Philippe Herreweghe zelebriert Bachs ultimatives sakrales Werk, das man selten so brillant, schwebend und berührend hören konnte

Johann Sebastian Bach, Messe h-moll, Chor und Orchester Collegium Vocale Gent, Dirigent Philippe Herreweghe  Wiener Konzerthaus, 10. Juni 2024

Philippe Herreweghe © Wouter Maeckelberghe

In Zeiten wie diesen ist das Wort „Frieden“ zu Recht in aller Munde. Es wird gern und viel ausgesprochen und gesungen; in Frieden leben ist leider nicht überall auf dieser Welt möglich. Umso wichtiger ist es, ein so grandioses sakrales liturgisches Werk wieder zu hören – in einer Aufführung, von der man noch lange wird zehren können.

Johann Sebastian Bach, Messe h-moll

Dorothee Mields, Hana Blažíková, Alex Potter, Guy Cutting, Krešimir Stražanac

Chor und Orchester Collegium Vocale Gent

Dirigent: Philippe Herreweghe

Wiener Konzerthaus, 10. Juni 2024

von Herbert Hiess

Es war faszinierend zu sehen und zu hören, wie ein Chor aus bloß 19 SängerInnen mit einer fulminanten Pracht und Klangschönheit Bachs ewig gültige h-moll Messe im großen Konzerthaus erklingen ließ.

Dieser Chor ist ziemlich gleichwertig mit dem Monteverdi-Choir und lässt die Wiener Chöre (vor allem den Singverein aber auch den Schoenberg Chor) etwas blass und unscheinbar aussehen. Man weiß gar nicht, welche Stimmgruppe besser war. Die sanft klingenden Soprane, die exzellenten Altstimmen oder die phantastischen Tenöre und Bässe. Das besondere war, dass die Solisten des Konzertes gleichwertig im Chor mitsangen.

Ja, die Solisten waren eine Klasse für sich. Die großartigen Soprane (vor allem Hana Blažíková), der exzellente Counter von Alex Potter oder Guy Cutting (Tenor) oder der Einspringer Krešimir Stražanac (Bass).

Damit kommt man schon zu dem großartigen Orchester und den Instrumentalisten, die hochvirtuos die Solisten auch solistisch bei ihren Arien begleiteten. Das Orchester spielte auf Originalinstrumenten, die natürlich eine spezielle Spieltechnik benötigen – also z.B. Naturhorn, Naturtrompeten; die Traversflöten, Oboe und Oboe d’amore (in a gestimmt) usw. Als Beispiel die Bassarie „Quoniam tu solus sanctus“ mit dem Naturhorn und den Fagotten.

Der 77-jährige belgische Dirigent Philippe Herreweghe leitete unprätentiös aber streng kontrolliert diese großartige Aufführung, die leider von einer Pause unterbrochen wurde. Sicher ist dieses knapp zweistündige Werk für den Dirigenten recht anspruchsvoll; aber wie zu erwarten zeigte sich nach der Pause ab dem „Credo“ ein gewisser Spannungsabfall. Natürlich spielten und sangen alle auf höchstem Niveau, dennoch, irgendwie fehlte dann die Dichte und Intensität. Leider wurde auch wieder der Kardinalfehler begangen, dass die Pauke auch die langen Fermaten nur mit einem Schlag anstatt mit einem Wirbel spielten.

Bonmot am Rande: Anlässlich der h-moll Messe mit den Wiener Philharmonikern unter Semyon Bychkov diskutierte ich das mit dem Paukisten Roland Altmann, der daraufhin beim „Dona nobis pacem“ die Schlussfermate mit Triller (Wirbel) spielte. Der Eindruck war sofort ein ganz anderer!

Dennoch war diese Aufführung ein Highlight der gesamten Konzertsaison. Unvergessen bleibt das „Et in terra pax“, das man selten noch so brillant, schwebend und berührend hörte.

Herbert Hiess, 11. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Johann Sebastian Bach (1685 – 1750):  Messe h-Moll BWV 232 Elbphilharmonie, 13. April 2023

Dona Nobis Pacem, Ballett von John Neumeier nach Johann Sebastian Bachs Messe in h-Moll klassik-begeistert.de, 7. Dezember 2022

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