Krzysztof Eugeniusz Penderecki (geboren am 23. November 1933 in Dębica, Polen; gestorben am 29. März 2020 in Krakau) war ein zeitgenössischer polnischer Komponist, dessen Werk der postseriellen Musik (s. a. Serielle Musik) zugeordnet wird und der vor allem durch seine Klangkompositionen Aufsehen erregte. Er gilt als einer der führenden Komponisten der polnischen Avantgarde und wurde gelegentlich auch als „spätmoderner Klassiker“ bezeichnet. Penderecki war einer der wenigen zeitgenössischen Komponisten der Avantgarde, denen der Durchbruch zur breiten Öffentlichkeit gelang.
Foto: nonesuch.com
von Jolanta Łada-Zielke
Es ist allgemein anerkannt, dass jemand, der das Schaffen eines anderen nicht mag, das als „interessant“ bezeichnet, um sich nicht als Ignorant vorzustellen. Krzysztof Pendereckis Musik wird mir bis auf wenige Ausnahmen geheimnisvoll und unverständlich bleiben. Ich bin keine Liebhaberin zeitgenössischer Musik, besonders atonaler und sonoristischer. Von polnischen Komponisten des 20. Jahrhunderts mag ich Mikołaj Górecki und Wojciech Kilar sowie Arvo Pärt von ausländischen. Das Werk von Professor Penderecki, von dem wir uns heute – am Sonntag, 29. März 2020 – verabschiedet haben, bleibt für mich wirklich interessant, obwohl ich es nicht begreifen kann. Vielleicht werde ich es eines Tages mehr erforschen. Im Moment kommen meine persönlichen Erinnerungen an diesen großartigen Komponisten und Pädagogen zurück.
Mein erster Kontakt mit Krzysztof Penderecki fand im Mai 1988 in Łańcut (eine kleine Stadt in Südostpolen) während des Kammermusikfestivals statt. Einige Konzerte wurden in der dortigen Pfarrkirche aufgeführt. Dort trat der Chor „Poznańskie Słowiki“ (Posener Nachtigallen) auf und präsentierte unter anderem Pendereckis „Stabat Mater“ .Das Publikum mochte die Aufführung des Werks so sehr, dass das Ensemble die Komposition als die Zugabe sang. Zu dieser Zeit war ich in der zweiten Klasse des Gymnasium und werde nie den Eindruck vergessen, den dieses Stück auf mich machte. Damals wusste ich noch nicht, was ein Cluster ist, aber diese harmonische Dichte spiegelte wunderbar die Atmosphäre wider, die auf Golgatha herrschen konnte und die im Herzen der Mutter des sterbenden Jesus geherrscht haben muss. Professor Penderecki war während des Konzertabends anwesend, und am Ende verbeugte er sich vor dem Publikum.
Während meines Studiums in Krakau sah ich Krzysztof Penderecki bei einigen Konzerten und Musikveranstaltungen, eher aus der Ferne, beispielsweise bei der Aufführung seines „Credo“ von Orchester, Chor und Solisten der Musikhochschule in Krakau. Im September 2007 nahm ich am Projekt der Europa Chor Akademie teil, im Rahmen dessen wir das „Polnische Requiem“ (Requiem Polskie) von Penderecki vorbereiteten. Die Proben fanden in Bremen-Vegesack und das Konzert im Dom in Ottobeuren statt. Die zwei vorletzten Proben mit Begleitung des NDR Rundfunkorchesters und unter der Leitung des Komponisten selbst fanden in Hannover statt. „Polnisches Requiem“ wurde zu dem lateinischen Text geschrieben, es gibt aber auch Fragmente auf Polnisch, deren Aussprache Chorsängern aus anderen Ländern erklärt wurde. Während der Hauptprobe bemerkte Professor Penderecki, dass wir den Text besser auf Polnisch als auf Latein aussprechen. Das Konzert in Ottobeuren fand in einer sehr feierlichen Atmosphäre statt, um den Opfern des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. Als Krzysztof Penderecki mit dem Dirigieren fertig war, läuteten in absoluter Stille die Glocken des Doms.
Zu meinem letzten Treffen mit Krzysztof Penderecki kam es im Dezember 2008, als ich den Internationalen Cellowettbewerb seines Namens moderierte, der an der Musikhochschule in Krakau stattfand. Es war eine Art Geschenk der Hochschule für ihren ehemaligen Rektor und Professor zu seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag. Im Programm jedes Teilnehmers musste sich ein Stück des Wettbewerbspatrons befinden. Samuli Peltonen aus Finnland, damals noch Student, jetzt anerkannter Musiker, gewann damals den Grand Prix. Ich werde seine virtuose Aufführung von Krzysztof Pendereckis „Divertimento“, in dem es sehr schnelle Passagen gibt, nie vergessen.
Am Ende der Veranstaltung führte ich ein kurzes Interview mit Professor Penderecki für meinen Akademischen Rundfunksender. Zuerst fragte ich, ob ihm dieses Geburtstagsgeschenk gefiel.
„Das ist ein wunderbares Geburtstagsgeschenk, für das ich der Musikhochschule sehr dankbar bin“, antwortete er. „Das Niveau dieses Wettbewerbs war sehr hoch. Ich bin voller Bewunderung für den Studenten, der gewonnen hat. Zum ersten Mal habe ich jemanden gehört, mein „Divertimento“ zu spielen, ohne einen einzigen Ton verpasst zu haben“.
Samuli Peltonen sagte bescheiden dazu: „I have done my best”(Ich habe mein Bestes gegeben).
Im November 2016 war ich mit dem Hamburger Carl-Philipp-EmanuelBach-Chor in Stettin (Szczecin), wo wir „Agnus Dei“ aus dem „Polnischen Requiem“ von Krzysztof Penderecki unter der Leitung von Hansjörg Albrecht in der Stettiner Philharmonie und in der Kathedrale des Heiligen Jakob aufführten. Es war eine Art Geschenk des Chores für das polnische Publikum. Der Patron der Kathedrale ist Kardinal Stefan Wyszyński, der Held des Kampfes gegen Kommunismus, dem Penderecki das gesamte „Requiem“ gewidmet hat.
Ich freue mich darüber, dass ich mindestens ein Werk von Krzysztof Penderecki mitsingen und ein paar andere hören konnte. Lasst ihn in Frieden ruhen, seine Musik bleibt mit uns.
Jolanta Lada-Zielke, 29. März 2020, für
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Jolanta Lada-Zielke, 48, kam in Krakau zur Welt, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anlässlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA. Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den Dreißigern. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de.