Tolle Stimmen in Ludwigshafen: „Die Fledermaus" mit Solo-Tuba

Johann Strauß, Die Fledermaus (konzertante Aufführung),  BASF Feierabendhaus Ludwigshafen

Foto: Die Fledermaus © Raum Mannheim, Büro für visuelle Gestaltung
BASF Feierabendhaus Ludwigshafen
, 19. Oktober 2018
Johann Strauß, Die Fledermaus (konzertante Aufführung)
Elias Grandy,
Dirigent
Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg

von Phillip Schober

Gerne lächelt die Klassik-, Kunst- und Kulturszene über das Genre der Operette. Zu altbacken die Handlung, zu platt die Dialoge, zu eindimensional die Musik. Einzig „Die Fledermaus“ von Johann Strauß bewährt sich in den Opernspielplänen des 21. Jahrhunderts. Zurecht steht dieses Meisterwerk ihrer Gattung auf einer Stufe mit der „Hochzeit des Figaro“ und dem „Rosenkavalier“. Dabei ist „Die Fledermaus“ ganz anders und verfügt doch über beeindruckende Parallelen zur Darstellung Wiens von Mozart und Richard Strauss.

Humor ist die Königsdisziplin auf der Bühne! Operetteninszenierungen sind immer wieder heikel, es kann schnell schiefgehen, und angedachte Tiefsinnigkeit endet im Klamauk. Das BASF Feierabendhaus „lädt sich gerne Gäste ein“ und zeigt eindrucksvoll den richtigen Umgang mit Humor und Selbstironie: Orchester, Chor und Ensemble des benachbarten Theaters Heidelberg präsentieren in konzertanten Aufführungen der „Fledermaus“ mit einfachen Elementen, intelligenten Texten, gelungener Sängerbesetzung und unter Auslassung jeglicher Bühnenproduktion ein künstlerisches Weltklasseniveau.

Anstelle der Operettendialoge führt Andreas Martin Hofmeir, Gründungsmitglied der Kultband „LaBrassBanda“, als Erzähler durch die Handlung. Mit zahlreichen Anekdoten und Hintergrundinformationen zu Komponist, Rezeptionsgeschichte und der damaligen politischen Situation Wiens lenkt er den Blick humorvoll auf manch unentdecktes Detail der Partitur.

Im dritten Akt teilt Hofmeir in seiner Doppelrolle als Frosch ordentlich gegen alles und jeden der Produktion aus: Der Chemiekonzern BASF als Veranstalter möchte sich die Operette möglichst billig zur bloßen Unterhaltung einkaufen. Aufgrund solcher wirtschaftlichen Zwänge wird an allem gespart. Weder dekadente Kostüme, noch prachtvolle Bühnenbilder könne man sich in Ludwigshafen leisten, die Aufführung ist folgerichtig „nur“ konzertant. Die Heidelberger Philharmoniker beleidigt Hofmeir als „drittklassige Söldnerkapelle der östlichen Kurzpfalz“. Und der zur Fledermaus unablässige Champagner, dieser „König aller Weine“, wurde versehentlich ins BASF Vorstandsbüro geliefert – das Ensemble müsse sich mit abgestandenen Leitungswasser zufriedengeben. Auch die Stadt Ludwigshafen bekommt ihr Fett weg: „Perle westlich Mannheims“ und „Oggersheim Ost“ seien die inoffiziellen Bezeichnungen des Standorts der BASF.

In der Schlussszene holt Hofmeir endlich jenes Instrument auf die Bühne, dass ihn unter „LaBrassBanda“ beinahe zum Eurovision Song Contest gebracht hat – die Tuba. An irrwitziger Tiefgründigkeit ist dieser Abend nicht zu überbieten. Unter tosendem Applaus gibt Hofmeir ein Fledermaus-Best of mit Solo-Tuba!

Das Sängerensemble besteht aus Gästen und jungen Sängern der Rhein-Neckar Region. Nikola Hillebrand und Irina Simmes, Publikumslieblinge im Ensemble des Theaters Heidelberg und des Nationaltheaters Mannheim, singen Adele und Rosalinde. Ihre Stimmen haben das Potential für eine Weltkarriere. Sie singen frei von jeglicher Anstrengung, hell und klar in allen Registern und bieten makellose Koloraturen dar. Das Publikum ist begeistert. Trotz konzertanter Aufführung verkörpern beide ihre Rolle in beeindruckender Mimik und Gestik. Auch Sprechgesang mit deutlicher Aussprache beherrschen beide vorbildlich. In spätestens zehn Jahren erstarrt die Opernszene ehrfurchtsvoll bei den Worten „Ja, die Damen Hillebrand und Simmes – damals hörten wir sie im Duett in Ludwigshafen, konzertant in einer Fledermaus“. Diese beiden jungen, wunderbaren Stimmen werden hoffentlich die Opernszene der Zukunft prägen.

Daniel Brenna als Eisenstein ist der ungewöhnlichste Gast im Ensemble. Siegfried in San Francisco, Tannhäuser in Prag und nun plötzlich Operette? Die Stimme des US-amerikanischen Opernsängers ist jene eines typischen Heldentenors, viel Kraft mit allerlei Reserven. Leider lassen seine Aussprache und Gestaltung arg zu wünschen übrig, immerhin ist er der kraftvollste Sänger des Abends. Als Siegfried wahrscheinlich Weltklasse fehlt bei seinem Eisenstein leider die humorvolle Textgestaltung. Durch gekonnte Spielfreude und stets mit einem Lächeln im Gesicht überzeugt Brenna immerhin szenisch.

Die heitere Stimmung im Publikum sowie die hohe Spielfreude der Sänger beflügelt das Orchester unter der Leitung ihres GMD Elias Grandy zu neuen Höchstleistungen. Das gesamte Ensemble verbringt einen vergnüglichen Abend auf der Bühne und füllt jede Sekunde dieser entzückenden Partitur liebevoll mit Leben.

Ganz im wienerischen Sinne Hugo von Hoffmannsthals „Wo versteckt man die Tiefe? An der Oberfläche!“ legt diese Fledermaus der BASF sämtliche Banalitäten einer Operette zur Seite und dringt zu dem Kern des Werks vor. Tragik, Komik und Gesellschaftskritik im schwungvollen Wechsel anrührender Melodien – mehr Tiefgründigkeit könnte auch ein Bühnenbild nicht vermitteln.

Phillip Schober, 20. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de

Ines Kaun, Einstudierung Chor des Theaters und Orchesters Heidelberg
Thomas Böckstiegel, Dramaturgie
Andreas Martin Hofmeir, Moderation und Frosch
Daniel Brenna, Gabriel von Eisenstein
Irina Simmes, Rosaline
Stefan Stoll,Gefängnisdirektor Frank
Shahar LaviPrinz Orlofsky
Ipča Ramanović,Dr. Falke
Adrien Mechler,Dr. Blind
Nikola Hillebrand, Adele
Christian Sturm, Alfred
Manuela Sonntag-Dressel, Ida

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