Gluck wirkt als Glückbringer für die jungen Stimmen

Christoph Willibald Gluck, La clemenza di Tito  Eröffnung der Gluck Festspiele am 9. Mai 2024 im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth

Bruno de Sá, Michael Hofstetter und Vanessa Waldhart während des Applauses nach der Aufführung von „La clemenza di Tito“ © Beth Chalmers 

„La clemenza di Tito“
Christoph Willibald Gluck

Eröffnung der Gluck Festspiele,
Markgräfliches Opernhaus Bayreuth, 9. Mai 2024

von Jolanta Łada-Zielke

Die im Herbst 1752 in Neapel uraufgeführte „La clemenza di Tito“ von Gluck ist eine typische Barockoper und besteht hauptsächlich aus Arien. Ihre Aufführung zur Eröffnung der Bayreuther Gluck-Festspiele war konzertant, und man hat vermutet, es könnte statisch und etwas langweilig sein. Dies war jedoch keineswegs der Fall. Das Konzert war lebendig und voller Emotionen, wobei sich sanfte Lyrik mit zerstörerischer Leidenschaft (nur auf der musikalischen Ebene) gemischt hat.

Ein großes Lob gebührt Bettina Bartz, die sich um die Dramaturgie gekümmert hat. Der Szenenwechsel, das Licht und die minimalen schauspielerischen Elemente machten dieses Event spannend und rührend. Jeder Charakter wird von einer anderen Bühnenbeleuchtung begleitet: Vitellia erscheint vor einem aggressiven roten und Sesto vor einem lila-Hintergrund. Die ruhige Servilia wird von Grün begleitet, Annio von Indigo, Publio von Silber. Als der edle und großmütige Titus eintritt, erhellt sich die Bühne in einem goldenen Glanz.

Der Abend beginnt mit einem unangenehmen Vorfall. Die Einführung besteht aus zwei Teilen: einer Videobotschaft von Erzbischof Tutu, dem südafrikanischen Geistlichen und Menschenrechtsaktivisten, und einer Rede von Pater Anselm Grün, dem Benediktiner der Abtei in Münsterschwarzach.

Anselm Grüns Rede  ist eine Mischung aus Predigt und Vortrag und dauert gute 20 Minuten. Obwohl der Redner die musikalische und ethische Seite des Themas hervorhebt, zeigen sich einige Zuhörer ungeduldig und unhöflich: Sie klatschen, stampfen, schreien den Mönch an, damit er aufhört, weil sie endlich Musik hören wollen. Das Vorwort hätte tatsächlich kürzer sein können, weil das Orchester die Instrumente neu stimmen muss. Aber die anschließende künstlerische Leistung aller Musiker unter der Leitung von dem hervorragenden Dirigenten Michael Hofstetter, Intendanten und Geschäftsführer der Festspiele, verwischt diesen ersten Eindruck.

Der Erzähler Thorsten Danner führt das Publikum sachlich und witzig in die einzelnen Szenen ein. Jeder von den Solisten ist einzigartig und zeigt sich von seiner besten Seite. Zwei von ihnen verdienen jedoch eine besondere Erwähnung. Für Bruno de Sá scheint das Singen so normal zu sein wie das Atmen. Er erzeugt Klänge mit einer natürlichen Leichtigkeit und Freiheit, verteilt die Dynamik in der Phrasierung richtig, und interpretiert den Charakter von Sesto sehr überzeugend.

Vanessa Waldhart als Vitellia © Beth Chalmers

Sehr ausdrucksstark und technisch perfekt ist Vanessa Waldhart als die böse Vitellia. Alle Arien in ihrer Darbietung sind echte Perlen, sie verfügt auch über die beste Diktion von allen Sängern. Die Solistin räumt auch mit dem Klischee auf, dass Koloratursoprane eine schwache Mittel- und Bruststimme haben. Am Ende der Arie „Come potesti, oh Dio!“ singt sie mit einem wunderschönen Vibrato in der tiefen Brustlage.

Robyn Allegra Parton beeindruckt mit ihrer schönen, dunklen Stimme, mit der sie die Dilemmata von ihrer Figur – Servilia – zum Ausdruck bringt. Die zwei Damen in den Männerrollen – Hannah-Theres Weigl als Publio und Maria Hegele als Annio – stehen ihren Kolleginnen in nichts nach.

Der Titelcharakter Titus hat in dieser Oper wenig zu singen. Der Tenor Aco Biščević macht aber jeden seinen Einsatz einzigartig. Zuerst wirkt er verwirrt, weil er nicht weiß, wem er glauben soll, dann verbittert wegen des Verrats. Meisterhaft singt er die letzte Arie „Se all’impero, amici dei“, die den inneren Kampf des Kaisers darstellt. Geschickt verteilt er die Dynamik, betont die richtigen Worte und lässt seine Stimme mal lyrisch, mal stürmisch und zornig klingen.

Ich hoffe, dass Gluck allen diesen Sängern Glück bringt und die Teilnahme an den Festspielen ein Sprungbrett für ihre weitere Karriere sein wird.

Finale © Beth Chalmers

Das Barockorchester der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach, das die Musiker begleitet, kling kompakt und einheitlich, trotz ein paar unsicheren Einsätze der Trompete.
Michael Hofstetter malt barocke Klanglandschaften, indem er Instrumental- und Gesangspartien nahtlos miteinander verbindet und in einigen Arien von Vitellia und Sesto vom Allegro zum Adagio oder Andante wechselt. Nach diesem Abend habe ich Appetit auf weitere, weniger bekannte Werke von Christoph Willibald Gluck, in gleicher Besetzung.

Jolanta Łada-Zielke, 11. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Christoph Willibald Gluck, Alceste Markgräfliches Opernhaus, Bayreuth, 14. Mai 2022

Christoph Willibald Gluck, Orfeo ed Euridice Haus für Mozart, Salzburg, 26. Mai 2023

Christoph Willibald Gluck, Orfeo ed Euridice, Orchester der Komischen Oper Berlin, Komische Oper Berlin, 23. Januar 2022

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert