Stefan Herheim lässt die Fledermaus flattern

Johann Strauss (jun.), Die Fledermaus  Musiktheater an der Wien, 20. Oktober 2025

Die Fledermaus © Karl Forster

Offenbar finden vermeintliche Skandale weit seltener statt als angenommen. Eine Vorschau im Fernsehen ließ Schhreckliches vermuten; man könnte glauben, dass Johann Strauss geniale Operette bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wird. Das Gegenteil war der Fall – man konnte, wenn auch stark in der Dramaturgie verändert, eine interessante und schlüssige Aufführung erleben

Johann Strauss (jun.), Die Fledermaus

Operette in drei Akten
Libretto von Richard Genée

Arnold Schoenberg Chor
Wiener Symphoniker

Petr Popelka,
musikalische Leitung

Regie: Stefan Herheim

Musiktheater an der Wien, 20. Oktober 2025

von Herbert Hiess

Pünktlich gegen Abschluss des Johann Strauss-Jahres brachte man DIE Wiener Operette „Die Fledermaus“ auf die Bühne des Theaters an der Wien. Man war natürlich durch kleinere Fernsehausschnitte recht befangen und befürchtete Übelstes. Gut, dass die Neugier gesiegt hat, die zu einem Besuch einer Aufführung motivierte.

Man erlebte eine dramaturgisch total veränderte Fledermaus, wo vordergründig diverse Nummern einfach verschoben wurden. So sang beispielsweise Orlovsky sein Couplet („Ich lade gern mir Gäste ein“) bei geschlossenem Vorhang von einer Loge aus; oder Rosalinde sang ihren Csardas im dritten Akt.

Nach der Vorstellung wurde dann doch klar, dass diese Veränderungen dramaturgisch doch sinnvoll waren und dann logisch sogar passten.

Die Fledermaus © Karl Forster

Dennoch gibt es einige fragwürdige Einlagen; die Aufführung begann mit der Kerkerszene aus dem zweiten Akt „Fidelio“ und dann mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Musical „Elisabeth“ – bis man dann realisierte, dass dies eine Referenz zu den Uraufführungsort beider Werke in dem Haus am Wienfluss war.

Personenführungstechnisch war es perfekt; es wurden unzählige Gags eingebaut – jede Person war ständig in Bewegung. Also von szenischer Langeweile keine Spur.

Die Fledermaus © Karl Forster

Die Figure des Frosch, verkleidet als Kaiser Franz Josef, war immer auf der Bühne. Im dritten Akt kam Rosalinde in einem Kostüm in den Farben der ungarischen Nationalflagge auf die Bühne. Hier war dann sogar ein bisschen „Sisi-Flair“ zu spüren. Diese Szenerie zeigte bereits den Verfall der Habsburgischen Monarchie.

Johann Strauss verwendete diese Zeit des Niedergangs gerne in seinen Kompositionen; ein prominentes Beispiel dafür ist der „Kaiserwalzer“, wo das Cellosolo im Coda-Teil diesen Zustand spüren lässt.

Ansonsten war die Regie durchaus gut aufgebaut; von Statik war da absolut keine Spur. Exzellent vor allem hier die Solotänzer.

Auch die Chorleute wurden hier brillant einbezogen – alles in allem war diese Aufführung wie eine Tanzshow. Vielleicht war diese überaus große Political Correctness überdosiert und warum zweimal plötzlich Personen in Nazi-Uniform auftauchten, erschließt sich einem nicht.

Die Fledermaus © Karl Forster

Lustig die Selbstironie, die Frosch hier versprühte. Vor allem gegen den norwegischen Hausintendanten Stefan Herheim – hier waren auch keinerlei Bedenken gegenüber dem Management bemerkbar. Offenbar hat da Herheim viel Gespür für künstlerische Freiheit.

Musikalisch war diese Aufführung aus einem Guss; zu verdanken ist das dem Chefdirigenten der Wiener Symphoniker Petr Popelka. Mehr als beeindruckend, wie er die Symphoniker durch die Partitur führte und wie hervorragend er die Damen und Herren Sänger begleitete. Popelka ist ein grundmusikalischer Dirigent; sehr erfreulich eine gewisse akzentuierte Schärfe, die berührend schön durch sanfte Pianos und Pianissimi abgelöst wurden. Man versteht, dass die Orchestermitglieder mit Popelka glücklich sind – aus heutiger Sicht gäbe es keine bessere Wahl.

Ausgezeichnet, wenn auch nicht direkt auf Weltklasseniveau, waren die Solisten. Allen voran die beiden Damen Adele (Alina Wunderlin) und Rosalinde (Hulkar Sabirova) – die mit perfekten und tragenden Stimmen beeindruckten. Die Stimmen sind ausgezeichnet, die Gesangsart beider Damen könnte mehr Persönlichkeit vertragen. Natürlich hat es Alina Wunderlin schwer, wenn man noch solcher Größen in dieser Rolle wie Edita Gruberova in Erinnerung hat.

Die Fledermaus © Karl Forster

Interessant auch die Herren; egal, ob der fast tenorale Thomas Blondelle als Eisenstein oder Krešimir Stražanac als Gefängnisdirektor Frank und der Rest des Ensembles – das ausgezeichnete Niveau des Theater an der Wien war zu hören.

Also (trotz aller Befürchtungen) eine würdige Aufführung zum Ausklang des Johann-Strauss-Jahres; nicht zuletzt dank der Wiener Symphoniker unter dem beeindruckenden Petr Popelka.

Auch wenn die Regie und der Umbau des Librettos nicht unkritisch ist – hier hat die Produktion spitzenmäßig eingeschlagen. Aufführungen in dieser Art erlebt man höchst selten.

Übrigens gibt es am 22. und am 24. Oktober nochmals die Gelegenheit, diese „Fledermaus“ zu sehen und zu hören. Reine Puristen werden sich vielleicht damit nicht so leicht anfreunden können – nun, es ist auf alle Fälle einen Besuch wert!

Herbert Hiess, 21. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

CD/Blu-ray-Rezension: Johann Strauß,  Die Fledermaus klassik-begeistert.de, 28. Oktober 2024

Die Fledermaus, Musik von Johann Strauß Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2023

Johann Strauß, Die Fledermaus Nationaltheater, München, 28. Dezember 2023

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