Tarmo Peltokoski © Peter Rigaud
Konzert „Klangvolle Melancholie“
Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr.25 g-Moll KV 183
Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr.5 Es-Dur op. 73
Jean Sibelius Sinfonie Nr.5 Es-Dur op. 82
Jan Lisiecki Klavier
Tarmo Peltokoski Dirigent
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Bremer Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, 10. Oktober 2024
von Dr. Gerd Klingeberg
Es sind gewiss nicht erst die letzten drei großen Sinfonien Nr. 39 bis 41, die Wolfgang Amadeus Mozart als einen Meister dieser kompositorischen Gattung ausweisen. Auch seine erste Moll-Sinfonie Nr.25 gehört dazu, ist doch bei ihr von der Unbeschwertheit und Lieblichkeit einer „Kleinen Nachtmusik“ nur noch wenig zu spüren.
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, wieder einmal unter dem umsichtigen Dirigat ihres jungen „Principle Guest Conductors“ Tarmo Peltokoski, unterstrich diese Einordnung mit einer Aufführung, die von Beginn an auf ausgeprägte dynamische Kontraste und scharfkantige Konturierung setzte. Die zumeist straffen, sich eher an der Obergrenze der jeweiligen Vorgaben bewegenden Tempi, bei denen dennoch keine Feinheiten verloren gehen, ist man bei diesem exzellent aufspielenden Orchester ohnehin gewöhnt, ebenso wie eine zumeist markante Akzentuierung, die gern mal geradezu ruppig anmuten darf.
Davon profitierten besonders die beiden Ecksätze, vorrangig der Schlusssatz: Nach einer nur knappen, vorsichtig ausgeführten Startphase ging es zunehmend energisch und ungeduldig drängend voran. Kurze, etwas bedächtiger angegangene Passagen sorgten für neue Energieschübe, teils auch für eine heitere Note, befeuerten jedoch vor allem weiterhin den ungestüm schnellatmigen Sturmlauf. Manch einem, der Mozart eher weniger rasant in Erinnerung hat, mochte diese Interpretation gewiss etwas gewöhnungsbedürftig anmuten. In ihrer Gesamtheit erwies sie sich indes als absolut schlüssig. Und zudem als perfekt passende Überleitung zum anschließenden Klavierkonzert Nr.5 von Ludwig van Beethoven.
Auch dabei setzte das Orchester eingangs mit wuchtigen Akkorden klare Markierungen für eine Herangehensweise, die dem kämpferisch-heroischen Charakter des Konzerts in jeder Hinsicht angemessen war. Der kanadische Starpianist Jan Lisiecki unterstrich dies gleichermaßen mit markant gesetztem Anschlag. Immer wieder überraschte dabei seine stupende Spieltechnik: Selbst in extrem schnellen Tempi spielte er souverän die unzähligen Läufe punktgenau und mit Uhrwerkspräzision herunter, ging dabei mitunter in ein vorsichtiges Rubato oder nahm sich dynamisch spannungsfördernd kurz zurück – um danach umso mehr aufzutrumpfen. Das Orchester agierte zumeist in optimaler Anpassung, drängte indes im Rausch des Geschehens den Solisten zeitweise mit allzu wuchtigen Fortissimos in den Hintergrund.
Nach diesem großformatigen Eingangssatz fühlte sich das ungemein stark kontrastierende, sehr feinfühlig vorgetragene Mittelsatz-Adagio beinahe wie eine Erholung an. Jede einzelne Note, jeden behutsamen Anschlag schien Lisiecki genussvoll auskosten zu wollen in fast schon meditativ anmutender dezenter Klangfarbigkeit. Ausnehmend intensiv gestalteten Solist und Orchester den zunehmend zögerlichen, beinahe zum Stillstand kommenden Spielfluss zum Satzende, aus dem sich unvermutet das spritzig pulsierende Finalsatz-Rondo erhebt. Und jetzt schien es kein Halten mehr zu geben. Klavier und Orchester lieferten sich auf Augenhöhe einen springlebendigen Wettlauf, der, von nur wenigen ruhigeren Phasen unterbrochen, mehr und mehr als nahezu ungebremstes Presto mit größtmöglicher Stringenz unerbittlich auf die wuchtig donnernden Schlussakkorde zurollte.
Lisiecki verabschiedete sich mit einer zum vorherigen Konzert maximal kontrastierenden Zugabe, nämlich der ausnehmend berührend vorgetragenen kleinen „Arietta“ aus den „Lyrischen Stücken“ op. 12 von Edvard Grieg.
Nordische Klangfarbigkeit, allerdings von gänzlich anderem Kaliber, bestimmte dann auch die zweite Konzerthälfte: Die Sinfonie Nr. 5 von Jean Sibelius ist gewiss nicht weniger stimmungsvoll, jedoch selten aquarellös luzid, sondern weitaus dichter in ihrer kumulierenden, häufig gar bis ins Dramatische aufbäumenden Melange gewaltiger Klangflächen. Die darüber sich erhebenden Motive einzelner Instrumente wirkten dabei wie ein sanftes Leuchten aus anderen Sphären. Melancholie und liebliche Heimeligkeit, aber auch mystische Momente vermittelte der romantisch kantable Andante-Mittelsatz mit tänzerisch-folkloristischem Einschlag und pointiert tremolierenden und gepizzten Streicherpartien.
Aber das Majestätische, das Sibelius dereinst beim Anblick von sechzehn kreisenden Schwänen empfunden hatte – „Einer der stärksten Eindrücke meines Lebens!“ wie er es selbst einmal beschrieb – das kam vor allem im Finalsatz im lang angelegten dynamischen Aufbau gigantischer Klangwogen zum Ausdruck.
Doch Peltokoski forderte noch mehr an kraftvollem Fortissimo. Und das Orchester wuchs geradezu über sich hinaus bis hin zu den sechs letzten martialischen Tuttischlägen, bedrohlich donnernd wie Thors Hammer, und jeweils unterbrochen von Augenblicken absoluter Stille: Ein ebenso pompöser wie überraschender Schluss von unnachahmlicher Wirkung, der die begeisterten Zuhörer zu stürmischem Beifall und Fußgetrampel von den Plätzen riss.
Dr. Gerd Klingeberg, 11. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Igor Levit, Klavierabend Die Glocke, Bremen, 4. September 2024