Aufklang, 21. Juni 2020
Foto: Anna Netrebko, Semperoper Dresden (c), „Don Carlo“
von Olaf Barthier
Rückblick:
„Aufklang
Konzertante Höhepunkte aus Giuseppe Verdis ‚Don Carlo'“.
So kündigte das Programmheft der Semperoper diese Veranstaltung an.
Was für ein Auftakt! Und wie viele Fragen oder Hoffnungen barg dieses Timing, die Besetzung und der Inhalt! Am selben Wochenende, an dem auch die Sommersonnenwende stattfand und nicht wie üblich am 21. sondern am 20. Juni.
Am 19.Juni öffnet die Semperoper nach langer Corona-Pause wieder ihre Pforten. Natürlich unter Einhaltung der Hygienevorschriften, die ersten Reihen und später jede zweite gesperrt und zwischen den Besuchern zwei Plätze ebenfalls frei, der Saal erschien ziemlich leer und es gab noch andere Einschränkungen, die man aber gern in Kauf genommen hat.
So wie die Sonne jetzt eine Wende vollzieht, kann man jetzt auch hoffen, dass sich der Kulturbetrieb wieder zum Guten wendet? Nun hat die Semperoper die ursprünglich geplante szenische Aufführung von „ Don Carlo“ in eine kurze konzertante nach historischer Vorlage verwandelt – unter musikalischer Gesamtleitung von Johannes Wulff-Woesten vom Klavier aus mit nur sieben weiteren Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Einzigartig, was dieses kleine Ensemble für vielfältige Klangfarben erzeugen kann und mit welcher Genauigkeit Wulff-Woesten vom Klavier die Musiker leitet.
Wer die Oper kennt, dem ist bekannt, dass am Anfang des Stückes Holzfäller hungern, in der Semperoper hungerte das Publikum nach klassischer Musik und es wurde reichlich verwöhnt: Bei dieser Besetzung gar keine Frage! Yusif Eyvazov war am Anfang etwas schwach und unpräzise, Sebastian Wartig sehr überzeugend und ausdrucksstark , Alexander Stavrakakis sehr gut. Elena Maximova mit ihrem glasklaren aber auch scharfkantigen Mezzosopran war ein großer Gewinn für diesen Abend. Auch dass die Solisten, Choristen und Musiker auf Augenhöhe arbeiteten, kein Kampf gegen ein übermächtiges Orchester, sehr schön.
Erst bei dem fünften Programmpunkt kam sie, auf die alle gewartet hatten, und Anna Netrebko sang von der ersten Note an exorbitant und traumhaft gut, man hatte das Gefühl, es muss raus nach einer so langen Abstinenz! Was für eine Stimme, die sie der Elisabetta verlieh, das Publikum war erstarrt vor Demut! Die 90 Minuten vergingen wie im Flug. Und am Schluss gab es für alle einen frenetischen Applaus. Hoffentlich beginnt der Konzert und Opern- Betrieb langsam wieder. Vielleicht singt Anna in Zukunft wieder Wagner und vielleicht die Elisabeth?
Olaf Barthier, 28. Juni 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at