Vor der Staatsoper wird man von unfreundlichem Regenwetter überrascht, man lächelt das, noch übervoll von den musikalischen Freuden, einfach weg.
Foto: Deckenansicht © Gordon Welters
Staatsoper Unter den Linden, Berlin 8. November 2021
Werke von:
Jean-Philippe Rameau, André Campra, Henry Purcell, Georg Friedrich Händel und Antonio Vivaldi
Solisten:
Marie-Claude Chappuis, Lea Desandre, Natalie Dessay, Emmanuelle de Negri, Sandrine Piau, Lenneke Ruiten, Eva Zaïcik, Tassis Christoyannis, Andrea Mastroni, Laurent Naouri, Jarred Ott, Victor Sicard, Michael Spyres, Mathias Vidal, Carlo Vistoli
Emmanuelle Haïm, Sir Simon Rattle Dirigenten
Orchester und Chor Le Concert d’Astrée
von Peter Sommeregger
Das von Emmanuelle Haïm 2000 begründete Barock-Ensemble Le Concert d’Astrée veranstaltet zur Feier seines 20-jährigen Bestehens Corona-bedingt sein Jubiläum etwas verspätet mit luxuriös besetzten Konzerten in Berlin und Paris.
Nur von einem Konzert zu sprechen ist eine Untertreibung. Was Emmanuelle Haïm und ihr Ensemble, unterstützt durch 15 Solisten der Spitzenklasse, an diesem Abend abliefern, lässt schlagartig jede November-Depression, jeden trüben Gedanken verschwinden. Das barocke Feuer der Musik leuchtet mit einer Intensität, die das Publikum im nicht ausverkauften Opernhaus Unter den Linden zu wahrhaften Begeisterungsstürmen hinreißt.
Wo beginnen bei dem reichhaltigen Bukett virtuoser Stimmen, starker künstlerischer Persönlichkeiten? Der erste Teil ist weitgehend Kompositionen Rameaus vorbehalten. Lenneke Ruiten, Mathias Vidal, Emmanuelle de Negri, Victor Sicard, Tassis Christoyannis, Laurent Naouri und Sandrine Piau strafen das Vorurteil Lügen, Rameaus Musik wäre trocken. Die Arien und Ensembles aus „Dardanus“, „Les Indes galantes“ und „Hippolyte et Aricie“ bilden einen passenden Einstieg in den an Höhepunkten reichen Abend. Als Gast am Dirigentenpult beschließt Sir Simon Rattle den ersten Teil mit der Orchestersuite aus „Les Boreades“.
Der zweite Teil beginnt mit Purcells Arie der Dido aus „Dido und Aeneas“, die Marie-Claude Chappuis mit sonorer Altstimme interpretiert, gefolgt von dem „Baritenor“ Michael Spyres, der seine agile Stimme register-übergreifend in zwei Arien aus Händels Oratorium „Il trionfo del Tempo e del Disinganno“ einsetzt, und gleichermaßen durch Technik und Schönheit des Timbres begeistert. An der grazilen Lea Desandre, die eine virtuose Koloraturarie von Vivaldi zum Besten gibt, kann man neben einer stupenden Technik auch den Charme der französisch-italienischen Sängerin bewundern, die später auch noch in einem Duett aus Händels „Ariodante“ mit Sandrine Piau zu hören ist.
Überraschend trifft man auch auf Natalie Dessay, die sich eigentlich schon vor Jahren aus dem Opernbetrieb zurückzog, aber mit der Arie der Alcina aus Händels Oper beweist, dass sie immer noch über reiche stimmliche Mittel verfügt. Mit der Qualität seines Countertenors kann anschließend Carlo Vistoli als Tamerlano von Händel überzeugen. Er bereichert die vokale Farbenpalette des Abends ungemein. Eva Zaïcik besticht durch ihren Vortrag einer Arie aus „Giulio Cesare“ von Händel mit einem klaren, gut geführten Sopran. Schließlich kann noch Jarrett Ott mit der Arie des Argante aus Händels „Rinaldo“ seinen klangschönen, vollen Bariton zur Freude des Publikums einsetzen.
Während des begeisterten Schlussapplauses erscheinen die Solisten auf einmal mit Noten in der Hand, mischen sich unter den Chor und stimmen das Hallelujah aus dem „Messias“ an. Dieses Stück von Solisten der Spitzenklasse zu hören, verstärkt noch die ohnehin schon gewaltige Wirkung dieses Chores und versetzt das Publikum endgültig in Euphorie.
Vor der Staatsoper wird man von unfreundlichem Regenwetter überrascht, man lächelt das, noch übervoll von den musikalischen Freuden, einfach weg.
Peter Sommeregger, 9. November 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
André Campra, Idoménée, Barocktage, Staatsoper Unter den Linden, 5. November 2021