Seiyoung Kim (Harlekin), Josef Wagner (Der Tod/Der Lautsprecher/Bass), Kevin Hena © Ashley Taylor / Wiener Staatsballett
Unmittelbar vor dem 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz präsentiert die Volksoper Wien mit dem Wiener Staatsballett eine aufsehenerregende Inszenierung unter dem programmatischen Titel „KaiserRequiem“.
Der Musikdirektor der Volksoper, der israelische Dirigent Omer Meir Wellber, realisierte die geradezu epochale Idee einer sparten-übergreifenden Synthese des erschütternden, von Viktor Ullmann im KZ Theresienstadt 1944 komponierten Musikdramas „Der Kaiser von Atlantis“ mit Mozarts Requiem.
„KaiserRequiem“
Der Kaiser von Atlantis von Viktor Ullmann / Requiem d-Moll KV 626 von Wolfgang Amadeus Mozart
In deutscher und lateinischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Musikalische Leitung: Omer Meir Wellber
Regie & Choreographie: Andreas Heise
Bühne & Kostüme: Sascha Thomsen
Licht: Johannes Schadl
Volksoper Wien, 25. Januar 2025
von Dr. Charles E. Ritterband
Die Kombination von Ullmanns avantgardistischer Musik mit ihren Anklängen an Kurt Weill, Mahler, Schönberg, Schubert und Elementen des Jazz mit Mozarts Requiem ist ebenso sinnreich wie zutiefst bewegend.
Ullmann, sein Librettist Peter Kein und der Dirigent Rafael Schächter erlebten nicht einmal die Uraufführung des „Kaisers“ und der nur 60-minütigen Partitur – überliefert ist lediglich die Generalprobe.
Die Schöpfer dieses kurzen aber monumentalen Werks wurden mit dem in typischem NS-Zynismus so genannten „Künstlertransport“ nach Auschwitz deportiert und dort im Alter von 46 (Ullmann) bzw. 25 Jahren ermordet.
In Mozarts Requiem aus dem Jahr 1791 (hier wurde nur der original von Mozart komponierte Teil zur Aufführung gebracht) schwingt in jeder Note die Todesahnung mit – er starb im Dezember 1791. Die Kombination des „Kaisers“, dessen Schöpfer kurz darauf in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau umgebracht wurden, mit dem erschütternden Requiem Mozarts mit seiner Todesahnung ist mehr als nur ein großer Wurf – das ist wahrhaft epochal. Im Programmheft ist die Rede vom „Dialog dieser Werke“.
Dass ausgerechnet der Darsteller des Todes – neben dem Kaiser „Overall“ die zentrale Figur – bei den Proben in Theresienstadt, der Sänger Karel Berman, einer der ganz wenigen Überlebenden unter jenen eingekerkerten Künstlern war, ist eine unfassbare Ironie des Schicksals.
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Der „Kaiser“ mit seiner bitteren Ironie, den überdeutlichen Anspielungen (im Namen „Kaiser Overall“ – schwingen „Deutschland Deutschland über alles“ und Hitlers Größenwahn, seine Weltbeherrschungs-Pläne mit), der Tod, der sich weigert seine Arbeit zu tun und der Befehl des Kaisers zum Krieg Aller gegen Alle (Hitlers „Totaler Krieg“) – das sind überdeutliche Anspielungen an das massenmörderische NS-Regime und waren wohl auch der Grund dafür, dass die Oper nie ihre Uraufführung in Theresienstadt erleben konnte und Komponist, Librettist und Musiker in den Tod transportiert wurden.
Theresienstadt war ja das berüchtigte Vorzeigelager der Nazis, eine propagandistische Meisterleistung der NS-Zyniker, die in dieser Zwischenstation zum millionenfachen Mord ein potemkinsches Dorf für „Prominente“ und Künstler eingerichtet hatten, mit dem perfiden Propagandafilm (dessen Akteure nach getaner Arbeit in die Gaskammern befördert wurden) unter dem Titel „Der Führer schenkt dem Juden eine Stadt“ – eine Fassade, welche bekanntlich auch das gutgläubige Internationale Rote Kreuz bei seiner Inspektionsvisite am 23. Juni 1944 an der Nase herumführte.
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Ullmann hatte die Musikinstrumente für seine Komposition einzusetzen, welche die jüdischen Musiker nach Theresienstadt hinüberretten konnten, bevor sie schließlich von den Nazis „beschlagnahmt“ sprich geraubt wurden. Die Proben vollzogen sich unter der ständigen Beobachtung und Bedrohung durch die SS – dem Damoklesschwert das über allen hing.
Die Aufführung im der Volksoper in der Regie und Choreographie von Andreas Heise vereinte in bisher nie gesehener Harmonie und Perfektion die Elemente Opern-Gesang, Tanz und Chor. Für Heise ist der Tanz „das Bindeglied des gesamten Stückes. Er setzt genau da an, wo die Sprache aufhört, wo es darum geht, in die Bereiche zwischen den Worten vorzudringen“. Er lässt männliche Tänzer „auf Spitze tanzen“, eine „klare, harte und eckige Bewegungssprache“ – das erinnert sofort an den militärischen Stechschritt.
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Das „emotionale Wechselbad“ zwischen den so enorm kontrastierenden Komponisten Ullmann und Mozart funktioniert erstaunlich gut – Wellber erklärt die „Anschlüsse“ zwischen den Kompositionen: Er musste „lediglich einige Harmonien ändern“ – die beiden doch so unterschiedlichen Werke hätten erstaunlicherweise oft dieselbe Tonalität und den gleichen Rhythmus.
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Die sängerischen Leistungen waren durchwegs erstaunlich, der Chor der Volksoper intonierte das Requiem gewaltig und dann wieder sehr berührend. Das Orchester brillierte unter der souveränen Stabführung des Dirigenten Omer Meir Wellber.
Das Publikum zeigte mit minutenlangem Jubel und Standing Ovations große Begeisterung.
Dr. Charles E. Ritterband, 29. Jänner 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Tod: Josef Wagner
Kaiser Overall: Daniel Schmutzhard
Harlekin: Seiyoung Kim
Soldat: JunHo You
Bubikopf: Rebecca Nelsen
Spital34: Aleksandar Orlic
Mieczysław Weinberg, Die Passagierin Theater Lübeck, 12. Oktober 2024 PREMIERE