Foto: Janoska Ensemble © Julia Wesely
Ganz fein und konventionell noch die ersten Noten, dann zünden die vier Solisten den Turbo. Aus freudig wird feurig, die Bühne explodiert nahezu vor Energie! Mozart voller fetziger Improvisation, so macht diese Musik erst richtig Spaß.
Janoska Ensemble
Wiener Kammerorchester
Christoph Koncz, Dirigent
Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Liszt, František Janoska und Peter Iljitsch Tschaikowsky
Konzerthaus Wien, Mozart-Saal, 12. März 2023
von Johannes Karl Fischer
Nach dem Figaro ist vor dem Figaro. Am Vorabend noch Premiere in der Staatsoper, samt freudig tanzender Ouvertüre, wunderbar musiziert von den guten alten Wiener Philharmonikern. Nun ist es halb elf Uhr morgens. Am Sonntag. Hanna-Elisabeth Müllers bei momenti klingen fleißig nach. Und wieder startet die Figaro-Ouvertüre. Diesmal ganz anders: Janoska-Style.
Jeder Dirigent, jede Dirigentin, der oder die sich mit diesem Stück beschäftigt, sollte sich unbedingt die Figaro-Ouvertüre Janoska-Style anhören. Denn diese vier Musiker haben Mozart verstanden. Vor allem, wie man in dieser zauberhaften zweihundert Jahre alten Musik neues Leben erweckt.
Das ist Musik für hohe Herzfrequenz, Musik zum Mitfiebern. Der Csárdás, die freudige Lebenslust – so wie es prompt am ersten Jänner heißt – fegt durch den Mozart-Saal. So klingt der wahre Geist dieser Musik, die Zeitlosigkeit des Salzburger Altmeisters!
Und das Publikum ist völlig aus dem Häuschen, so viel Beifall habe ich noch nie in so einem kleinen Raum bei einem Klassik-Konzert erlebt! Hätte der Namensgeber des Saals heuer gelebt, er hätte mit genau dieser Begeisterung seine Opern-Ouvertüren dirigiert. Und dafür Jubelstimmung am Galerie-Stehplatz geerntet.
Doch dieses Ensemble kann auch anders. Nicht nur feurig mit vielen Noten, sondern auch träumerisch mit reichlich Liebe. Die innerliche Zerrissenheit des Liszt’schen Liebestraums erreicht eine neue Dimension, wenn neben dem ursprünglichen Klavier zwei Geigen in perfekter Harmonie die Melodien aus tiefstem Herzen mitsingen. Man spürt, wie Liszt träumt, seufzt und liebt. Ein Werk für geschlossene Augen. Nun herrscht die Magie der Stille.
Janoska-Style wäre nicht Janoska-Style ohne Eigenkompositionen des Pianisten František Janoska. Eine Esterhazy-Rhapsodie und ein Rumba für Amadeus. Als Zugabe dann noch „Cole over Beethoven“. Hier mischt sich so ungefähr alles, was an fetzig-feuriger Musik irgendwie in einen hundert Jahre alten Saal mit gepolsterten Holzstühlen zu quetschen geht.
Csárdás, Cole Porter, Rumba. Hauptsache es klingt und schwingt. Wirklich wie zu alten Zeiten. Als die ganze Stadt sich ins Dommayer Casino drängte, um einen Abend mit Johann Strauß’ neuesten Sperl-Galopp zu verbringen. Ein Jammer, dass die Schrammel-Musi in den meisten Wiener Caféhäusern mittlerweile – wenn überhaupt – nur noch für Touristen spielt.
Dieses Quartett aus Klavier, zwei Geigen und Kontrabass ist die erste dicke Überraschung des Morgens. Die zweite ist das Wiener Kammerorchester. Nachdem sie sich bei einer wunderbaren Begleitung mit dem Janoska-Virus angesteckt haben, kriegen auch sie ihr time to shine. Diese Tschaikowsky-Streicherserenade glänzt, mehr noch, sie tanzt.
Ich kenne dieses Werk in- und auswendig, habe es gespielt, arrangiert und unzählige Male im Konzert erlebt. Noch nie habe ich so eine leidenschaftliche Interpretation dieses Meisterwerkes gehört. Vom ersten Ton an stürzt sich dieses Kammerorchester in einen unglaublich saftigen Klang, die berühmte Einleitung zieht wie ein übernatürlicher Sog. Landschaftsmalerei at its finest, man sieht die unendlichen Weiten der russischen Landschaft vor Augen.
Und ich dachte immer, der Wiener Walzer-Klang wäre den Philharmonikern vorbehalten. Oh, wie hatte ich da Unrecht. Der zweite Satz – ein Walzer à la Tschaikowsky – schwingt die ein Lanner-Walzer beim Neujahrskonzert. Die Musik fällt schwerelos in jeden Takt hinein. Am liebsten möchte man aufstehen und mittanzen…
Der Barrie Kosky Figaro war einfach toll, ganz, ganz hohe Kunst, zum Bravo rufen. Das hier ist zum Jubeln, die dickste Überraschung der Klassik-Szene seit langem. Die seltensten der musikalischen Schätze findet man oft zu den unerwartetsten Zeiten. Zum Beispiel Sonntagmorgen um halb elf mit Figaro-Kater im Kopf.
Johannes Karl Fischer, 14. März 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schubert, Schumann, Brahms, Alexandra Dovgan, Klavier Wiener Konzerthaus, Mozartsaal,