Klein beleuchtet kurz Nr 15: Carissimi und Purcell in der Elphi

Klein beleuchtet kurz Nr 15: Carissimi und Purcell in der Elphi  Elbphilharmonie, 14. Februar 2024

Il Pomo d’Oro, Solistenensemble bei Dido and Aeneas; Foto Patrik Klein

Die Elbphilharmonie Hamburg beschert uns wieder eine Sternstunde der alten Musik

Henry Purcells „Dido and Aeneas“ ist nicht nur für eingefleischte Barockfans eine der berühmtesten Opern überhaupt. In Kombination mit einer Starbesetzung aus u.a. Joyce DiDonato, Andrew Staples und Fatma Said begleitet von den Musikern der preisgekrönten italienischen Barockformation Il Pomo d’Oro waren alle Zutaten für einen Konzertabend gegeben, der das Schlagwort Sternstunde voll und ganz erfüllte.

Vor der Pause erklang zudem noch die „Historia di Jephte“ vom Italiener Giacomo Carissimi. Die erschütternde biblische Geschichte von Jephta, der sich aus Gottestreue zum Opfer seiner eigenen Tochter entschloss, goss Carissimi in eine Musik voll intensiver barocker Effekte. Brutal war der Gegensatz zwischen unbändiger Freude über das lang ersehnte Wiedersehen und dem Schock des Vaters (ganz hervorragend der britische Tenor Andrew Staples), dem die Tragweite der Begegnung nun klar wurde. Die Musik wurde düster und begleitete den ergreifenden Klagegesang der wunderbaren Sopranistin Carlotta Colombo. Chor und Orchester blühten unter den magischen Händen von Maxim Emelyanychev zu wahrer oratorienhafter, musikalisch wegweisender Zeitlosigkeit auf.

Die politische Metapher „Dido and Aeneas“ ist mehr als eine tragische Liebesgeschichte. Sie ist auch eine Metapher für die Konfrontation zwischen Karthago und Rom, der zentralen Episode in den Punischen Kriegen. Die Zerstörung Karthagos im Jahre 146 v. Chr. liegt knapp ein Jahrhundert vor der Fertigstellung Vergils berühmten Gedicht Aeneis. Die Stärke der Kurz-Oper, die Purcell aus dieser Geschichte mitnahm, liegt ebenso in den zeitgenössischen geopolitischen Resonanzen seiner Handlung – zwei europäischen Migranten, die sich dem Krieg stellen – wie in der evokativen Kraft ihres außergewöhnlichen Finales.

Joyce DiDonato als Dido und Maxim Emelyanychev, Dirigent Il Pomo d’Oro; Foto PK

Musikalisch ergoss sich feinste Kunst über die 4200 lauschenden Ohren in der restlos ausverkauften Elbphilharmonie Hamburg. Der berühmte Schlussgesang Didos, Remember Me, erfüllte den Saal quasi auf einem Ton ruhend, aber mit einer ungeheuren Expressivität. Aber da war ja nicht nur die am Ende selbst berührte amerikanische Starmezzosopranistin, sondern da gaben sich ja die Ägypterin Fatma Said als Belinda, der Tenor Andrew Staples als Aeneas und eine Reihe weiterer starker Solisten die Ehre mit kraftvollem barocken Gesang, der so frisch und zeitlos geriet, dass man wie in einen musikalischen Sog gezogen wurde. Das Orchester und der Chor spielten bzw. sangen mit einer Präzision und Spielfreude, gelegentlich sogar aufgefächert mit Echowirkungen in der Hinterbühne, so dass man kaum glauben konnte, dass diese Musik über 350 Jahre alt war. Wegweisend war sie in jedem Fall. Das hörte man auch an dem Jubel des Publikums nachdem der letzte Ton erklang.

Il Pomo d’Oro

Joyce DiDonato, Dido
Andrew Staples, Aeneas, Jephte (Carissimi)
Fatma Said, Belinda
Beth Taylor, Zauberin
Hugh Cutting, Geist
Carlotta Colombo,  Filia (Carissimi), Zweite Frau
Massimo Altieri, Ein Seeman
Alena Dantcheva, Erste Hexe
Anna Piroli, Zweite Hexe
Maxim Emelyanychev, Cembalo und Leitung

Giacomo Carissimi
Historia di Jephte / Oratorium

Henry Purcell
Dido and Aeneas / Oper in drei Akten Z 626

Konzertante Aufführung in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

(c) Patrik Klein

Klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Nicht immer nimmt er sich Pressekarten im offiziellen Modus, sondern lauscht oder schaut privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft –ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aber immer mit großem Herzen!

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