warmen Bassspiel zu einem der meistgefragten und inspirierenden Jazzmusiker unserer Zeit.

Nach der wohlverdienten Pause ging es wiederum mit einer Komposition Danielssons weiter: „Asta“ Das Thema auf der Glasharfe gespielt, erinnerte an die Filmmusik Ennio Morricones.

Nach „Tuesday Wonderland“ (e.s.t.) folgt der nächste Gänsehautmoment: die warm und melancholisch mit gläsernem Sound und viel Hall vorgetragene „Ballad for E“, die Magnus Öström seinem Freund und Musikerkollegen Esbjörn Svensson gewidmet hat.

Der Schlagzeuger Magnus Öström war Mitglied des legendären Esbjörn Svensson Trios (e.s.t.), einer der erfolgreichsten Jazzformationen Europas. Die Band löste sich 2008 nach dem tragischen Tod Svenssons nach einem Tauchunfall auf. Öström gründete 2010 sein eigenes Quartett und erntete mit dem Album „Thread of Life“ (2011) eine schwedische Grammy-Nominierung sowie einen Jazz-Echo. Selbstredend ist auch er mit dem „Who is who“ der Jazzszene aufgetreten. Er ist u. a. Mitglied der Band von Lars Danielsson.

Romantisch geht es weiter mit Effenbergs polnischer Ballade „Tesknota“, mit singender Säge, Array Mbira, elektronischen Sounds und viel Hall.

Dass die Band auch ganz anders kann, stellt sie im letzten Stück unter Beweis: „Dodge the Dodo“ (Esbjörn Svensson). Nach einem modalen Vibraphon-Solo über einem repetitiven Bassriff verdichtet sich das Spiel zu einer hochenergetischen Rocknummer, die einen geradezu in Trance versetzt mit einem Öström in Höchstform.

Izabella Effenberg sollte Recht behalten. Die Zahl sieben war nicht nur ein gutes Omen für die Musiker, sondern sie hat auch das Publikum in einen Glücksrausch versetzt. So durfte es eine Band erleben, die als Einheit von drei gleichberechtigten Musikern harmonierte. Das Trio agierte virtuos mit großer stilistischer Bandbreite und viel Platz für Improvisation. Bravo! Einziger Wermutstropfen: Nach nur einer Zugabe wurde das Publikum bereits nach Hause geschickt.

Dafür zeigten sich die Künstler nach dem Konzert äußerst nahbar. So gab es die Möglichkeit eines kurzen Plauschs mit dem Publikum, es wurden Fotos gemacht und Autogramme geschrieben, während die Oldtimer-Deko aus der Halle des Ofenwerks rollte.

Wer dieses bemerkenswerte Konzert nachhören möchte, hat am 11.03.2020 um 23:05 in der Jazztime auf BR Klassik Gelegenheit.

Petra Spelzhaus, 02. Februar 2020, für
klassik-begeistert.de

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