Das Zipfelmützen-Ensemble, zweite und dritte von links: Charlotte Larzelere und Madoka Sugai (Foto: RW)
Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ Gabriel Barbosas Zipfelmützen-Bolero. Ihm standen allerdings auch 16 Tänzerinnen und Tänzer zur Verfügung, darunter eine komisch aufgelegte Charlotte Larzelere sowie Christopher Evans und Madoka Sugai, die einen hinreißenden, lustigen Pas de deux hinlegten. Gabriel Barbosa nannte seine Choreographie Kill it! Und meinte wohl damit, die herkömmliche Erwartung an die von Edmundo Ros abgewandelten Boleroklänge von Ravel oder einen Csardas von Vittorio Monti zu unterlaufen.
Junge Choreographen, Programm I
8 Choreographien, eine Pause
Lichtwarck-Theater im Körber-Haus, Hamburg-Bergedorf, 20. April 2024
von Dr. Ralf Wegner
Diesmal traten die Tänzerinnen und Tänzer des Hamburger Balletts in Bergedorf im Lichtwarck-Theater vor knapp 400 Zuschauern auf, um acht verschiedene Choreographien von Priscilla Tselikova, Lizhong Wang, Francesco Cortese, Louis Haslach, Alice Mazzasette, Ida Stempelmann, Illia Zakrevskyi und Gabriel Barbosa zu präsentieren.
Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ Gabriel Barbosas Zipfelmützen-Bolero am Schluss der Vorstellung. Ihm standen allerdings auch 16 Tänzerinnen und Tänzer zur Verfügung, darunter eine komisch aufgelegte Charlotte Larzelere sowie Christopher Evans und Madoka Sugai, die einen hinreißenden, lustigen Pas de deux hinlegten. Gabriel Barbosa nannte seine Choreographie Kill it! und meinte wohl damit die herkömmliche Erwartung an die von Edmundo Ros abgewandelten Boleroklänge von Ravel oder einen Csardas von Vittorio Monti zu unterlaufen. Alle Tänzerinnen und Tänzer trugen übergroße helle Hosen und auf dem Kopf lustige Zipfelmützen, mit Ausnahme von Charlotte Larzelere, die ihre Haarpracht zeigen durfte.
Der zweite Teil nach der Pause war deutlich stärker als die zuvor gezeigten Präsentationen: Priscilla Tselikova hatte sich zum Kanon in D-Dur von Johann Pachelbel etwas Neoklassisches ausgedacht (Cannonade of Joy), was hohe tänzerische Finesse erforderte und einer längeren Probezeit bedurft hätte, um wirklich zu überzeugen. Selbst Matias Oberlin wirkte noch etwas angestrengt. Was sich Lizhong Wang mit seinem Stück DayDream dachte, erschloss sich mir nicht ganz. 6 Tänzerinnen und Tänzer zeigten eine Art Übungen, wie sie hinter dem Vorhang vor der Vorstellung zum Aufwärmen gedient haben könnten. Das nachfolgende Stück von Francesco Cortese nannte sich Schuldspiel, die Musik lieferte Philip Glass (Floe). Vier Tänzerinnen und zwei Tänzer beeindruckten mit einem schnellen, auch ruckartigem Bewegungsmuster, welches keine Langeweile aufkommen ließ.
Als letztes wurde vor der Pause etwas präsentiert, was die Form des Bühnentanzes überschritt, Sprecheinlagen, Videoeinspielungen und theaterähnliche Sequenzen lösten sich ab. Die auffällige Kostümierung stammte von Francesco Cortese. Das Ganze nannte sich Simile, Sporadic Fantasia and Fugue for 10 Hands. Für Konzept und Regie zeichnete Louis Haslach verantwortlich.
Nach der Pause wurde mit Viaje Desconocido Spanisch-Lateinamerikanisches aufgeführt (Musik: Guitarricadelfuente – Vidalitas del mar; Almendra – Muchacha, Ojos de Papel). Paula Iniesta und Alessandro Frola zeigten in einem schönen Pas de deux ihre exzeptionelle Begabung für die Interpretation dieser sentimental-folkloristischen Musik. Die Choreographie hatte sich Alice Mazzasette ausgedacht.
Von Ida Stermpelmann hätte man sich etwas Wilderes, Irrwisch-artigeres erwartet. Sie choreographierte einen Beziehungs-Pas de cinque nur für Tänzerinnen nach Musik von Hania Rani, genannt Eden.
Anschließend zeigten Olivia Betteridge, Florian Pohl und Nicolas Gläsmann einen Hana (Flower) übertitelten, in der Erinnerung bleibenden Pas de trois zur Musik von Asa-Chang und Junray (Hana) im durchaus neoklassischen Stil mit zahlreichen Hebungen, aber perfekt dargeboten, nach der Choreographie von Illia Zakrevskyi.
Alles in Allem war es ein sehenswerter Abend mit einigen Choreographien, die man gern wiedersehen würde. Der weite Weg nach Bergedorf hat sich auf jeden Fall gelohnt. Was besser hätte sein können, ist die musikalische Darbietung über Lautsprecher. Es war teilweise viel zu laut, vor allem der eingangs eingespielte Pachelbel klirrte gewaltig in den Ohren.
Dr. Ralf Wegner, 21. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at