Romantische Leidenschaft und Sinnlichkeit im Wiener Musikverein

Julian-Rachlin-Zyklus,  Musikverein Wien

Photo: Lisa-Marie Mazzucco (c)
Musikverein Wien, Brahms-Saal, 28. Mai 2018
Julian-Rachlin-Zyklus, 4. Konzert

Wolfgang Amadeus Mozart, Quartett für Violine, Viola, Violoncello und Klavier Es-Dur op 87
Antonin Dvorak, Quartett für Violine, Viola, Violoncello und Klavier, Es-Dur op 87
Johannes Brahms, Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello Nr 2 A-Dur op.26
Julian Rachlin, Violine
Sarah McElravy, Violine
Boris Andrianov, Violoncello
Itamar Golan, Klavier

von Charles E. Ritterband

Wenn es je ein Kammerkonzert gab, das von Satz zu Satz und von Werk zu Werk eine dramatische Steigerung geboten hätte, dann dieses: In Mozarts Quartett KV 493 wirkten die Streicher im prunkvollen Brahms-Saal des Wiener Musikvereins geradezu unsicher und zaghaft, auch einige Präzisionsmängel ließen sich nicht überhören – fast so, als wäre dieses Mozart-Quartett nur eine Aufwärmphase für das, was später kommen sollte.

Wer jedoch das Quartett virtuos geschultert hatte, war der brillante israelische (im litauischen Vilnius geborene) Pianist Itamar Golan. In Mozarts Es-Dur-Streichquartett wie auch in den folgenden Musikstücken erwies sich Golan als der eigentliche Star dieses Abends. Während die ersten beiden Sätze des Mozart-Quartetts enttäuschten und eher unscheinbar blieben, gewannen die vier Musiker im dritten Satz deutlich an Fahrt. Im temperamentvollen Allegretto entfalteten sich die Streicher zur Höchstform, stets angeführt vom sprühenden Itamar Golan.

Was dann folgte, löste uneingeschränkten Jubel aus im Publikum des Brahms-Saales, bei dem es sich zweifellos um eines der verwöhntesten Publika der Welt handelt: Antonin Dvoraks Quartett in Es-Dur generierte Stürme der Leidenschaft und virtuose Spielbegeisterung unter den vier Musikern, so dass die wenig leuchtenden Anfänge dieses Abends rasch in Vergessenheit gerieten. Geradezu magisch der 2. Satz, das Lento. Nicht weniger Begeisterung löste das Brahms-Quartett in A-Dur aus, bei dem insbesondere Sarah McElravy auf ihrer Viola brillierte. Ziemlich enttäuschend Julian Rachlin, nach dem ja eigentlich dieser Zyklus benannt ist: In der Quartett-Formation blieb er eher im Hintergrund; Rachlin glänzt als Solist in Violinkonzerten – in Kammerkonzerten im Zusammenspiel mit anderen Musikern kommen seine großen musikalischen Begabungen weniger zum Tragen.

Charles E. Ritterband, 30. Mai 2018, für
klassik-begeistert.de

Der Journalist Dr. Charles E. Ritterband schreibt exklusiv für klassik-begeistert.at. Er war für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Korrespondent in Jerusalem, London, Washington D.C. und Buenos Aires. Der gebürtige Schweizer lebt seit 2001 in Wien und war dort 12 Jahre lang Korrespondent für Österreich und Ungarn. Ritterband geht mit seinem Pudel Nando für die TV-Sendung „Des Pudels Kern“ auf dem Kultursender ORF III den Wiener Eigenheiten auf den Grund.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert