La Bohème, Lübeck © Michelle de Rose
La Bohème
Oper in vier Bildern von Giacomo Puccini
Theater Lübeck, 10. April 2024
von Dr. Andreas Ströbl
Ein riesiger Kamin aus einem hochherrschaftlichen Pariser Gebäude des 19. Jahrhunderts dominiert die Szene. Offenbar ist es nicht die typische Intellektuellen-Dachbodenstube, in der Puccinis „La Bohème“ in der Inszenierung von Angela Denoke am Theater Lübeck spielen wird, wie in der Soirée und öffentlichen Probe am 10. April bereits zu erahnen war.
In munterer Runde plauderten die Regisseurin, selbst eine berühmte Sängerin, GMD Stefan Vladar, Bühnenbildner Timo Dentler und Dramaturg Sören Sarbeck über Hintergründe von Werk und Produktion, immer wieder auflockernd unterbrochen durch musikalische Einlagen.
Die Inszenierung experimentiert offenbar nicht mit aufdringlichen Modernismen, sondern setzt auf Werktreue – da hat ja Puccini selbst penible Anweisungen gegeben. Offenbar wird der eigene Stempel von Angela Denoke auf der psychologischen Ausarbeitung von Charakteren und Beziehungen liegen. Wie das alles umgesetzt wird, ließ sie offen, um die Spannung vor der Premiere am 26. April nicht zu mindern. Offensichtlich war nur, dass der Kamin zentrales Requisit mit Durchgangsmöglichkeit in Form einer Drehtüre sein wird und sich die Akteure davor, dahinter und in seinem Inneren bewegen werden, sowohl Chor, Statisten und Solisten, als auch die „Bohémiens“ (und nicht die „Bohèmes“, wie im Gespräch kurioserweise häufig wiedergegeben).
Kitsch soll vermieden werden, aber, wie Angela Denoke betonte, die tiefe Emotionalität des Stückes geht jeden von uns an und da dürfen dann auch Tränen des Mitleids fließen.
Begleitet von Nathan Bas am Klavier sangen Iurie Ciobanu als Rodolfo und Gerard Quinn als Marcello mit Leidenschaft das Duett vom Beginn des vierten Aktes.
Ciobanu ist der einzige Gast in der Produktion und gab im weiteren Verlauf, diesmal begleitet von Stefan Vladar, noch im Lied „Sole e amore“ eine Probe seines Könnens – die Melodie hat Puccini ja in der Oper verwendet. Changjun Lee, eine der begabten Stimmen aus dem Lübecker Opernstudio, gab in der Mantel-Arie zu Herzen gehenden Ausdruck dessen, was Puccini so genial schafft, um hohe Emotionalität zu erreichen: das scheinbar Banale wird mit größter Innigkeit effektvoll in melodramatische Szene gesetzt.
Zum Abschluss erklangen die berühmten „Crisantemi“, dessen herbstliche Melancholie das Streichquartett aus Evelyne Saad (1. Geige), Lucy Finckh (2. Geige), Christian Jonkisch (Bratsche) und Sigrid Strehler (Cello) mit feinstem Schmelz wiedergab.
In der öffentlichen Probe nach der Pause gewann das Publikum, das die Reihen des Parketts bereits zu dieser Vorveranstaltung schon fast vollständig gefüllt hatte, einen Eindruck von der Probenarbeit zum zweiten Akt. Es war das erste Mal, dass in dieser Massenszene alle Mitwirkenden gemeinsam auf der Bühne standen – bewundernswert, wie Angela Denoke den Sack Flöhe der munteren Kinderschar, den Chor und die Solisten mit Souveränität und Freundlichkeit im Griff hatte.
Lübecker und Auswärtige dürfen auf diese „Bohème“ des Hauses in der Beckergrube sehr gespannt sein; die Premiere um 19.30 Uhr am 26. April wird bald ausverkauft sein.
Dr. Andreas Ströbl, 11. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at