Überwältigende Tanzfreude begeistert das Publikum

John Neumeiers Ballett Beethoven-Projekt II,  Hamburgische Staatsoper, 6. Februar 2022

Was für ein fröhlicher, beschwingender Ballettabend in einer so trüben Zeit: John Neumeiers vor einem knappen Jahr uraufgeführte Choreographie zu Klaviersonaten Beethovens und die Vertanzung seiner 7. Sinfonie. Man mag sich diese Sinfonie zukünftig nicht mehr ohne den hinreißend fröhlichen, überschwänglichen Tanz des Hamburger Ballettensembles vorstellen.

Foto: Jacopo Bellussi, Madoka Sugai, Alexandr Trusch, Ida Praetorius, Aleix Martinez (Foto: R.W.)

Hamburgische Staatsoper, 6. Februar 2022

John Neumeiers Ballett Beethoven-Projekt II

von Dr. Ralf Wegner

Vor der Pause wurden die Sonate für Klavier (Mari Kodama) und Violine (Anton Barachovsky) Nr. 7 c-Moll opus 30 Nr. 2, danach Rezitativ und Arie aus „Christus am Ölberge“ opus 85 (vom Tenor Gideon Poppe schönstimmig mit hellem Timbre vorgetragen) sowie von Mari Kodama mit beeindruckender Gefühlstiefe die Klaviersonate Nr. 21 C-Dur opus 53 „Waldstein Sonate“ gespielt, nach der Pause dann vom Philharmonischen Staatsorchester Hamburg Beethovens 7. Sinfonie unter der Leitung von Kent Nagano.

Der Orchestergraben war zwecks Erweiterung der Tanzfläche abgedeckt. Das Orchester spielte im Hintergrund sichtbar auf der Bühne, darüber war eine zweite, ebenfalls genutzte Tanzfläche eingezogen. Während sich vor der Pause Aleix Martinez tänzerisch in Beethovens Leiden vergrub, vor allem dessen Ertaubung für das Publikum mit der ihm eigenen expressiven Ausdruckskraft nachvollziehen ließ, blieb die 7. Sinfonie ohne jede Handlung. Es wurde in einer Dichte getanzt, wie man es sonst selten auf der Bühne sieht. Die ersten drei Sätze zeigten jeweils Ensemblemitglieder mit einem führenden Paar, der 4. Satz versammelte schließlich alle Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne.

Zunächst wirbelten Ida Stempelmann und Atte Kilpinen eindrucksvoll und voller Bewegungsdrang über die Bühne, dann folgten Xue Lin und Matias Oberlin mit einem eher elegischen Part, schließen rissen Madoka Sugai und Alexandr Trusch das Publikum fast von den Stühlen. Wie sich Sugai mit katapultartigen Sprüngen in die Drehfigur ihres Partners Trusch schraubte, war schlicht sensationell, bereits im ersten Teil hatte sie sich mit zwei Katapultsprüngen Nicolas Gläsmann anvertraut. Bleibt noch Ida Praetorius, die neue, vom Kopenhagener Ballett zu Neumeier gewechselte Erste Solistin zu erwähnen. Mit Aleix Martinez zeigte sie bewunderungswürdig ihr statisches Können und beeindruckte mit ausnehmend schönen Ports de bras.

Das Publikum jubelte den ausnahmslos hervorragenden Tänzerinnen und Tänzern am Ende der Vorstellung langanhaltend zu. Vermutlich hätten sie bis zur Unendlichkeit weiter tanzen können. So berauscht wirkten sie noch beim Schlussbeifall. Man sollte sich dieses Ballett unbedingt ansehen, am Ausgang sah man nur in fröhliche Gesichter.

Dr. Ralf Wegner, 6. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Hamburg Ballett, Tod in Venedig, John Neumeier, Staatsoper Hamburg, 19. Januar 2022

Hélène Bouchet, Ballett von John Neumeier, Choreographie Die Glasmenagerie nach Tennessee Williams, Hamburger Staatsoper, 10. November 2021

DVD Rezension: Hans Zender, Schuberts Winterreise, Ballett Zürich, Christian Spuck klassik-begeistert.de

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert