Hans Knappertsbusch © de.wikipedia.org
Auch nahezu sechs Jahrzehnte nach dem Tod des berühmten Dirigenten Hans Knappertsbusch gelten seine Interpretationen von Wagners Opern als Maßstab. Der am 12. März 1888, dem Drei-Kaiser-Jahr, in Elberfeld Geborene war Sohn eines Fabrikanten. Seine musikalische Ausbildung erhielt er am Konservatorium in Köln, wo er das Dirigieren lernte.
von Peter Sommeregger
Bereits ab 1909, also mit nur 21 Jahren wirkte er als Kapellmeister in Mühlheim an der Ruhr, Bochum, Elberfeld und Leipzig. In den Jahren 1909 bis 1912 assistierte er Siegfried Wagner und Hans Richter bei den Bayreuther Festspielen, was den Grundstein für seine spätere Spezialisierung auf die Werke Wagners legte.
Der erste Weltkrieg unterbrach zunächst seine Karriere, in Berlin Tempelhof schlug er in einer Preußischen Militärkapelle die Trommel, und entging so dem Dienst an der Front. Unmittelbar nach Ende des Krieges heiratete Knappertsbusch Ellen Neuhaus, mit der er eine Tochter, Anita, bekam. Im gleichen Jahr trat er die Stelle des Generalmusikdirektors in Dessau an, als der jüngste des Deutschen Reiches. Seine erfolgreiche Tätigkeit dort fand durch die völlige Zerstörung des Theaters bei einem Brand im Januar 1922 ein jähes Ende.
Für Knappertsbusch wurde diese Tragödie aber zum Sprungbrett: die Münchner Bayerische Staatsoper suchte einen Nachfolger für Bruno Walter.
Nach der Absage Karl Mucks entschied man sich für ihn, der damit seine Lebensstellung gefunden hatte. Hier schloss er Bekanntschaft, ja sogar Freundschaft mit den Komponisten Richard Strauss und Hans Pfitzner. 1925 trennte er sich von seiner Frau Ellen und heiratete 1926 in zweiter Ehe Marion von Leipzig, diese Ehe blieb allerdings kinderlos. In München konnte der Dirigent sich voll den Opern Wagners widmen, die dort im Mittelpunkt des Repertoires standen.
Nach der Machtergreifung der Nazis ergab sich das Problem, dass der „Führer“ Adolf Hitler die Wagner-Dirigate von Knappertsbusch zu breit und langsam fand. Immer deutlicher wurde in der Folge an seinem Stuhl gesägt. Knappertsbusch machte auch kein Hehl aus seiner Verachtung für die Nazis. Als 1933 die jüdischen Mitglieder des Münchner Rotary-Clubs ausgeschlossen wurden, trat das Gründungsmitglied Knappertsbusch aus Solidarität ebenfalls aus. Braune Stoßtrupps begannen von Knappertsbusch dirigierte Aufführungen zu stören, 1935 leitete er zum vorerst letzten Mal eine Vorstellung in München. Im Jahr 1936 wurde er schließlich als Opernchef abgesetzt und erhielt anschließend Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
Knappertsbusch ging danach nach Wien, im noch autonomen Österreich konnte er seine Karriere erfolgreich fortsetzen. Ein schwerer Schicksalsschlag war 1938 der Tod seines einzigen Kindes, der Tochter Anita. Österreich war inzwischen ein Teil des Reiches, aber der Mangel an fähigen Dirigenten führte zu neuen Verpflichtungen. Speziell bei den Salzburger Festspielen wurde Knappertsbusch häufig eingesetzt.
Sofort nach Kriegsende wurde er erneut als Bayerischer Generalmusikdirektor eingesetzt. Fälschlicherweise wurde er der Kollaboration mit den Nazis beschuldigt, worauf ihn die Amerikaner aus dem Amt entfernten. Nach Aufklärung des Sachverhaltes entschuldigte man sich bei ihm und er erhielt das Amt zurück.
Bedeutsam wurden für Knappertsbusch die 1951 wieder beginnenden Bayreuther Festspiele, denen er bis 1964 seinen markanten Stempel aufdrückte. Der „Ring des Nibelungen“, „Die Meistersinger von Nürnberg“, vor allem aber „Parsifal“ waren seine Domäne und steigerten seinen Ruhm.
Viele dieser Aufführungen sind auf Tonträgern erhalten. Eher kontrovers war das Verhältnis zu Wieland Wagner, dessen moderner Stil Knappertsbusch nicht behagte.
Man fand aber einen Konsens, und Knappertsbusch sagte: „Ich schaue einfach nicht mehr hin.“
Der Dirigent war dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Als sich in München der geplante Wiederaufbau des zerstörten Nationaltheaters immer mehr verzögerte, protestierte er unüberhörbar.
Schließlich dirigierte er bei der feierlichen Eröffnung 1963 Beethovens „Die Weihe des Hauses“.
Sein letztes Dirigat war am 13. August 1964 ein „Parsifal“ in Bayreuth. Knappertsbusch starb an den Folgen eines Sturzes am 25. Oktober 1965 in München und wurde in einem Ehrengrab auf dem Bogenhausener Friedhof beigesetzt.
Weit über München und Bayreuth hinaus gilt er bis heute als kompetenter und prägender Wagner-Interpret.
Peter Sommeregger, 13. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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