Nicht nur in Salzburg wird Oper gemacht: Rossinis Erstling beim Opernfestival in Pesaro

Klein aber fein: das Rossini-Opernfestival in Pesaro

Foto: Schlussapplaus. © Studio Amati Bacciardi

Rossini-Opernfestival Pesaro 2020
Teatro Rossini

Gioachino Rossini, „La Cambiale di Matrimonio“

von Kirsten Liese

Ein habgieriger trotteliger Alter, eine junge Frau, die gegen ihren Willen verheiratet werden soll, ihr Liebhaber und ein Edelmann, der mit seinem Verzicht auf die Braut dafür sorgt, dass alles ein gutes Ende nimmt: Die Figuren und die simple Handlung in Gioachino Rossinis erster Oper „La Cambiale di Matrimonio“, die er 1810 im Alter von 18 Jahren schrieb, stehen noch erkennbar in der Tradition der Commedia dell’arte.

Für das Rossini-Opernfestival in Pesaro bedeutet die nur 90-minütige „komische Farce“, wie der Komponist sie nannte, einen Glücksfall, weil sie mit einer Aufführungsdauer von 90 Minuten und wenigen Figuren die Bedingungen erfüllt, unter denen in Zeiten von Corona Opernaufführungen stattfinden dürfen.

Foto: (c) Studio Amati Bacciardi

Und so setzt sich in Pesaro der Kampf zum Erhalt des Musiklebens in Italien, der damit begann, dass Riccardo Muti Mitte Juni das Ravenna Festival eröffnete, engagiert fort. Verona, Martina Franca und Montepulciano, sie alle trotzten unter freiem Himmel ihrer gefährdeten Existenz, nun wagt Pesaro die erste Opernproduktion in einem geschlossenen Raum: Im entzückenden Teatro Rossini stellten sich die 38 Musiker des Orchestra Sinfonica G. Rossini mit einem Meter Abstand im Parkett auf, wo üblicherweise das Publikum sitzt, Zuschauerinnen und Zuschauer verteilten sich in den Logen auf den Galerien.

Ein solcher Luxus fordert freilich seinen Preis: Statt vier Produktionen gibt es in diesem Jahr nur diese eine einzige in Koproduktion mit dem Royal Opera House Muscat in Oman. Aber die empfiehlt sich als ein entdeckenswertes Kleinod, stilistisch noch hörbar beeinflusst von Mozart, reich an hübschen Melodien und Ensembleszenen, und zugleich mit seinem flotten Parlandostil und mehreren Strettas doch bereits ein typischer Rossini.

Samoilov, Gianfaldoni, Giusti. Foto: (c) Studio Amati Bacciardi

Dass für ein solches Jugendwerk überwiegend Sängernachwuchs aus der in Pesaro ansässigen Accademia Rossiniana, einer der erfolgreichsten Talentschmieden Italiens, zum Einsatz kommt, fügt sich gut. Giuliana Gianfaldoni, Carlo Lepore, Davide Giusti, Iurii Samoilov sowie Pablo Gálvez und Martiniana Antonie in den kleineren Partien des häuslichen Dienstpersonals gefallen mit schlanken, profunden Stimmen und einer reifen Ensembleleistung, wie sie sich nur mit einer sorgfältigen Probenarbeit erzielen lässt.

Jeder Einsatz, jeder Übergang, jede Zäsur und Tempoänderung unter der Leitung von Dmitry Korchak sitzt perfekt. Überraschend vermittelte sich insbesondere in den Rezitativen sogar der Eindruck, als gereiche es der Musik zum Vorteil, dass die Musiker einmal nicht im Graben saßen. Die filigranen Klänge des Hammerklaviers zeugten selten zuvor von einer vergleichbaren Präsenz.

Lepore. Foto: (c) Studio Amati Bacciardi

Laurence Dale, der für diese Produktion erstmals als Regisseur nach Pesaro kam, hat bei alledem für eine ansprechende Ästhetik in seiner dem Biedermeier verpflichteten Inszenierung gesorgt, die man in den vergangenen Jahren bisweilen an diesem Ort vermisste. Auf Gary McCanns Bühne gibt es sparsam möblierte Innenräume eines Herrenhauses und eine Hauswand mit Blumenkästen, die sich bisweilen frontal davor schiebt. Das Ensemble agiert mit sichtlicher Spielfreude, ein paar Gags befeuern den Humor. Es darf gelacht werden!

Mit einer Aufführung der „Petite Messe solenelle“ unter freiem Himmel auf dem Piazzo del Popolo, die das Festival den Opfern der Pandemie widmete, kehrte aber der Ernst zurück.

Kirsten Liese, 11. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Andris Nelsons, Wiener Philharmoniker, Salzburger Festspiele, 7. August 2020

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