Klein beleuchtet kurz 50: Mäkelä peitscht die Wiener Philharmoniker durch den Großen Saal der Elbphilharmonie

Klein beleuchtet kurz 50: Mäkelä und die Wiener Philharmoniker  Elbphilharmonie, 17. Dezember 2024

Wiener Philharmoniker mit Klaus Mäkelä; Foto Patrik Klein

Lieber Klaus Mäkelä, Sie sind jung, dynamisch, haben eine historische Chance sich einzureihen in den Olymp der unvergesslichen Weltklassedirigenten – warum hetzen Sie in z.T. ohrenbetäubender Lautstärke ihre wunderbaren Musiker so durch die Manege bei Mahlers 6ter Sinfonie?

von Patrik Klein

Klaus Mäkelä ist auf dem Weg in den Olymp der besten Dirigenten aller Zeiten. Seine junge Karriere scheint alles zu toppen, was man bisher erlebte und kannte. Chef der renommiertesten Orchester auf diesem Globus mit gerade einmal 28 Jahren zu werden bzw. zu sein, wie die Osloer Philharmoniker, dem Orchestre de Paris, dem Concertgebouw Amsterdam und bald auch dem Chicago Symphony Orchestra, ist schon eine äußerst ungewöhnliche Story. Chance und Bürde zugleich?

In der Elbphilharmonie war und ist er Dauergast mit spannenden Interpretationen großer Werke mit hoch motivierten Weltklasseorchestern. Dabei war ihm der Jubel und der Zuspruch vieler Menschen im Publikum sicher. Es gab fast immer minutenlange Standing Ovations im schönsten Konzerthaus auf diesem Globus.

Heute Abend nicht. Zu recht!

Der Klang in der Elbphilharmonie ist ein durch Transparenz und Harmonie kaum zu toppendes Raumwunder und bedarf auch kaum des Forcierens oder des Überbetonens. Es klingt einfach wie von Geisterhand geführt, wenn man den Saal versteht.

Berühmte andere Dirigenten hatten den Saal bei großen Wagnerwerken auch schon völlig falsch eingeschätzt und der Musik unnötigerweise viel zu viel Druck gegeben. Im audiophilen Sprachraum nennt man das „Übersteuerung“.

Die Wiener Philharmoniker sind eines der ganz wenigen verbliebenen authentischen Mahler-Orchester und wirkten auch damals bei der Komposition als Leseprobenunterstützung mit. Mahler konnte also sein Werk vor Drucklegung hören und letzte Korrekturen durchführen. Die Uraufführung fand am 27.5.1906 in Essen statt und war ein voller Erfolg.

Sein Werk gilt wohl als das düsterste, welches er jemals schrieb. Es trägt nicht zu Unrecht den Beinamen „Tragische„. Der Schlusssatz hat etwas Zerstörerisches, aber das Werk ist ebenso eine sehr klassisch komponierte Sinfonie. Und sie ist auch über weite Strecken, obwohl sie eine vernichtende Botschaft enthält, weniger stürmisch als andere Werke vom Komponisten.

Sie vermittelt auch Hoffnung.

Die Verarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Erlebten und dem Tod geschieht bei ihm,  wie immer,] in der Musik und durch Musik.

In den vier Sätzen ohne jede Singstimme präsentierte Mahler die ganze Dramatik eines überbordenden Lebens. Dazu gehören auch Liebe und Optimismus. 

Das klang mit dem riesig besetzten Orchester aus Wien (etwa 90 Musiker, 50 Streicher, 2 Harfen, Celesta, 9 Hörner, 8 Bässe, 4 Fagotte, 1 Contrafagott, 5 Trompeten, 4fache Flöten/Oboen/Klarinetten, Kuhglocke, Hammer, Schlagwerk und 1 Tuba) und einem übermotivierten jungen Mann am Pult über weite Strecken gewaltig, berauschend, farbenüberbordet und zum Teil ohrenbetäubend laut.

Hier wurde mit dem dicken Pinsel auf die Leinwand gemalt. Der feine Zieselierpinsel blieb über weite Strecken im Halfter stecken.

Wiener Philharmoniker in Hamburg; Foto Patrik Klein

Die Feinheiten blieben vielfach hinter der Betonung, die sie so berührend machen können. Im Adagio ist die Instrumentierung moderater und verhaltener. Eine lyrische Grundstimmung entfaltet sich bei Streichern und Holzbläsern. Die Intonation des elegischen Gesangs gerät zu einer überbordenden Steigerungswelle. Auch hier war der Bogen viel zu früh zu heftig, wie mir schien.

Im Finale dann der Verweis auf die Kindertotenlieder voller Verzweiflung und mit zwei gewaltigen Hammerschlägen. Die Musik riss alles mit sich. Mir erschien das auch hier eine Nuance zu dick aufgetragen.

Ich hatte schon mehr Gänsehaut bei den Wienern.

Einem Vergleich mit Leonard Bernsteins Interpretation mit den Wiener Philharmonikern aus dem Jahr 1989 hielt der Abend nicht stand.

Auch am Jubel, der etwas verhalten ausfiel, darf man es festmachen heute, dem Abend, der bis zu 250 Euro pro Ticket kostete.

Wiener Philharmoniker

Dirigent: Klaus Mäkelä

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 6 a-Moll

(c) Patrik Klein

Der klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Meist lauscht und schaut er privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit… aber immer mit großem Herzen!

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